Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0791
DOI Artikel:
Halke, Paul: Der Karikaturist, [1]
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AUS DER WERKSTATT DES KÜNSTLERS
Veranlagung der einzelnen Mitarbeiter und die
Vielfältigkeit der Temperamente giebt Anlaß zu den
witzigsten Kontroversen. Während des Einen
Blut in Wallung gerät über' einzelne Vorkomm-
nisse im politischen und sozialen Leben und
ehrliche Entrüstung ihn zu harten Worten hin-
reißt, sieht sein Nachbar die Sache von der
heiteren Seite an, ein Wort baut sich zum
andern, Idee wächst zur Idee, und kaleidos-
kopisch ziehen die Bildervorschläge vorüber. Die
tausend Rücksichten, die der Karikaturist und
sein Redakteur zu nehmen haben, nötigen beide
leider dazu, oft die wirkungsvollsten Vorschläge
und die originellsten Lösungen „unter den Tisch
fallen“ zu lassen. Da sind die empörten Familien-
väter und -Mütter, die um die Sittenreinheit
ihrer Schäflein bangen und in anonymen Post-
karten ihren Groll entladen, da sind religiöse
Anschauungen zu bedenken, ja, selbst dem Aus-
lande gegenüber ist oft eine gewisse Vorsicht
geboten, um dort leicht zu entflammende Chauvi-
nisten nicht zur Wut zu reizen und dadurch
nachbarliche Verstimmungen nicht noch mehr zu
verschärfen. Und da ist vor allem der eifrigste
und zuverlässigste Leser des politischen Witz-
blattes: der Herr Staatsanwalt, dessen Gunst zu
verscherzen keines Falles geraten scheint. Und
wenn ich auch an der ehrlichen Kunstbegeisterung
eines preußischen Staatsanwalts nicht zu zweifeln
wage, so ist doch die Ausspannung, die er dem
lustigen Witzbold manchmal zu verordnen geruht,
auf keinen Fall der Sorge um dessen Gesundheit
entsprungen oder der Einsicht, daß ein größerer
Aderlaß am Portemonaie nur die Arbeitskraft
heben und belebend auf die Phantasie wirken
kann. (Fortsetzung folgt in Heft 10.
BLAU-SCHWARZ PAUL HALKE
Unberechtigter Nachdruck aus dem Inhalt dieser Zeitschrift ist untersagt. — Übersetzungsrecht Vorbehalten.
Verantwortlicher Schriftleiter: FELIX LORENZ, Friedenau b. Berlin. — Verlag: WEISE & CO., Berlin W.62.
Druck: KREY U. SOMMERLAD, Niedersedlitz-Dresden.
Veranlagung der einzelnen Mitarbeiter und die
Vielfältigkeit der Temperamente giebt Anlaß zu den
witzigsten Kontroversen. Während des Einen
Blut in Wallung gerät über' einzelne Vorkomm-
nisse im politischen und sozialen Leben und
ehrliche Entrüstung ihn zu harten Worten hin-
reißt, sieht sein Nachbar die Sache von der
heiteren Seite an, ein Wort baut sich zum
andern, Idee wächst zur Idee, und kaleidos-
kopisch ziehen die Bildervorschläge vorüber. Die
tausend Rücksichten, die der Karikaturist und
sein Redakteur zu nehmen haben, nötigen beide
leider dazu, oft die wirkungsvollsten Vorschläge
und die originellsten Lösungen „unter den Tisch
fallen“ zu lassen. Da sind die empörten Familien-
väter und -Mütter, die um die Sittenreinheit
ihrer Schäflein bangen und in anonymen Post-
karten ihren Groll entladen, da sind religiöse
Anschauungen zu bedenken, ja, selbst dem Aus-
lande gegenüber ist oft eine gewisse Vorsicht
geboten, um dort leicht zu entflammende Chauvi-
nisten nicht zur Wut zu reizen und dadurch
nachbarliche Verstimmungen nicht noch mehr zu
verschärfen. Und da ist vor allem der eifrigste
und zuverlässigste Leser des politischen Witz-
blattes: der Herr Staatsanwalt, dessen Gunst zu
verscherzen keines Falles geraten scheint. Und
wenn ich auch an der ehrlichen Kunstbegeisterung
eines preußischen Staatsanwalts nicht zu zweifeln
wage, so ist doch die Ausspannung, die er dem
lustigen Witzbold manchmal zu verordnen geruht,
auf keinen Fall der Sorge um dessen Gesundheit
entsprungen oder der Einsicht, daß ein größerer
Aderlaß am Portemonaie nur die Arbeitskraft
heben und belebend auf die Phantasie wirken
kann. (Fortsetzung folgt in Heft 10.
BLAU-SCHWARZ PAUL HALKE
Unberechtigter Nachdruck aus dem Inhalt dieser Zeitschrift ist untersagt. — Übersetzungsrecht Vorbehalten.
Verantwortlicher Schriftleiter: FELIX LORENZ, Friedenau b. Berlin. — Verlag: WEISE & CO., Berlin W.62.
Druck: KREY U. SOMMERLAD, Niedersedlitz-Dresden.