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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Halke, Paul: Der Karikaturist, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0857

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AUS DER WERKSTATT DES KÜNSTLERS

Mitarbeiter überlassend, aus dieser Schwierigkeit
einen Ausweg zu finden und sich mit Hilfe
seiner hellseherischen Begabung aus der Affäre
zu ziehen. Da die Zugaben des Alters sich
entweder in Schmeibauch und Hängebacken oder
in dürftiger Magerkeit bemerkbar machen, so
entscheidet sich der Maler sicher für das —
falsche! und das hat sein Gutes, denn der Dar-
gestellte sieht mit Schrecken, was aus ihm hätte
werden können, wenn sich Mutter Natur auch
so vergriffen hätte wie sein Zeichner — und in
verzeihlicher Schwäche menschlicher Eitelkeit
überrascht er die Mitwelt denn doch endlich
mit seinem neusten Bilde. Noch komischer ist
die Situation, wenn jemand, der den zu Kari-
kierenden zu kennen vorgiebt, dem Zeichner das
Aussehen des Betreffenden schildert. Wenn er
Bismarck ähnlich sein soll, kann der Zeichner
mit töllicher Sicherheit annehmen, daß der Dar-
zustellende im besten Falle einen Schlapphut
trägt oder einen mehr oder weniger buschigen
Schnurrbart hat. Das ist aber auch alles, manch-

mal hat vielleicht nur die Dogge, die in diesem
Falle aber ein Windspiel ist, Anlaß zur Ähnlich-
keit gegeben. Es ist geradezu erstaunlich, welche
Physiognomienähnlichkeiten der Laie herauszu-
finden versteht!

Noch vor wenigen Jahren war es ganz unstatt-
haft, den Kaiser oder ein Mitglied der kaiser-
lichen Familie irgendwie im Witzblatt zeich-
nerisch zu behandeln. Es zog unweigerlich eine
Strafverfolgung nach sich — und da war es nun
Sache des Zeichners, den betreffenden ominösen
Pa.ragraphen kunstgerecht zu umschiffen und
trotzdem dem Leser klar zu machen, wer und
was gemeint sei. Das ist nun anders geworden,
und gerade vom Kaiser und auch vom deut-
schen Kronprinzen wird erzählt, daß sie sich
beim Anblick ihrer Karikaturen in deutschen
Witzblättern höchlichst amüsieren.

Wenn nun auch jetzt die hohen und höchsten
Herrschaften ein Auge zudrücken, sobald sie ihre
lustigen Konterfeis in den politischen Witzblättern
erblicken, so haben gewöhnlichere Sterbliche, wie
Minister und Abgeordnete, das
schon immer tun müssen, denn sie
haben von jeher als Zielscheibe für
den Karikaturisten gedient. Die
Karikaturen von Bismarck, Caprivi,
Windthorst, Richter etc. sind welt-
bekannt geworden und haben viel
zu der Popularität beigetragen, deren
sich jene Männer erfreuten. Ich er-
innere mich noch mit Vergnügen
des Besuches eines kleinen Ver-
wandten in Berlin, der bei dieser
Gelegenheit zum ersten Male Bis-
marck sah und mich erstaunt darauf
aufmerksam machte, daß Bismarck
nicht die drei Haare hätte.

Bis in die kleinsten Hütten hatten
diese Bilder ihren Weg gefunden.
Zerknüllt zwar und mit Fettflecken
reichlich verziert waren sie selbst
als Einwickelungspapier noch eine
hochwillkommene Gratiszugabe. Wie
man Bismarck an seinen drei Haaren
erkannte, wenn auch nichts weiter
als die Stirn von ihm zu sehen
war, so verschönte man den Scheitel
Caprivis mit einer einzigen Locke,
die höchst unmilitärisch unter seiner
Soldatenmütze hervorquoll. Während
seine Nase immer kleiner wurde,
bis sie zuletzt zu einem knubbel-
artigen Auswuchs zusammenschnunte,
geriet Ferdinand von Bulgariens
Riechorgan in das Märchenreich
unbegrenzter Möglichkeiten. Die stetig
wachsende Körperlänge Bethmanns

UNCLE SAM L. FEININOER
 
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