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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Aus Ludwig Richters Dresdner Erinnerungen: Dresden, 1836-1847
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AUS LUDWIG RICHTERS DRESDNER ERINNERUNGEN

TANZENDE BAUERN. PORZELLANGRUPPE HANS SCHWEGERLE-MÜNCHEN

Schaffen vielfach zugute kamen. Ich war damals
ein sehr rüstiger Fußgänger und marschierte z. B.
auf der Wanderung durch Franken, das ich mehr-
mals kreuz und quer, von Nürnberg bis zur Rhön,
durchzog, gegen hundert Postmeilen innerhalb
zwei Wochen. Bald nach Erscheinen des male-
risch-romantischen Deutschlands unternahm Wigand
eine deutsche Ausgabe des „Vicar of Wakefield“
von Goldsmith mit Holzschnittillustrationen, deren
Komposition er mir übertrug.

Ich hatte damals noch wenig Kenntnis von
der Technik des Holzschnittes und erinnerte mich
nur, daß Professor Steinla mich einst veranlassen
wollte, für ihn eine kleine Aufzeichnung auf Holz
zu machen, und mir das Prinzip des Holzschnittes
im Gegensatz zum Stich folgendermaßen zu er-
klären versuchte: Druckt man eine Holzplatte
ab, so entsteht eine schwarze Fläche; die ab-
gedruckte, polierte Kupferplatte hingegen läßt das

Papier weiß. Während
beim Stich das Dunkel
ins Licht graviert wird,
müssen beim Holzschnitt
die Lichter aus der Tiefe
geschnitten werden. Der
Künstler hat also die
durch die Platte ge-
gebene Schwärze vorzugs-
weise zu benutzen und
beim Aufzeichnen aus
der Tiefe ins Licht zu
arbeiten. Außerdem war
mir bekannt, daß die
neuere Technik sich von
der alten wesentlich
unterschied. Zu Dürers
Zeiten wurden die Zeich-
nungen auf Bimbaum-
tafeln von Langholz über-
tragen und mit Messern
ausgeschnitten, während
jetzt auf Buchsbaum-
platten von Kernholz ge-
zeichnet wird, das sich
leicht mit Sticheln be-
arbeiten läßt. Das
Schneiden mit dem
Messer konnte bei weitem
nicht so zarte und
durcheinanderlaufende
Strichlagen hervorbrin-
gen, als die jetzige
Stichelarbeit; die Alten
mußten deshalb ihre Auf-
zeichnungen einfach und
in derben Strichen halten,
und Kreuzschraffierungen
wandten sie wegen
Schwierigkeit der Ausführung äußerst selten
an. Obwohl ich nun die Einfachheit der alten
Zeichnungsweise möglichst beibehielt, erlaubte ich
mir doch größere Freiheiten in Verwenduug der
Strichlagen und suchte hauptsächlich große Licht-
und Schattenmassen zu gewinnen; zuweit gehende
Ausführung der Modellierung durch Mitteltöne
aber vermied ich, weil sie dem Holzschnitt leicht
etwas Trübes geben; überhaupt war es mein Be-
streben, den Charakter des Holzschnittes, seinen
durch das Material bedingten Stil, zu bewahren,
und weder zur Nachahmung der Alten noch zum
Wetteifer mit dem Kupferstich zu ge- oder miß-
brauchen. Wenn späterhin in Besprechungen
meiner Holzschnittbilder hervorgehoben wurde,
daß sie etwas wie Sonnenschein an sich trügen,
so verdanke ich dieses Lob nicht ganz allein
meiner Komposition, sondern dem oben ange-
deuteten Verfahren; denn kräftige Tiefen gegen

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