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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Riegel, Ernst: Goldschmiedearbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0943

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DIE FARBE DES LEBENS

liebt. Dies bildet einen besonderen Reiz von
Corot und auch von Jongkind.“ Das Eckchen
auf der Leinwand, das sich so großer Zuneigung
erfreut, wird gewiß nicht nur zeichnerisch be-
sonders behandelt, es bekommt vielleicht die
koloristische Auszeichnung wie eine leise Zärt-
lichkeit, die wieder andere Zeilen Sisleys an-
deuten: „Und obgleich der Maler über seinem
Werke stehen soll, so muß in gewissen Momenten
die Ausführung leidenschaftlich sein, um dem
Beschauer die Erregung zu suggerieren, die der
Künstler empfunden hat.“

Ganz gewiß hat Gauguin in gleicher Weise
gefühlt, und nicht allein die exotischen Tinten,
in die Sonne und Himmel seine Märcheninsel
tauchten, haben ihn zu dem mächtig flam-
menden Hintergrund bewogen, der, goldorange
oder rosigrot, die Folie für seine schönen Tahi-
tianerinnen gab. Von Leidenschaft umloht er-
schien auch seinem Herzen die Welt, die seinen
Sinnen rauschende Farbenfeste erstehen ließ.
Der Glanz all der prächtigen, bunten Blumen,
mit denen seine Geliebte das Haus und ihren
Leib verschwenderisch schmückte, wurde reicher
und satter, wenn seine Fantasie den Reflex der
roten Lohe auf ihre Blütenblätter leitete, indeß
der braune Frauenkörper neben ihm einer warm
getönten Bronze glich. Und so umwob Gauguin
seine Bilder gleichsam mit einem roten Heiligen-

schein, der vom Feuer einer gewaltig entfachten
Sinnlichkeit immer wieder erfrischt wurde.

Und wenn es überhaupt eines Beweises für
die Wandlungsfähigkeit, für die Ausdrucksmög-
lichkeiten der Blutfarbe bedürfte, so müßte ihn
schon die Nennung des Namens von Anders Zorn
neben dem Gauguins erbringen. Anders Zorn,
der im kühlen Norden, in der schwedischen
Heimat seine Bilder malt, liebt breite Flächen
von Zinnober auf seinen Gemälden. Seine kühlen,
blonden Frauen hüllen sich gern in grellrote
Gewänder, mögen sie nun Damen sein oder
robuste Mädchen aus dem hellsichtig fleißigen
Dalekarlien, deren nimmermüde, kunstfertige Hände
das leuchtende Kleid noch mit farbenfrohen
Blumen zierten. Aber eine andere Sonne färbte
ihnen nicht nur Haar und Haut anders als den
dunklen Südländerinnen, auch ihre farbigste Farbe
scheint etwas von dem Schnee und Eis ihrer
Berge eingesogen zu haben: kühl und fast sach-
lich hebt sich das rote Habit von dem hellen
Teint und dem gelblichen Haar ab und streut
milde, rosenfarbene Lichter auf das blonde, feste
Fleisch.

Bei der Verteilung des sinnlich Erfreulichen
ist aber der Mitteleuropäer der großen Städte
sicher am schlechtesten fortgekommen. Für seine
Augen zaubert die Sonne keinen Zauberprunk
um lockende Nacktheit, spinnt sie kein Netz von

AMETHYSTQUARZSCHALE ERNST RIEQEL-DARMSTADT

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