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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Schmülling, Ludwig: Der moderne Wohnhausbau: eine Studie zur Geschichte des Wohnungswesens
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0947

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DER MODERNE WOHNHAUSBAU

im Jahre 1850 war die Anpreisung: „Mit

Spiegeln geziert und frisch tapeziert“ das höchste
Lockmittel. Erst in den letzten 50 Jahren ist
mit der Einführung der Wasser-, Gas- und
Elektrizitätsversorgung der Städte, mit der
Kanalisation, der Zentralheizung, dem Ausbau
der Verkehrsmittel auf den Straßen und innerhalb
der Häuser eine derartig einschneidende Um-
wälzung des Bauwesens erfolgt, daß seit
dieser Zeit eine neue Epoche der Mietskaserne
beginnt.

Hand in Hand mit diesen technischen Um-
wälzungen ging eine durchgreifende Veränderung
auf rein wirtschaftlichem Gebiete vor sich. Es
sollen in dieser Studie nur die Hauptlinien der
Entwicklung skizziert werden.

Die Stadtgebilde im Mittelalter und in der
Renaissance waren unter dem Druck strategischer
Forderungen entstanden. Durch die ringförmigen
Wallanlagen wurde das Gelände bestimmt, das
durch die vorhandenen Hauptstraßenzüge und
Gebäude die wesentlichen Richtlinien für die
Aufteilung nicht besaß. Wenn die einzelnen

Grundstücke möglichst klein geschnitten und
die Häuser eng aneinander gepreßt wurden, so
lag das nicht so sehr an der Bodenspekulation,
als an der durch die Verteidigungsanlagen be-
dingten Konzentration.

Im 12. Jahrhundert beginnt die Zeit der
kommunalen Freiheit, des Zunftwesens und der
gewerblichen Tätigkeit, wodurch die Landflucht
ihren Anfang nahm.

Der städtische Boden gehörte ursprünglich
meist einem Kreise von Großgrundbesitzern,
die ihre Parzellen gegen einen gleich bleiben-
den Zins mit Bauverpflichtung in Erbleihe gaben.
Das Bauen wurde im Interesse kommunaler
Steuerpolitik durch Lieferung von Baumaterialien
möglichst erleichtert. Häufig bauten sogar die
Gemeinden selbst und entschädigten sich durch
einen Grundzins oder durch Naturalabgaben.
Schon damals wurden, wenn auch in ver-
schwindender Anzahl, Mietswohnungen gebaut,
jedoch fast nur für die ganz arme Bevölkerung.
Erst mit der Renaissance verschwindet das kleine,
mittelalterliche Haus und macht unter dem Ein-

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KAMM MIT CHINESISCHER SCHNITZEREI

ERNST RIEOEL-DARMSTADT
 
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