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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Schmülling, Ludwig: Der moderne Wohnhausbau: eine Studie zur Geschichte des Wohnungswesens
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0960

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DER MODERNE WOEINEI AUSBAU

und die fein in Farben abgetönte Stimmung
angestrebt. Alle überflüssigen, staubfangenden
Stuckteile oder Verkröpfungen werden ver-
mieden. Da durch die Einrichtung der Woh-
nungen die Wände genügend belebt werden,
kann der Architekt auf die meisten früher üb-
lichen Dekorationsstücke beim Ausbau verzichten.
Dagegen wird erhöhter Wert auf die Verhält-
nisse der Raumabmessungen sowie der Türen
und Fenster gelegt. Durch den Einbau von
Nischen und Sitzecken, inneren Treppen und
Galerien, ferner durch eine eigenartige Teilung
der Fenster und Türen, durch Herunterziehen
der Putzwände bis auf die halbe Türhöhe usw.
werden aparte Wirkungen erzielt.

Alle nun diese architektonischen Mittel sind
gegen die bisher üblichen, oft mit barbarischem
Geschmack ausgewählten Dekorationsmittel
äußerst billig, da nicht das Material, sondern
die Formgebung die Hauptrolle spielt.

Der gesunde, aufs Einfache und Natürliche
gerichtete Sinn zeigt sich neuerdings auch an
den Fassaden. Während früher die kunstge-
schichtlichen Lehrbücher eine verwirrende Fülle
von Motiven lieferten, entwirft der wahre Archi-
tekt heute wieder mehr nach seinem angeborenem
Kunstempfinden, ln den Mietshäusern mit
ihren verhältnismäßig dünnen Wänden sollen
weder Schlösser noch auch Palazzi, sondern ein-

fache, bürgerlicheWohnstätten geschaffen werden.
Die Abwägung der Verhältnisse, die Kompo-
sition der großen Umrißlinien spielt dabei eine
wichtigere Rolle als das Relief und das Orna-
ment. Wenn früher durch aufdringliches Her-
vorheben jeder einzelnen Fassade und durch
den Wettkampf der Einzelobjekte untereinander
der Gesamteindruck der Straße sehr unruhig
und zerrissen wurde, so bemüht sich heute der
als Städtebauer geschulte Architekt, den Entwurf
ganzer Straßenzüge einheitlich zu leiten. Die
Kommunen und Beratungsstellen unterstützen
diese Tendenz durch kostenloses Bearbeiten der
Fassaden. Nur hierdurch kann trotz des an
und für sich problematischen Charakters der Miets-
kaserne eine einigermaßen ästhetisch befriedigende
Wirkung des Großstadtbildes erzielt werden.

Ein ferneres Mittel zur Belebung der Straßen-
züge bilden die Vorgartenanlagen und
Blumenfenster. Nicht nur wird hierdurch
der Charakter der Wohnstraße betont, auch an
Stelle der Monotonie tritt durch die bunten
Blumenstreifen eine wohltuende Abwechslung.
Wenn der Kontakt mit der Natur hierdurch auch
noch nicht ganz in wünschenswertem Sinne des
Bodenreformers hergestellt ist, so wird doch
entschieden schon viel verbessert.

Ein besonderes Lob gebührt den Bestrebungen
der modernen Gartenarchitektur. Seitdem

MUSEUM IN ZWICKAU. HINTERFRONT

Entwurf: ARCHITEKT PAUL BENDER B. D. A. DRESDEN

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