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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Fechner, Hanns: Vom Perspektivischen im Bilde
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0834

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VOM PERSPEKTIVISCHEN IM BILDE

daß er die Töne abschwächen würde, je weiter
dem Hintergründe zu sie lägen, und daß er sie
so gebrochen wiedergäbe, wie sie uns durch
die darüber und dazwischen liegende Luft er-
scheinen, dies um so mehr, je weiter die Land-
schaft vom Beschauer abläge, wobei natürlich
auch die Reflexwirkungen des Himmels und
seiner Farbe mit einwirken werden. Das rein
Zeichnerische ist aber auch hier für das per-
spektivische Moment nicht zu unterschätzen;
denn während ganz vorn beim Beschauer noch
einzelne Details den Ton unterbrechen, werden
nach hinten zu immer größere und einfachere
Farbenflächen in die Erscheinung treten. Der
Wald hinten im duftigen Nebel wird mit dem
getönten Himmel die Wirkung der Luftperspek-
tive noch verstärken. Erweckt ein solches Bild
nun beim Beschauer den Eindruck einer wirk-
lichen großen Ebene, die sich nach dem Horizontzu
ausdehnt, den Gedanken an stundenlanges Wan-
dern auslösend, ehe der Wald hinten' zu er-
reichen wäre, so hätte der Maler das Höchste
mit der Luftperspektive erreicht. Das heißt
also: Nicht „Luft“ wird „gemalt“, sondern die

Gegenstände werden scharf oder verschwom-
men, in lebhaften oder in gebrochenen Farben-
tönen wiedergegeben, so wie das Auge sie in
der sie umlagernden Atmosphäre sieht.

Während nun beim Bilde zeichnerische und
Luft-Perspektive, in ihren feinsten Wirkungen
erkannt und benutzt, die scheinbare räumliche
Ausdehnung wiederzugeben suchen, vergröbern
Diorama und Panorama diese Grundgesetze,
indem sie körperliche Gegenstände in die ma-
lerische Wirkung mit einbeziehen. Hierdurch
wird ein teilweises stereoskopisches Sehen aus-
gelöst, das die perspektivische Wirkung des
Gesamtbildes natürlich verstärkt.

Die menschlichen Augen umfassen stereosko-
pisch nicht Dinge, die in der Fläche liegen, son-
dern nur plastische Gegenstände, die innerhalb
ihrer Sehwinkel im Raume stehen. Das Ge-
sichtsfeld des einen Auges ist aber nicht ganz
das gleiche, wie das des anderen; die beiden
so verschieden erfaßten Bilder werden daher
erst im Gehirn zu einem verschmelzen, und
dieser Prozeß ist es, der uns die Gegenstände
im Leben erst recht plastisch erscheinen läßt.

SCHLOSS ZOBL1TZ. HERRENZIMMER

ARCHITEKTEN: PAULUS U. LILLOE B. D. A. BERLIN

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