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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Détschy, Serafine: Kreuzwege, [2]: Roman aus der Bühnenwelt
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echanisch öffnete Sarolta die 1 ages-
zeitungen, die den grossen sensatio-
nellen Erfolg des ersten Abends konstatierten
und mit mehr oder minder Geschmack, dem
schönen Gaste, der „Diva“, der „gottbegnadeten
Künstlerin“ Weihrauch streuten. — Doch was
war das?— Sie hielt eines der Hauptblätter, das Tageblatt, in Händen
und las wiederholt kopfschüttelnd die Stelle:

„Der feine, künstlerische Maassstab unseres Hoftheaters scheint der
Gastin noch zu fehlen, noch outriert sie ein wenig im Ausdruck der
Leidenschaft; sie malt mit zu stark aufgetragenen Farben, die sie aus
dem Rahmen eines wohlabgetönten Ensembles unkünstlerisch hervortreten
lassen. Immerhin ist der Gastin eine gewisse Gestaltungskraft für
heroische Aufgaben nicht abzusprechen und das Publikum nahm denn
auch ihre Darbietungen freundlich auf, doch müssen wir noch weitere
Leistungen auf dem Gebiete abwarten, ehe wir uns definitiv darüber
äussern können, ob Fräulein Dereny im Stande ist, ihre geniale Vor-
gängerin, Fräulein Bettina in diesem Fache vollgültig zu ersetzen.“

Die Sängerin war erbleicht. Wie ein feindseliger Haucli wehte es
sie aus diesen Worten an. 1

„Wie heisst das Blatt?“ — sie wandte es um. „Das Tageblatt.“
Der Redakteur soll der beste Freund des Intendanten sein — hm — was

— [Nachdruck verboten.]

bedeutet das?“ — Es klingelte und
der Theaterdiener wurde gemeldet.

— Ein rundliches Männchen, mit
schweisstriefendem Vollmondgesichte,
watschelte mit einem Gemisch von
Devotion und Vertraulichkeit ins
Zimmer.

„Gu’n Morge, gu’n Morge, gnä-
diges Fräulein! Wie g’schlafe? Na-
dierlich gut auf den ausserordentliche
Erfolg. Gratuliere, gratuliere, versteht
sich, soll net fehle!“ Alles von un-
geschickten Kratzfüssen begleitet.

„Was führt Sie her, Braune-
berger?“ fragte die Künstlerin.

„Hm, ja, soll net fehle,“ — er

sammelte sich sichtlich zu dienstlichem Auftrag — konnte aber einer
momentanen Verlegenheit nicht ganz Herr werden. „Ei, schöne
Empfehlung soll ich mache von die hohe Intendanz und der Herr
„Geheime“ lasse bitte, heut um zwölf Uhr zu einer Verständigungsprobe
zu kommen.“

„Heute? Die Proben für Walküre sind erst in zwei Tagen angesetzt.“
 
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