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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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[Nachdruck verboten.]

„Die Gegensätze berühren sich!“ — Allabend-
lich treffen sie zusammen im Krug des oberbayerischen
Gebirgsdorfes, — der emeritierte Schulmeister und
der alte Förster — die Respektspersonen, die Gebildeten
des Ortes. O, er hat einst hoch gestrebt, der alte
Magister — er ist gar gescheidt gewesen als junger
Bub schon und s’habens geglaubt dahaam, es steckt an
Gottesgelahrter drin und auf die Schule in München
habens ihn geschickt — seine reichen Verwandten!
Freilich — ein „Hochwürden“ ist nicht daraus geworden,
aber mächtig gelehrt ist er doch haamgekehrt - damals
vor 50 Jahren und viel Schönes kann er noch heut
sagen, — das versteht zwar kei’ Mensch droben in
Dachelsan, aber es klingt gar gelehrt, — wie in der
heiligen Messen! — Und der Förster — freilich
mit der Gelehrsamkeit
aus den Büchern, —

damit schafft ers !

nicht, aber im 2. Jäger- j

bätaillon hat er den
Feldzug mitgemacht
und Leibjäger ist er
dann gewesen beim
Prinzen Leopold .—
das ist auch was! Der
Magister ist heut un-
präcis gewesen, schon
war des Försters
Maasskrug fast zur
Hälfte geleert, als er
mit dem „Grüss Gott,

Herr Förster“ den ge-
wohnten Platz ein-
nahm und seinen
mächtigen Hut vor-
sichtig auf den Tisch
stellt. „Nunc est bi-
bendum! sagen wir
Lateiner“ wendet er
sich auch heute an
den Förster — wie
allabendlich — und
„Na? Nit früher Ur-
laub gekriegt?“ ant-
wortet der mit einem
verschmitzten Lächeln.

„Mulier tac.eat —
sagen wir Lateiner —
die Frauen reden nicht
mit, wenn im goldenen
Löwen —“

„Anstich ist! Habt
recht, Magister. Aber
nun heraus damit —
was hat Euch so lange
zurückgehalten? Da
muss ein Grund vor-
liegen — also heraus
aus dem Loch —
wenns nichts Böses
ist!“

„ Integer vitae,
scelerisque purus —
sagen wir Lateiner —
rein im Wandel und
frei von Schuld!

„Ach was, lasst
mich aus mit Eurem

Latein. Ihr habt ausgeschaut, als ob Ihr eben aus der
Beichte kömmt — ist was geschehen?

Der Magister kratzt sich scheinbar verlegen hinterm
Ohr. „Fabula narratur sagen wir Lateiner — da hat
mir soeben auf dem Herwege Otto, ihr wisst schon,
der Lang, erzählt vom Oberbauer sei Annerl —“

„Ah — die drunten in München — die eine feine
Dame geworden ist, was ist denn mit der da vor-
gekommen? Ein gar schönes Madel ists, das muss
man ihr lassen!“

„Auf Abwege ist
geworden — rara avis
„Aber, Magister —

Schule gehabt und nun —“

„Naturam expellas furca, tarnen usque recurret!
Die Natur kommt immer wieder durch, Herr Förster.
Aber — was stimmt Euch plötzlich so nachdenklich?“
Der Förster streicht sich über den langen Bart.
„Sonderbar,“ sagt er dann, „da fällt mir jetzt eine Sachen
ein — sonderbar — gerad die Annerl betriffts —“

„Nun?“ fragt der Schulmeister und rückt näher an

den Tisch. „Aber — dicere verum — kein Jäger-
latein“ fügt er mit Nachdruck hinzu.

„Magister, sage ich nicht immer nur die reinste
Wahrheit?“

„Omnis honte mendax — ein Bissl lügt ein Jeder,“
antwortete der Schulmeister. — „Aber nun — curiosus
sum — erzählt.“

„Hm, Magister, es können an die 20 Jahre her sein
— da hatte ich einen Hund —“

„Aha — einen Hund!“

„Unterbrecht mich nicht! Einen Hühnerhund —
Tiras hat er geheissen — so was von Nase, wie der.
gehabt hat, ist überhaupt noch nicht dagewesen. Wenn
die Schnepfen kommen sind, dann hat ers bei der För-
sterei markiert, und auf 1000 Gänge hat er schon Wind
bekommen. . Mit dem Tiras, da bin ich denn vor 20
Jahren an einem Maitag beim Oberbauer eingetreten
und — Ihr könnts Euch denken, wie erstaunt ich ge-

sie kommen — ein loser Vogel
sagen wir Lateiner!“

Ihr habt die Annerl doch in der

Ed. Grützner: Zwei Lateiner.

wesen bin, als der Hund regelrecht eine Wiegen ge-
standen hat, in die die Huberbäurin tags zuvor ein gar
winziges Mädel gelegt hatte. Ich hab den Hund abge-
rufen — „pfui, Vogel,“ hab ich gesagt, ihn abgepfiffen
— geschlagen — nichts hats genutzt — am Riemen hab
ich den Tiras abführen müssen. Und seit der Zeit —
so lang ' er gelebt hat, hat der Tiras den Oberbauern
sei Annerl markiert, als obs a Schnepfen wär — auch
als das Wiegenkindl schon a sauberes Madel von fünf
Jahren gewesen ist. Ich hab net gewusst warum. Heut,
Magister, habt Ihr michs gelehrt, — heut erst versteh
i mei braven Tiras! Dazumal hab ich ihm unrecht ge-
than — der Hund hats damals schon gewindet, dass
aus der Annerl an loser, lockerer Vogel werden würde
und ka Tauben nit — wie habt Ihr doch gesagt auf
latein?“

„Rara avis! — Förster — credo quia absurdum —,
Ihr seid ein besserer Lateiner wie ich — ich kenne nur
das römische von jenseits der Alpen, — Ihr sprecht
echt oberbairisches — cisalpinisches „Jägerlatein“.

F. v. D.-C.

.Kaiserin Kfisaßß^ als JBaufjerrin.

In der Familie der Wittelsbacher herrscht ein starker
Hang, sich architektonische Denkmale zu schaffen, zu
bauen und zu verschönern. Auch die Kaiserin Elisabeth
liess sich bekanntlich nach eigenen Plänen ihrem Ge-
schmack entsprechende Bauwerke errichten, auf diese
Weise entstanden Schloss Lainz bei Wien und Achil-
lei on auf Corfu.

Beim Bau des Achilleion wurde sie augenschein-
lich von ihrer Vorliebe für das alte und moderne
Griechenland stark beeinflusst, während Lainz eine
Frucht der modernen architektonischen Schule ist und
uns zeigt, dass ihre Würdigung des Schönen durch
keinen Stil beengt und begrenzt wurde. In dem Buche
von A. de Burgh „Elisabeth“, (M. Perles, Wien),
dem wir die folgenden Ausführungen entnehmen, wird der

Baulust der Fürstin
ein ganzes Kapitel ge-
widmet, das sehr le-
senswert ist.

Selbst diejenigen,
welche Wien genau
kennen, werden den
schönen Ruhesitz der
Kaiserin nie gesehen
haben. Obwohl nur
wenige Fahrstunden
von der Hauptstadt
entfernt, kann man
sich doch viele Meilen
weit auf dem Lande
glauben. Der Talast
ist verhältnismässig
klein, jedoch war es
durch geschickte Ein-
richtung möglich, auch
das Gefolge der Kai-
serin aufzunehmen,
welches in Lainz zwar
verringert war, jedoch
noch immer eine statt-
liche Anzahl betrug.

Eine Eigentümlich-
keit des Hauses ist
die Kapelle, wenn man
sie so nennen kann.
Die Kaiserin hatte in
einem Saale eine Ni-
sche anbringen lassen,
die den Altar enthält,
auf welchem jeden
Morgen von einem der
Hofkapläne die heilige
Messe gelesen wurde.
Ein riesiger Spiegel,
der durch eine ver-
borgene Feder bewegt
werden kann, reicht
von einer Wand zur
andern und verdeckt
die Nische gewöhn-
lich, so dass kein Altar
zu sehen ist. Das
Schlafzimmer der Kai-
serin enthält in blass-
rosa sicilianischem
Marmor eine schöne
Kopie der Niobe aus
dem Palazzo degli
Uffici von Farnkraut und Zwergpalmen umgeben. Diese
Statue wird die ganze Nacht über durch kleine elek-
trische Glühlichter erleuchtet.

Das besser bekannte architektonische Werk der
verstorbenen Kaiserin ist die in Corfu errichtete Villa,
welche sie nach dem homerischen Helden Achilleus
Achilleion nannte. Vor längerer Zeit, im Jahre 1861,
als sie auf Rat der Aerzte einen Winter in Madeira
verbringen musste, besuchte sie auf der Rückreise
nach Triest im Spätfrühling die Insel Corfu und
verblieb einige Tage in der Villa „mon repos“, die
der britische Lord Oberkommissär ihr zur Verfügung
gestellt hatte. Das schon beim ersten Anblick der
halb - tropischen Landschaft empfundene Entzücken
steigerte sich täglich und entfachte in ihr den leb-
haften Wunsch, sich auf dieser reizenden Insel ein
Heim zu gründen.

Elisabeth kaufte die verfallene Villa Braila, die in
der Nähe Gasturis auf einem bewaldeten Hügel liegend,
einen entzückenden Ausblick über den blauen Ocean,
die grünen, wellenförmigen Abhänge der Insel und auf

XV. 19. B. 1.

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