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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Die Einladung
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Ritter, Hermann: Humoreske
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0480

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MODERNE KUNST.

221

gewesen. Ich bin aber nicht George Grimstrom, also auch nicht der
Verfasser Ihres gestrigen Briefes, sondern George Fordham und bin
gekommen, um Sie recht herzlich um Lucys Hand zu bitten!“

Nicht minder betroffen, wie ich vorher, war jetzt die alte Dame.

„Wie? .... Was? . . . .“ waren die einzigen Worte, die sie nur
mühsam hervorbringen konnte, \,
und ihren erstaunten Mienen
sah ich an, dass sie die Sach-
lage keineswegs begriffen hatte.

„Ja, so ist es,“ fuhr ich fort,

„durch einen sonderbaren Zufall
habe ich mich gestern Abend
dazu verleiten lassen, ein viel-
leicht zuerst frivoles Spiel zu
beginnen. Ich hätte Miss Lucy,
die mich für George Grimston hielt, gleich an-
fangs über ihren Irrtum auf klären sollen. Durch
eine Fügung ist aber aus dem anfänglichen
Spiel Emst geworden: ich liebe Lucy!

inMurtg.

<£> G

üE)er junge Ehemann und Fabrikbesitzer Fritz
Sarter trat zu seiner jungen Frau in das Esszimmer.

Es war gerade zur Mittagszeit, der Tisch zierlich
gedeckt und Frauchen, das erwartend am Fenster
gestanden hatte, kam ihm mit glücklich leuchten-
den Augen entgegen. Er nahm sich aber kaum
Zeit, ihr flüchtig die rosige Wange zu küssen. „N’Tag
Maus!“ — Freudig erregt ging er schmunzelnd und
Hände reibend ein paarmal im Zimmer auf und
ab, obgleich dazu in Anbetracht der vielen stilvollen
Möbel sehr wenig Platz war. Endlich liess er sich
am Esstisch auf einen Stuhl fallen. In seinen Augen
lag der verzückte Glanz eines Sehers, der über alles
Nahe und Gegenwärtige hinweg in ein Land der
Wunder und der Verheissung schaut.

„So, das wäre erreicht, so weit wären wir! Jetzt
gehts von selbst! Fabelhaftes Glück! Grade diese
Excellenz Luckewitz, der wichtigste Mann bei der
Kommission. Famos, wirklich famos!“ Er fuhr
sich mit der Hand durch die dichte Haarkrone, als
ob er andeuten wollte, dass der darunter verborgene
Sitz der Intelligenz die eigentlich direkte Quelle der
erreichten Gunst des Schicksals sei.

Helene, sein junges Weibchen, sah denn auch
ihren Ehegemahl mit der vollen Bewunderung an,
die er augenscheinlich herausforderte, und versuchte,
der weiteren Erleuchtung harrend, auch auf ihre
Lippen ein Siegeslächeln zu zwingen, dem man es
aber ansah, dass es keiner logischen Begründung
entsprang. „Willst Du mir nicht sagen, Männchen,“
sagte sie daher endlich bescheiden, als dem mysti-
schen Ausrufe eine für ihre Neugierde gar zu lange
Pause folgte, „wovon sprichst Du denn eigentlich,
ich habe gar keine Ahnung?“

„Na natürlich von der Konzession für die neue
Anlage unserer Fabrik unterhalb der Brücke!“ Fritz
Sarter sah seine junge Frau ordentlich erstaunt an,
dass sie etwa eine andere Ursache seiner frohen
Stimmung voraussetzen konnte.

Frau Helene faltete andachtsvoll die Hände und diesmal war der frohe
Glanz in ihren Augen verständnisinnig: „Wie, Du hast die lang erhoffte Kon-
zession, Männchen?“

„Nun, das grade noch nicht“ — ein ganz klein wenig dämpfte Fritz den
Siegerton herab — „die Konzession wird immer noch etwas auf sich warten
lassen, aber ich habe heute in der Versammlung die wichtigste und für mich
einflussreichste Person bei der Sache, Excellenz Luckewitz, kennen gelernt. Mein
Freund Tielemann stellte mich vor.“ Fritz drehte im stolzen Nachgefühl dieser
Vergünstigung die Enden seines Schnurrbarts mit kühnem Schwünge aufwärts.
„Ach und da hat er Dir gleich seine Fürsprache zugesagt?“ — „Kleine dumme
Frau! Bei der Vorstellung natürlich noch nicht. Aber Excellenz hat lange mit

„Sie sind garnicht George Grimston?“ unterbrach mich Mrs. Waverley,
die sich nach und nach in die Situation zu finden schien.

„Nein“, erwiderte ich nunmehr lachend, „ich bin nicht George Grim-
ston; ich heisse George Fordham, bin der älteste Sohn von Lord Francis
Fordham und habe keinen sehnlicheren Wunsch, als Lucy.“

In diesem Augenblick trat Lucy herein.

Ich wollte in ihrer Gegenwart nicht weiter reden, es vielmehr der
Mutter überlassen, mit Lucy zuvor über die Sache zu sprechen. Ich
erhob mich, um mich zu verabschieden.

„Darf ich heute Nachmittag zur selben Stunde wie gestern wieder-
kommen und mir von Miss Lucy die Antwort holen, die ich eigentlich
schon gestern Abend erhalten sollte?“ trug ich Mrs. Waverley mit einem
Seitenblick zu Lucy, die mir abgewandt am Fenster stand, ohne von mir
die geringste Notiz zu nehmen.

„Kommen Sie“.

Und ich kam am Nachmittage, um mir die ersehnte Antwort zu holen.

Lucy, die bildhübsche Lucy gab sie mir selbst.

Sie war kurz;-das süsse

Wörtchen „Ja“ hat ja nur zwei Buchstaben.

kimoresüe von

Ziffer.

G. Döring: Teichrohrsänger.

[Nachdruck verboten.]

mir gesprochen und war kolossal liebenswürdig.
Interessiert sich nämlich riesig für unser Werk und
versprach, demnächst selbst herauszukommen, es in
Augenschein zu nehmen. Na und was glaubst Du,
da habe ich die Gelegenheit natürlich gleich beim
Schopfe erfasst und eine liebenswürdige Einladung
angebracht, den Tag bei uns zu speisen. Es hat’s
gleich angenommen. Er kommt also zum Mittagessen
zu uns! Was sagst Du dazu, Frauchen?“ Fritz liess
dem Frauchen aber gar keine Zeit, etwas zu sagen,
sondern fuhr, förmlich vor Vergnügen lachend, fort:
„Damit haben wir diesen Herrn Luckewitz so zu
sagen in der Tasche, denn es kommt alles darauf
an, wie man einem so einflussreichen Manne die
Sache darstellt. Habe ich ihn erst hier, so kann ich
ihm nach einem feinen Diner bei einer guten Zigarre
in aller Gemütlichkeit unsre Pläne auseinandersetzen.
Er muss ja einsehen, dass bei den vorgesehenen
Filteranlagen und der projektierten Rauchableitung
keinerlei Nachteile für die Nachbarschaft erwachsen.
Ich werde schon alle Schleusen meiner Beredtsamkeit
aufziehen. Du weisst, liebenswürdig sein und reden
kann ich das Blaue vom Himmel herunter, wenn es
sein muss!“ Wieder lachte Fritz laut auf bei der
Vorstellung, seine eigene Unwiderstehlichkeit dem
alten Herrn gegenüber ins Feld zu führen.

Frau Helene indessen, das Professorentöchterlein,
das der junge Fabrikherr erst vor vier Monaten aus
ihrer schöngeistigen Heimat in dieses Reich des
Dampfes und der Maschinen entführt hatte, besass
leider noch nicht das eingehende Interesse für die
notwendige Ausdehnung der Industrie, um jetzt allein
für die geschäftliche Seite der Sache Sinn zu haben.
Sie hatte von all’ den Auseinandersetzungen ihres
Mannes nur die Worte: „Mittagessen und Excellenz
Luckewitz“ in sich aufgenommen; sie waren mit
lähmendem Schreck der jungen Frau in die Glieder
gefahren.

„Dann müssen wir also ein feines Diner geben?“
„Na natürlich Kind, Diner oder auf gut deutsch Mittagessen, was ist denn
dabei so ungeheuerlich, Du siehst ja ganz versteinert aus! Sei doch froh, Schatz,
da hast Du ja auch einmal Gelegenheit, Deine blitzenden Silberschätze hervor-
zuholen. Die schönen Ilochzeitsgeschenke, weisst Du, von denen leider so viele
in drei- und vierfacher Auflage vorhanden sind. Ein wenig Umstände müssen
wir natürlich machen. Luckewitz soll ein Feinschmecker sein. Ich werde für
die Weine sorgen und Du mit Deinem Talent als Hausfrau und Wirtin, wirst
jedenfalls Vorzügliches leisten.“ Er reichte ihr über den Tisch die Hand. Frau
Helene war wie alle Frauen; ein bischen Schmeichelei that ihrem Herzen gut
und war das beste Mittel, sie für eine Idee zu gewinnen. Fritz hatte es wieder
einmal schlau angefangen. Ihre Mienen hellten sich auf. Den Sieg benutzend,

XV. Fr.-No. 56.
 
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