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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Krohn, C.: Kinder auf der Bühne
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Kaiser Franz Joseph auf dem Hofball
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0213

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MODERNE KUNST.

der Finsternis“. Elly Rothe betrat schon mit 3 Jahren die staubigen
Bretter und bot mit 5 Jahren eine rührende Leistung als kranker „Franzi“ im
„Vermächtnis“. Den kleinen Babyschauspielerinnen, welche noch nicht lesen
können, werden ihre Rollen vorgesprochen, und in wenig Proben werden sie
auf die Stichwörter eingeübt.

Die jüngsten Mitglieder der Berliner Königlichen Hoftheater haben
durch ihre stete Mitwirkung in Opern, Balletts und Schauspielen besonders oft
Gelegenheit, viel zu sehen und zu hören.

Die jetzt 11jährige Edith Krohn spielte bereits mit 6 Jahren den „Ma-
milius “, „Rohasena“ in „Vasantasena“, „Marcius“ im„Coriolan“, und dann
„Besenbinders Töchterlein“ in den „Königskindern“, welches ihr sogar
eine Anzahl glänzender Kritiken eintrug. Ebenfalls hervorragend war Ediths
Leistung als „Aeson“ in „Medea“, mit Frl. Poppe zusammen; als „Louison“
im „Eingebildeten Kranken“, die sie schon mit 8 Jahren voll künstlerischem
Verständnis und Routine spielte, sowie zuletzt als „Matthäus Schwarz“ im
„Kunz von der Rosen“, worin sie ihre ganze Bühnengewandtheit und Sicher-
heit zeigte. Ausserdem ist die kleine Krohn eine fleissige Tänzerin, wie auch
ihre andern Kolleginnen. —

Erna Nitter, nur wenig älter als Edith Krohn, ist von zierlicher, schlanker
Gestalt mit einer Fülle rotblonden Tizianhaares. Sie spielt u. a. herzig die
„Adele“ in der „Waise aus Lowood“, in „Madame Dutitre“, und im
„Verschwender“, worin sie, gleich Edith, einen frischen, urwüchsigen Buben
abgiebt. Vor dem „Upsalaer Studentenchor“ hielt die kleine Nitter sogar eine
grosse Ansprache, welche ihr lauten Jubel und Geschenke einbrachte. Als
Statistenkind war die kleine Nitter vom 4. Jahre an im Schauspielhaus thätig,
kam 9jährig zu Fräulein Braun in die Ballettschule und erhielt sogleich ihre erste
Sprechrolle, den „Karl“ in Goethes „Aufgeregten“, die, ergänzt von Felix
von Stenglin, vor einigen Jahren im Schauspielhause aufgeführt wurden. Von den
besten Ballettelevinnen des Königlichen Solotänzers und Tanzlehrers Eugen
Müller sei noch erwähnt: Margarete Müller, sein 13jähriges, höchst talent-
volles Töchterchen, sowie die 12jährige Margarete Marquardt, ebenfalls eine
begabte.Spitzentänzerin. Ihnen zur Seite stehen Clara Berghof f, Alice Wünsch
Und Frieda Neumann, sehr bescheidene, liebe Mädchen, die schon oft bei
grossen Festlichkeiten ihre Tanzkunst zeigten. I Ierr Eugen Müller ist ein vorzüg-
licher Lehrer, der seine Schar scharf ins Feuer führt, und nichts „durch die
Finger“ gehen lässt. — Zwei reizende kleine Mädchen sind die kleinen Schwestern
Schaffaenger, von denen die jüngste auch in „Medea“ spielte. Der 9jährige

Egon Molkow produziert sich bereits als geübter Czardastänzer, als flinker
Matrose, sowie in anderen Tänzen, wie auch die drei blondlockigen Gebrüder
Graeb, die Neffen des Königlichen Ballettmeisters. Als Jüngster aber interessiert
der 6jährige Kurt Müller, ein hübscher, begabter Junge mit einem Köpfchen
voll dunkler, krauser Locken. Klein Kurtchen tanzt seit einem Jahr eifrig in den
Uebungsstunden mit, erhielt schon damals eine Sprechrolle als Jüngster im
„Verschwender“, machte dann Fortschritte in anderen Balletts und Schauspielen
und freut sich königlich über jedes Auftreten. — Aus dem Kinderchor-der König-
lichen Bühnen gingen bereits manch tüchtige Kräfte hervor, so z. B. neuerdings
Felicita Cerigioli, die für 3 Jahre an das Schauspielhaus verpflichtet wurde,
und einst sämtliche Kinderrollen mit grösstem Erfolge dort spielte. Die An-
strengungen, denen die Kinder oft bis in die Nacht hinein ausgesetzt werden, sind
allerdings gross, doch das abwechselungs- und zerstreuungsreiche Leben lässt sie
dieselben kaum fühlen. Es macht einen merkwürdigen Eindruck, wenn sich die
kleinen Dämchen oft schon selbständig schminken und schmücken, und zwar mit
einem Geschick, das einer Alten zur Ehre gereichen würde. Ihre Kostüme erhalten
sie geliefert, dieselben werden meist extra für sie angefertigt. Nur die kurzen
Ballettkleidchen für die Tanzstunden, sowie die Ballettschuhe müssen sie sich
selbst besorgen. — Als jüngster Spitzentänzerin sei hier noch der 4jährigen kleinen
Dentlere gedacht, die mit ihrem Schwesterchen die Welt durchreist und auch
in Berlin öfter im Cirkus und in Weihnachtsvorstellungen auftritt. Den Kindern
der Privatbühnen ist es anheimgestellt, höhere Schulen zu besuchen, während
die Kinder der Hofbühnen ihre eigene Schule im Schauspielhaus haben, wo eine
sehr tüchtige Lehrerin, Fräulein Matthias, sie schon seit 25 Jahren unterrichtet.
Die kleinen Schauspieler und Schauspielerinnen erhalten für ihre Sprechrollen
verhältnismässig nur wenig Proben, oft nur eine, und diese bei älteren Stücken
nicht einmal in Kostüm. Umsomehr ist es zu bewundern, wie sich Kinder im
zartesten Alter in dem Bühnengewühl zurecht finden. Ihre Rolle erhalten sie
wenige Tage vor der Aufführung, müssen sie rasch zu Hause lernen, und dann
in der Probe mit den Stichworten wissen. Ist es nötig, so empfangen sie dann noch
einige Belehrungen und Winke. Im allgemeinen ist der Verdienst der Kinder nur
gering; das Deutsche Theater giebt M. 4, das Schauspielhaus M. 6 für eine Sprech-
rolle, M. 3 für eine Ballettrolle. Nur der „WalterTell“ wird alten Traditionen gemäss
mit M. 10 honoriert. In dieser Rolle finden wir in unserer Bildergruppe Grete
Schlenker dargestellt, die mit einer tüchtigen jungen Kollegin, Eva Bottstein,
am Schillertheater spielt. Die kleine Bottstein endlich hinterliess einen günstigen
Eindruck in Langmanns Drama „Barthel Turaser“ als Söhnchen desselben.



x~ I^aiseF Franz Joseph auf dem pofball. -

[Nachdruck verboten.]

[ie Reihe der Wiener Karnevalsfeste pflegt mit dem Hofball eröffnet zu
werden, der gewöhnlich bald nach Beginn des Faschings abgehalten
wird. Die prachtvollen, feenhaft erleuchteten Räume der alten Hof-
burg, in denen sich dieses Fest abspielt, der Glanz, mit dem es umgeben ist,
machen es zu einem der besuchtesten der Saison. Letzteres schon darum,
weil die Hoffähigkeit, so sehr sie in Oesterreich-Ungarn auch für Damen
beschränkt, sich —- was die Herrenwelt betrifft — auf weite Kreise aus-
dehnt, so dass jeder Ritter eines österreichischen Ordens, und jeder Offizier
zum Besuche des Hofballes berechtigt erscheint. Hierdurch steigert sich die
Zahl der Besucher oft auf 3000, und da nur Mitglieder des Abgeordneten-
hauses oder des Gemeinderates im schwarzen Frack erscheinen dürfen, gestaltet
sich das Bild ebenso lebendig als bunt bewegt. Auf den weiten Freitreppen,
die zu den Sälen führen, bilden kaiserliche Garden in dunkelgrünen und roten,
reich mit Gold verzierten Leibröcken ein Spalier; dieses setzt sich auch durch
den langen Korridor fort, welcher den Mitteltrakt der Hofburg mit dem. nach
dem Josephsplatze zu gelegenen Seitentrakte verbindet, der die sogenannten
Redoutensäle enthält, in denen seit mehreren Jahren die Ballfeste abgehalten
werden. Aus den grossen Entree-Salons gelangt man in diesen — gleich
den übrigen Räumen elektrisch beleuchteten — Korridor, dessen Wände zu
beiden Seiten fäst in der Länge einer ganzen Strasse mit kostbaren altnieder-
ländischen Gobelins verkleidet sind, und der in zwei geräumige Vorsäle des
weiten Tanzsaales ausmündet, in denen sich der grösste Teil der männlichen
Ballbesucher versammelt, um den Einzug des Hofes und des Hofstaates ab-
zuwarten. Mittlerweile haben sich der Ilochadel und die hoffähigen Damen und
Herren im sogenannten Marmorsaale des Mitteltraktes eingefunden, wo dem
Kaiser die in die Gesellschaft neu eingeführten Mitglieder vorgestellt werden,
während die ranghöchste Erzherzogin die Vorstellungen der Damen entgegen-
nimmt. Nach Beendigung dieses Ceremoniells setzt sich der Zug. nach dem
Tanzsaale in Bewegung, wobei sich die Reihenfolge nach der vorgeschriebenen
Rangordnung richtet. Diese eröffnet unter.Vorantritt des Oberceremonienmeisters
Grafen Hunyady und des ersten Oberhofmeisters. Prinzen Liechtenstein der
Kaiser, welcher, wenn nicht eine fremdländische Prinzessin anwesend ist, der rang-
höchsten Erzherzogin den Arm reicht. Dem Monarchen, der bei dieser Gelegenheit
die Marschallsuniform zu tragen pflegt, folgen paarweise die Erzherzoge und Erz-
herzoginnen, sowie zufällig anwesende ausländische Fürstlichkeiten, an diese
schliessen sieh der die Minister des Aeussern und die Mitglieder des diplomatischen

Corps, denen die Gesellschaft des österreichisch-ungarischen Hochadels folgt.
Die unter der Leitung von Eduard Strauss stehenden Musiker tragen gleich
diesem die rote Hofuniform. Im Fond des Tanzsaales befindet sich- eine
Estrade, von der eine doppelseitige mit Palmen und. Azaleen verkleidete Frei-
treppe zum Theesalon führt. Von dieser Estrade aus,, die eine Reihe .i’m Halb-
kreis aufgestellter Fauteuils, enthält, sehen der Kaiser, die Erzherzoge und die
Damen der kaiserlichen Familie sowie des Hochadels dem Tanze zu. Zum
Tanzen wird nur die vor der Estrade Jiegende Hälfte des Saales benutzt, während
die andere Hälfte von den sich zu diesem Schauspiel: drängenden Zuschauern
eingenommen wird. Als Vortänzer fungiert gewöhnlich ein. Offizier der kaiser-
lichen Gardereiter, und an den Tänzen; in welche stets auch ein sehr geschmackvoll
arrangierter Gotillon eingefügt ist, beteiligen sich auch die jüngeren Erzherzoginnen
und Erzherzoge in lebhafte1'. Weise. In; den Tanzpausen tritt der Kaiser unter
die Zuschauer und spricht von den um ihn einen Kreis bildenden Herren den
oder jenen an. Bald ist es ein General oder Stabsoffizier, bald ein hochgestellter
Beamter, fremder Diplomat oder ein Abgeordneter, Gelehrter oder Künstler, auf den
Kaiser Franz Joseph zuschreitet, um in der ihm eigenen leutseligen Weise einige
freundliche Worte an ihn zu richten, oder ihn in ein längeres Gespräch zu ziehen.

Die Pracht der Damentoiletten, der funkelnde Glanz der kostbaren Juwelen
des bei diesem Anlasse zur Schau getragenen Familienschmuckes erregen die
allgemeine Bewunderung ebensosehr, wie die Anmut und Schönheit vieler
hoheitsvollen weiblichen Gestalten des Hochadels oder des diplomatischen Corps.
Was die farbenprächtige Staffage noch besonders belebt, ist, dass neben den
verschiedenen militärischen Paradeuniformen und den goldgestickten Uniformen
der geheimen Räte, Kämmerer und Diplomaten auch die kleidsame National-
tracht der ungarischen und einzelner polnischer Magnaten bemerkbar wird.

.Wenn der Reichsrat tagt, so finden sich auch wohl bäuerliche Abgeordnete in
ihrer Landestracht ein, die auch von den zu dem Feste geladenen mohammeda-
nischen Beys aus Bosnien und der Herzegowina getragen wird. Der Tanz währt
nie länger als bis Mitternacht; dann begiebt sich der Hof in derselben Reihen-
folge wie beim Eintritt, in feierlichem Zuge nach dem Marmorsaale und den
inneren Appartements zurück. Wie sehr der Hofball auch streng innerhalb des
Rahmens eines bestimmten Ceremoniells verlaufen mag, so hindert dies die tanz-
lustige junge Welt keineswegs sich in ungezwungener Weise zu vergnügen; die
grosse Menge der Niehttanzenden aber findet so viel zu sehen, dass sie das Fest
nicht verlässt, ohne einen bleibenden Eindruck davon erhalten zu haben. Z,

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