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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Heigel, Karl von: Brummells Glück und Ende, [8]: Roman
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Landau, J.: Das Ossiansland von heute
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0684

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MODERNE KUNST.

31 7

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H. Alberti: Theater Folies-Berg&re.

Die Frage war an den Hoffourier gerichtet, der eben eintrat. Er konnte
Majestät berichten, dass alles in Ordnung sei. Georg IV. stand auf und schwenkte
den Rosenstrauss. ,,Ohne Umstände, Messieurs; wir sind auf der Reise! Um
Sechs fahre ich beim Herzog vor. Also auf Wiedersehen um Fünf!“

Sobald die Begleiter des Königs allein waren, rief Alvanley fröhlich: „Ich
besuche unsern alten Brumm! Wer geht mit?“

fin ferner Klang verhallender Balladengesänge scheint das Ohr zu um-
schmeicheln und den Sinn zu umfangen — wir atmen die scharfe, klare
Luft Schottlands.

Die Reckengestalten mit den ausgeprägten Physiognomien, da wachsen sie
hoch und stämmig vor uns auf, — wie moderne Fabelwesen — oben Mann unten
Frau. Oben bärtig, in bebänderter Mütze und Jacke ganz Masculinum, unten im ge-
fältelten kurzen, bis zu den nackten Knieen reichenden Ballettkleid an eine Frau
erinnernd. In der Stadt freilich nimmt die öde, internationale Kultur-Uniform
mehr und mehr an Verbreitung zu und verdrängt die Landestracht. Nur noch
die Schuljugend trägt durchgehends die gewürfelten dicken Wadenstrümpfe,
die kurzen frauenrockartigen Kilts, die runde Kappe oder längliche, schirmlose
Mütze. Die Bevölkerung der Städte hat überhaupt und in jeder Art die Neigung,
die Merkmale nationaler Besonderheit aufzugeben und einen allgemeinen, grossen,
gleichmässigen Stadt-Typus anzunehmen. Hier wie überall! Auf dem Lande
redet selbst die Natur, reden Felder und Wälder, Berge und Thäler, das
architektonische, charakterlose Volapük der Städte verschmähend, die Landes-
sprache. Der Höhenzug, wie die von kleinen, langzottig-weissen Schafen mit
zierlich schwarzen Beinen belebte Wiese, die rasch vorbeigleitenden, in die
Buchten verstreuten kleineren Dörfer und Städtchen, die weiten Parks, aus denen
basaltgraue Schlösser sich erheben, die Fülle vor der Küste ausgestreuter
kleiner Inseln, die ganze Natur spricht hier Englisch oder richtiger Schottisch.

Rauh, hart, aber charaktervoll wie diese eigenartige Natur ist auch die
Sprache, reich an schleifenden, schnarrenden Kehllauten wie das holländische oder
schweizer Idiom. Wie in dieser Natur gesellt sich aber in der Sprache und in
der Volkspoesie zum Harten und Rauhen auch das Grossartige, gesellt sich zum
Kraftvollen auch das Schöne. Allerdings ist’s nicht selten das Grausig-Schöne.

Wer den Dichter will verstehen, muss in Dichters Lande gehen. Das alte
Wort ist mir hier wieder in den Sinn gekommen — ich habe es kaum je vorher
in all seiner Wahrheit so völlig erfasst. Wieder nicht im ewig und überall
gleichen Lärm der Städte, sondern angesichts der beredten Stille und im ernsten,
heiligen Schweigen dieser grossartigen Natur. Ja, das ist das Land, aus dessen
Bergesnebeln sich die Hexengestalten zusammenballen können, um einen Macbeth

Die Andern fühlten sich zu müde, doch alle ausser Tickeil bestellten vor-
läufig ihre Grüsse an den Dandy

„Ich und Brummell waren niemals Freunde“, sagte Tickell, der eisgrau,
aber nicht liebenswürdiger geworden war. „Höflich sein, wenn das Herz nicht
dabei ist, geht mir wider die Natur Ich bin fest und knorrig wie unsere Eichen.“
„Alter Schläuling!“ sagte Alvanley. — — — — — — — — — —

[Schluss folgt.J

[Nachdruck verboten.]

zu verwirren, das ist das Land, in dem der Herbststurm, durch Schluchten und
Bergrisse pfeifend, Zurufe bilden kann, so täuschend für das Ohr, wie es
Wolkenbildungen oft fürs Auge sein können.

Die Macbeth-Greuel, die uns das grosse Drama schildert, sind ja keineswegs
Ausnahmeerscheinungen in der Chronik Schottlands Mit dampfendem Blut
geschrieben ist die alte Geschichte des Landes. Selten ein König, der nicht durch
einen Mord zur Herrschaft kam oder durch einen Mord beseitigt wurde. Aus lang-
jähriger Kerkerhaft plötzlich auf den Thron, aus langjähriger Herrschaft plötzlich in
den Kerker gelangen, das war ehedem die Ordnung der Dinge in diesem rauhen
Lande. Werden wir in vieltägiger Wanderung vertraut mit der Natur und dem
Charakter des Landes, so ist uns seine Geschichte nicht mehr unverständlich.
Dem Kampf mit dem Meere ausgesetzt, gezwungen dem kargen, widerstrebenden
Boden seine Gaben abzuringen, war der Mensch hier von je genötigt, seine
Kräfte zu stählen und die Stärke war das Recht. Herrschen war überwinden,
und einzig wert zu herrschen, berufen zu herrschen war, wer durch über-
legene Macht sich behauptete. Das war die Rechts-Philosophie und die natür-
liche politische Moral die aus dem Landescharakter sich ergab. Lange ehe
Wissenschaft und Forschung eine Rolle übernehmen durften im Staate, viele
Jahrhunderte ehe Darwin die Lehre vom Kampf ums Dasein feststellte, von der
natürlichen Zuchtwahl und von der Entstehung der Arten aus der Ueberwindung
des Schwächeren durch das Stärkere, viele Jahrhunderte, ehe ein Nietzsche aus
dieser positiven Lehre exacter Naturforschung die philosophische Idee vom
Herrenmenschen oder Uebermenschen ableitete, bildete eine zum Instinkt
kristallisierte Ahnung jener Gesetze die Verfassung dieses Landes

In der schweigenden Einsamkeit konnte das Bewusstsein der Pflichten
gegenüber der Gesellschaft nicht Wurzel fassen — hier wuchs nur das Kraft-
gefühl und der Glaube an die göttliche Sendung und göttliche Beglaubigung der
Kraft. Darum hat denn auch der Einzug des Christentums dem Gewalt- und
Blutregiment keinen Einhalt gethan . .

* *

*

Im kleinen, freundlichen Oban, dem hübschen Badeörtchen, in dem uns die
schottischen Trachten nicht viel anders erscheinen, als die Ostender weissen

Äq5 ©ssianslcmd oon heute.

XV. 80.

V
 
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