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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Dincklage-Campe, Friedrich von: Wie fährt unser Kaiser?, [2]: Eine Wanderung durch der Fahrstall
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0160

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MODERNE KUNST.

MODERNE KUNST.

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A. Stöcke: Gala-Sechserzug mit Stallmeister.

Darunter standen in Saroltas zierlicher Handschrift die Verse der Eboli:

„Wie schwach von diesen starken Geistern, Weibergunst,

Der Liebe Glück der Ware gleich zu achten,

Worauf geboten werden kann! Sie ist
Das Einzige auf diesem Rund der Erde,

Was keinen Käufer leidet als sich selbst.

Die Liebe ist der Liebe Preis. Sie ist
Der unschätzbare Diamant, den ich
Verschenken, oder, ewig ungenossen

Verscharren muss —“ [Fortsetzung folgt.]

ie fäfirf unser o|iaiser?

Guuo

Eine Wanderung durch den Fahrstall

Von F. Frhr. von Dincklage.

[Schluss.] -— [Nachdruck verboten.]

Sie müssen doch die Wagen sehen und die Geschirrkammern!“ so
mahnt der freundliche Führer beim Verlassen der Ställe. —

Und die schweren Thüren der gewölbten Remisen öffnen sich, eine
nach der anderen. An 400 Wagen aller Bauarten sind da untergebracht
— vom vergoldeten Galawagen, in welchem einst unsere Kaiserin in
Berlin einzog, bis zu zierlichen Schlitten, Stadtkarossen mit doppelten
Federn mit hohen Böcken von betressten Decken umgeben, wohl
über 30 mögen es sein, — und Kaleschen, Phaetons und Coupees, Jagd-
und Ponywagen, Breaks und Dogcarts. Auch hier — bei Wahl der
Wagen — ist ein Ceremoniell vorgeschrieben. Die Majestäten sollen nur
mit Doppelfederwagen — C und Druckfedern, — fahren — das ist ein-
mal bequemer, dann aber auch für Kenneraugen eleganter.

Der Kaiser aber benutzt nur bei offiziellen Gelegenheiten so
schwerfällige Wagen, fährt fast immer in offener Viktoria. „So schnell
sind die ungarischen Schimmel, wie keine anderen Gespanne in Berlin,“
sagt unser Führer mit Stolz, „und im vergangenen Winter ist Seine
Majestät, spät von der Jagd beim Herrn von Benda in Rudow zurück-
kehrend, quer durch den Schnee über das Tempelhofer Feld gefahren —
in langem Galopp — natürlich der Ungar auf dem Bock. Ein Jeder
hät’s nicht riskiert, aber Seine Majestät kennt keine Aengstlichkeit
und der Kreczy hat auch Mut und versteht sein Geschäft. Ein schnei-
diger Kutscher.“

Die Beaufsichtigung der sämtlichen Wagen fällt einem Wagen-
meister zu, der selbst gelernter Wagenbauer war. Er kontrolliert auch
Reparaturen und Neubauten, die fast ausschliesslich in Berlin aus-
geführt werden (Hofwagenfabrikanten Neuss, Kühlstein und Rühl).

Für die Instandhaltung sind 18 Wagenhalter thätig — sämtlich
Handwerker — auf die die Arbeit so verteilt ist, dass einer das
Oelen, ein anderer die Lichter besorgt, ein dritter für Geschirrreparatur
aufkommt. An Thätigkeit fehlts keinem. Sie tragen Interims-Livree zu
langen Hosen.

Die letzte Remise schliesst sich. „Da oben im ersten Stockwerk
nimmt sich die Sache besser aus!“ meint der Führer, und wir glaubens.

Die Geschirrkammern erst lassen erkennen, wie verschiedenfach die Ge-
schirre je nach der Feierlichkeit der Veranlassung und nach dem Range des
Fahrenden ausgestattet sind. Der reiche Silberbeschlag der Galageschirre,
die da in mächtigen Glasschränken aufgehängt sind, die silbernen Kronen
und Wappen, die Kammdeckelfutter mit Silbertressen besetzt -- alles das wird
schon einfacher bei den Stadtgeschirren und noch einfacher sind die Beschläge
und Verzierungen, wenn keine fürstlichen Personen den Wagen benutzen oder
vor Jagdwagen.

Goldbeschläge bat nur das Geschirr des Dogcart-Pferdes, welches Se. Majestät
selbst fährt. Der begleitende Groom trägt braune Livree mit goldner Adlertresse.

Die tierärztliche Pflege der Marstallspferde ist dem Oberrossarzt Dr. Töpper
anvertraut, einem Herrn, der sich durch seine Influenza-Impfungen und deren
Erfolge einen Namen gemacht hat, weit über seinen Berufskreis hinaus.

Den Beschlag leitet der Rossarzt Duvinage, dem
8 Schmiede zur Verfügung stehen. Die Zugpferde
werden stets mit runden Eisen beschlagen, die im
Erzgebirge gegossen und in der Beschlagschmiede
nur gerichtet werden. Die Pferde gehen ohne
Stollen — das Ausgleiten wird durch eingeschobene
Kork- oder Filzplatten, bei Eis durch mit Zacken
versehene Eisplatten inhibiert. Freilich — der Be-
schlag ist teuer — besonders in den Wintermonaten.

Wenn in Berlin und Potsdam der Dienst im
Marstalle seinen geregelten Gang geht — ohne grosse
Schwierigkeiten, so oft auch die Telephonglocke
erklingt und so oft auch Wagen nach den ver-
schiedenen Wohnungen der Fahrberechtigten bestellt
werden, und selbst dann keine Schwierigkeiten bringt,
wenn Hoffestlichkeiten und hohe Besuche bedeutende
Anstrengung des gesamten Personals und manchmal
auch der Pferde beanspruchen — so tritt doch die
äusserste Anforderung an Präcision und Aufmerk-
samkeit für den Teil des Marstalls ein, der den Kaiser
oder auch beide Majestäten in die Provinz begleitet.

Da ist der Stallmeister nicht nur für die Ein-
quartierung von Mann und Pferd, für die Verpflegung
und Fourage verantwortlich, es erschwert auch die
Auseinanderziehung des Detachements den direkten
Verkehr, wie die Aufsicht. Da muss denn für jede
Stunde das Programm vorgearbeitet und an die

Betreffenden verteilt werden. Für jeden fremden Fürsten und dessen Gefolge
sind im Tableau Pferde und Wagen genau bestimmt, Reservepferde und
Kutscher angesetzt. Geschick und Gewohnheit lassen aber auch hier selten
einen Irrtum eintreten, trotz der Zahlen, die mitsprechen. In Breslau und
Görlitz — 1896 — während der Anwesenheit des Zaren, war der Marstall mit
über 150 Pferden vertreten.

Wer da die Herren Stallmeister in eleganter roter, goldgestickter Uniform,
den kleinen Zweispitz auf dem Kopfe, den Degen am goldenen Koppel zur Seite,
so stolz vor dem Wagen Ihrer Majestäten reiten sah — der ahnte nichts von
den „sorgenvollen Nächten.“ Aber das geht vorüber und •— ein erhebendes
Gefühl mag’s doch sein, mit Stolz durch die Thatsachen auf die Frage
gebührende Antwort geben zu können:

„Wie fährt unser Kaiser?“

A. Stöcke: Kaiser Wilhelm im Dog-cart.

A. Stöcke: Kaiser Wilhelm im Pürschwagen.
 
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