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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Carl Röchling
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0517

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246

MODERNE KUNST.

MODERNE KUNST.

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C. Röchling: Die Garde-Füsiliere beim Sturm auf St. Marie aux chenes

Am 18. August 1870, 3/43 Uhr nachmittags.

Hauptmann von Pirch zu Pferde, die 3. Zugführung Vizefeldwebel Kohli, Leutnant
von Putlitz und von Twardowski. Rechts dahinter die 5. Kompagnie, Hauptmann
von Witzleben.

Das zweite Röchlingsche Bild in diesem Hefte, „Die Erstürmung von
Grossbeeren, am 23. August 1813“, vor dem wir den Künstler bei der Arbeit
sehen, ist ebenfalls genauester Betrachtung wert. General von Bülow hatte bekannt-
lich durch energisches Handeln gegen den Oberbefehl von Bernadotte durch den
Angriff am Abend bei strömendem Regen Berlin vor französischer Occupation
gerettet, und die Sachsen und Franzosen zurückgeworfen. Das I. Bataillon des
Colbergschen Grenadier-Regiments No. 9 traf auf den Kirchhof, der von einer
Kompagnie sächsischer Grenadiere von Sperl besetzt war. Da wegen totaler
Nässe kein Gewehr losging, wurde der Infanteriekampf meist mit Bajonett und
Kolben abgemacht. Die Verluste waren infolge dessen nicht gross, da bei einem
solchen Aufeinanderplatzen die Entscheidung schnell herbeigeführt ist, besonders
bei der Erbitterung der Preussen. Auf dem Kirchhofe sieht man zunächst links
die Ruine der alten märkischen Feldsteinkirche, von Kosaken im 7jährigen Kriege
verbrannt, rechts erblickt man das Anmarschfeld der Preussen von Berlin her.
Der Angriff ging glatt von Statten; der Feind wurde durch das Dorf getrieben;
jenseits kam es noch zu wiederholten Bajonettkämpfen. Bei Dunkelheit löste
sich dann der Kampf in eine wirre Kavallerieschlacht auf.

Carl Röchling wurde am 18. Oktober 1855 zu Saarbrücken geboren. Durch
die Erlebnisse im Feldzuge 1870 vom 18. Juli bis 7. August wurde er als Tertianer

IqpI Möchling.

'*"*“*"' [Nachdruck verboten.]

Jchlachtenbilder erfreuen sich selten des allgemeinen Beifalls und das ist
nichts Merkwürdiges. Militärisch drein blickende Beschauer einerseits ver-
missen fast immer an derartigen Gemälden die Korrektheit, der Kunstfreund
andererseits tadelt das Schlachtengemälde schon seines ganzen Sujets wegen, das er
zu einer künstlerischen Darstellung nicht für geeignet hält, oder macht Ausstellungen
an der Komposition, die ihm entweder zu viel Detail und zu wenig Gesamteindruck
oder keine einheitliche Empfindung, keinen zusammenfassenden Gedanken bietet.

Nun muss natürlich die Möglichkeit, alle diese verschiedenen Schwierigkeiten
in einem besonders gelungenen Kunstwerke zu überwinden, ohne weiteres zu-
gegeben werden, aber das gelingt nur Künstlern ersten Ranges, nur sie sind
imstande, eine Unmasse von kleinsten, vom militärischen Fachstandpunkte
kommandierter Details zusammenzufassen zu einem wirklichen Kunstwerke.

Einer der wenigen derartigen Schlachtenmaler ist Professor Carl Röchling.
Das vorliegende Heft giebt einige wertvolle Proben seiner grossen Meisterschaft,
die ein zugleich künstlerisch wie militärisch so aussergewöhnlich scharfblickendes
Auge, wie das Kaiser Wilhelms bekanntlich im hohen Maasse befriedigte. Wer
Röchlings „Garde-Füsilier-Regiment bei St. Marie aux chenes“ genauer
betrachtet, wird von dem Kunstwerke entzückt sein.

Als am 18. August 1870 das Garde-Korps und die Sachsen die Front nach
links verlängerten, traf die Spitze der Garde, nachdem sie Habonville und St. Ail
durchschritten hatte, auf das Dorf St. Marie, welches von den Franzosen stark
besetzt war, als vorgeschobener Posten der französischen Ilauptstellung Roncourt—
St. Privat—Jerusalem — Amanvillers. Das II. und III. Bat. des G.-F.-Rgts. ent-
wickelte sich links des Weges St. Ail — St. Marie und eröffnete im Verein mit
einigen anderen Bataillonen der Avantgarde den später so blutigen Kampf gegen
St. Privat. Die Franzosen hatten St. Marie nicht besonders geschickt zur Verteidi-
gung eingerichtet und wurden besonders längs der Westseite durch preussische
und sächsische Granaten stark erschüttert, so dass die dem Beschauer zunächst
liegende Schlossparkmauer nur noch von Wenigen verteidigt war, als das

II. Bataillon, die 6. und 7. Kompagnie aufgelöst, die 5. und 8. als Halbbataillon
geschlossen dahinter, gegen sie anlief. Dagegen war die weiter rechts im Bilde
liegende Hecke gegen das III. Bataillon bis zuletzt scharf verteidigt. Das

III. Bataillon auf dem rechten Flügel hatte während des ganzen Vorgehens von
St. Ail aus beständig direktes Flankenfeuer von der Position Amanweiler — St.
Privat zu erleiden und infolge dessen die grössten Verluste. Die äusserste
10. Kompagnie musste sich wiederholt niederwerfen. Gegen 23/4 Uhr gab Oberst
von Erckert das Zeichen zum Angriff und die ganze Linie stürzte mit Ilurrah,
die teilweise noch berittenen Offiziere an der Spitze, gegen das Dorf. Der An-
griff gelang vollkommen, die Preussen und Sachsen, welche von links her
beteiligt waren, durchschritten das Dorf und sammelten sich jenseits gegen

Roncourt und hauptsächlich rechts gegen St. Privat hin und sandten den ab-
ziehenden Franzosen ihre Kugeln nach. Jedoch hielt hier der Tod noch reiche
Ernte, denn der furchtbare Geschosshagel längs der Chaussee von St. Privat her
schlug unter die in der breiten offenen Dorfstrasse sich sammelnden Garde-
Füsiliere. Hier erhielt auch der Oberst von Erckert die tötliche Kugel.

Im Bilde sehen wir von links zunächst die lange Schlossgartenmauer, das
einfache alte Schloss mit einer Gruppe alter Linden, welche einen kleinen ver-
wilderten Teich umgeben, dazwischen die Rückfront der Bauernhäuser und die
Kirche. Weiter rechts die durch Pulverdampf bedeckte Hecke. Dahinter zieht
die schnurgerade Pappelallee bergauf. Links darüber ragen der Kirchturm von
St. Privat und einige Häuser hervor. Rechts am Ende der Chaussee liegt die
Ferme Jerusalem. Von dort nach rechts zieht auf dem Damme, von französischer
Artillerie besetzt, die Strasse nach Amanvillers. Die grossen Bäume im Schloss-
park verdecken die französische Position bei Roncourt links von St. Privat.
St. Marie war durch das 94. und 12. französische Linienregiment verteidigt. Von
links haben wir vorn im Bilde zunächst die 7. Kompagnie, Hauptmann Graf
Schwerin, aufgelöst vor dem Schlosse, rechts daneben die 6. Kompagnie, Haupt-
mann von Kröcher. Vor der Front Oberst von Erckert, daneben zu Fuss sein
Adjutant von Sausin. Vorne zunächst als Rückenfigur Major Blecken von
Schmeling vom III. Bataillon. In der Verlängerung nach rechts das ganze
III. Bataillon. Wegen der Kleinheit der Figuren waren dort keine Porträts mehr
darzustellen. Rechts vorn hat man den linken Flügel der 8. Kompagnie mit
 
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