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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Strauß und Torney, Lulu von: Klausen-Dorel
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MODERNE KUNST.

plauzen-Dorel.

Von L. von Strauss und Torney.

.Je liegt so recht im Waldesgrün, die Klause nah am Ellerbach;

Weissrote Apfelbäume blühn um ihr verwittert Ziegeldach.

Vorn spannt sein dunkles Blütenzelt breitästig der Kastanienbaum,

So dicht und schattenkühl, dass kaum hindurch ein Strahl der Sonne fällt
Und ob der Thür im Winde weht, verwittert, grau, das Wirtshausschild,

Drauf unter eines Klausners Bild „zur alten Klause“ winkend steht.

Wir sasoen unter’m grünen Dach, nah bei der Thür, am runden Tisch,

Der Freund und ich -sahn träumerisch dem Zickzackflug derSchwalben nach,

Und schauten, fast im Grün versteckt, die alte Hecrcsstrasse lang,

Darob sich dräuend hoch und schlank der grün-rot-weisse Schlagbaum reckt,

Ein Wächter guter alter Zeit, der ernst dem Wandrer Halt gebeut;

Wo Reiter, Bauer, Fuhrmannsknecht nach altererbtem Brauch und Recht
Beim Wegeszoll sich stärkt zur Fahrt mit gutem Trunk nach Männerart.

Wir schwatzten über dies und das, und vor uns blinkt in goldnem Schein
In schlanker Flasche, grünem Glas der Trautgeselle Moselwein.

„Hab1 ich nicht recht? Hier lebt sichs gut!" Der Freund schob sich

den Malerhut

Aufatmend aus der Stirn zurück - „Ich bin ihm dankbar dem Geschick,

„Das unversehns mich hergebracht, und das Sankt Lukas’ lust'ger Zunft
„Zur heimattrauten Unterkunft die alte Klause hier gemacht!

„Sieh Dich nur um! Das ganze Land reich wie ein Garten ausgespannt -
„Der Buchenwald in duft'gem Grün, und rote Dörfchen her und hin
„Ein Völkchen drin von alter Art, dass mit der farbenfrohen Tracht
„Sich alter Treu und Sitte Macht und ehrlich deutsches Wesen wahrt!

^Und dann die Klause selbst, das Haus! Wo giebts im Lande ein und aus
„Noch eins wie dies, so festgebaut, so grünumfriedet, heimlich traut!

„Mit seinem stolzen Kästenbaum, mit kühlgewölbtem Vorplatzraum,

„Mit Stübchen, recht aus alter Zeit, wo still der liebe Sonnenschein
„Sein Licht durchs kleine Fensterlein auf blanken Väterhausrat streut!"

— Er sah mir fragend ins Gesicht — „Du warst noch nie da drin! Ist’swahr?

„Hast's nie gesehen? Kennst wohl gar auch dieses Hauses Perle nicht?"

Ich lachte: „Eure Perle? Nein! S’ wird wohl das Bilderstübchen sein,

„Von dem ihr Malervölkchen hier ja rühmt und redet Wunders was
„Die Perle hoff1 ich zeigst Du mir.“ — Freund Hans sprang auf und

hob das Glas,

Trank rasch die goldnen Neigen aus und ging zur Thür: „Komm mit

ins Haus!"

Da drinn war’s still. Im Vorplatz nur vergilbte Bilder an der Wand,

Stockfleckig mit der Jahre Spur, aus einer Zeit, die längst entschwand;

Auch jenes Grafen Erlaucht schaut aus dunklem Rahmen würdevoll,

Der diese „Klus“ zum Wegeszoll an seiner Grenze einst erbaut.

Zutiefst im Gang an schmaler Thür, da drückt der Freund die Klinke sacht
Und schob mich rasch hinein: „Sieh hier, und weit die Augen aufgemacht!

„Die Mutter Dorel — schau sie an! Das ist des Hauses Perle, Mann!“

Sie stand so recht im hellsten Licht und sah mir forschend ins Gesicht
Mit alten Augen klug und klar: „Willkommen in unserer Klause Reich!

„Ihr Freund wohl, Hans? Ich dacht’ es gleich! Und wohl ein Maler

auch, nicht wahr?

Hans zuckt' es lustig im Gesicht: „Nein, Mutter Dorel, diesmal nicht!

„Mein Freund da ist von andrer Art, ein Märleinschreiber und Poet,

„Der hier auf seiner Studienfahrt nach Sang und Sage fahnden geht,

„Und nach Geschichten allerhand aus Welt und Leben, Stadt und Land".

„Kein Maler, nein ? Das thut mir leid! Ei ei, das hätt’ ich nicht geglaubt“ -
Sie wiegte leis das weisse Haupt und sah mich an: „Du liebe Zeit,

„Mir däucht, für Leute solcher Art lohnt sich hier keine Wanderfahrt!

„Hier, unsre Welt ist eng und schlicht, das Leben geht so sachten Fluss,

„Man lebt so hin, trägt was man muss, thut so bei Kleinem seine Pflicht,

„Und wird zuletzt, eh’ mans gedacht, ohn’ Sang und Klang zu Grab

gebracht!

„So geht das hier, wies immer ging - nichts für Poeten, Herr, gewiss!

„Die Maler da ists ander Ding für die ists recht ein Paradies!

„Die malen jeden grünen Baum und jedes schmutzge Bauernkind
„Weiss ringsherum ein Fleckchen kaum, wo nicht für die noch Bilder sind —
„Das lose Volk"

Sie lachte leis; im Auge schien ein Sonnenstrahl —

„Das ist noch heut wie dazumal, als ich noch jung war! Ach, ich weiss
„So manches Jahr noch, manchen Tag, wo in der Klause sie gehaust,

„Die Grossen, die vom besten Schlag, mit Schöpferkraft in Aug' und Faust!

„Wie sie geschafft und sich gequält, ihr Werk mit heilger Glut beseelt
„Das war ein Leben hier im Haus! In Wald und Dörfer gings hinaus,

„Wenns kaum noch tagte, frisch und frei, mit Farben, Pinseln, Staffelei
„Und Abends kams dann froh zurück, den Rock voll Flecken, hell den Blick
„Und auf der Leinwand farbenbunt zu ew’gen Werken schon der Grund!

„Und spät, nach Sonnenuntergang kam erst der rechte Kling und Klang —
„Die grosse Gästestube vorn ward ausgeputzt ganz bunt und neu —

„Da gabs Komödie, Mummerei — den Teufel gar mit Schwanz und Horn,
„Hanswurst und Mönche, Ritter, Feen — was war da Schönes nicht zu sehn!
„Lud sich bisweilen dann einmal das Malervolk die Bauern ein;

„Die sassen dann geduckt im Saal, als thäts nicht recht geheuer sein —

„Hat mancher flüsternd und verzagt mich und die Mutter dann gefragt:
„Hewwt Ji nich Angst? Dat is n’ Gruus — nä — so'ne dulle Kirls in’n Hus!
„Und manchmal gings auch, Jung und Alt, hinaus in Feld und Buchenwald
„Bei Liedern, Wein und Mondenschein ins stille blüh’nde Land hinein —

„Ach ja, die liebe Jugendzeit! Mir wird das Herz noch immer weit,
„Gedenk ich jener Tage nur, von denen längst verweht die Spur!“

Sie strich sich übers weisse Haar, mir wars, als schien ein eigen Licht
Wie Lieb und Wehmut wunderbar verklärend über ihr Gesicht -
„Ja, ja - das ist vorbei und hin — mir ist schon oft ganz alt zu Sinn!
„Das Haus so still, die Zeit so schwer — die Welt ist nicht dieselbe mehr!
„Ist mancher tot nun lange Zeit, die andern weit im Land verstreut,

„Sind alt wie ich, die Kraft verglüht — der Kopf schlohweiss — die Seele müd’ -
„Dem lieben lust’gen Meister Knaus sah ich so gern beim Schaffen zu -
„Der war bei uns hier wie zu Haus, stand mit dem halben Dorf auf Du!
„Und Meister Süs, der manches Mal von unserm Hahn ein Bild sich stahl!

MODERNE KUNST.

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„Und krochen erst die Küchlein aus, dann sass er immer hinterm Haus
„Und malte emsig spät und früh, indess es um ihn gackt und schrie!

„Der liebste aber aus der Schar der lieben grossen Freunde war
„Der lange Meister Kröner mir — der sass so gern im Gärtchen hier,

„Und trug ich ihm den Wein heraus, dann kramt’ er seine Mappen aus,
„Hat mir auch manches Blatt geschenkt — „damit das Dorchen an mich denkt!
„Mir ist es oft, ich säh ihn noch am Thor, so hager, schlank und hoch,
„Wie er zuletzt da von uns ging — ich war da noch ein junges Ding -
„Ich hab’ ihn auch nicht mehr gesehn — das ist vorbei — die Jahre gehn -
„Nichts hab’ ich mehr, - nur an der Wand die lieben stummen Bilder da,

„Von denen ich von Meisterhand so manches einst entstehen sah;

„Und meine lieben Jungen auch, mein Malervolk, mein Sonnenschein -
„Das kehrt auch jetzt nach altem Brauch noch gern bei Mutter Dorel ein,
„Nicht Hans?"

Er nickt ihr zu und lacht’, und schwenkte seinen Malerhut:

„Hoch Mutter Dorel! 's ist ne Pracht! Wir habens nirgends sonst so gut!
„Bett, Trunk und Speise Jahr für Jahr, auch wohl ein Thaler noch auf Pump
„Für manchen armen Malerlump — drum schafft sichs hier auch wunderbar" -
»Ja junges Blut, nur brav geschafft!" — Sie nahm ihn leise bei der Hand
»Ihr Jungen habt noch Mut und Kraft, drum weit die Schwingen ausgespannt!
»Zwar, däucht mir, keiner noch von euch ist so wie meine Alten gross -

„Doch hofft nur zu — doch schafft nur los — die Zukunft ist ja hell und reich!
„Und ists umsonst, und ist es Trug, — das kommt noch immer früh genug —
„Lebt, schafft, geniesst nur froh und frei, „dass nur die Jugend sonnig sei!“

Still sah sie einen Augenblick auf eines ihrer Bilder da —

Mir wars, als ob sie weit zurück in liebe ferne Zeiten sah —

Dann schaut' sie auf, ihr Aug’ war klar: „Ich steh und rede — das ist schön!
„Muss doch im Haus zum Rechten seh’n! Sie schau’n die Bilder an, nicht wahr."
„Heut Abend, wenn das Römerglas mit kühlem Rheinwein vor ihm steht,

„Erzählt uns dann der Herr Poet, was er darin für Märchen las!“

Sie war hinaus, so rasch und leicht, wie über’m Grund die Schwalbe streicht,

Noch mädchenhaft im weissen Haar - ich stand und schaute:

„Wunderbar!“

„Nun, sagt’ ich Dir zuviel von ihr?" — Er sah gar ernst und

sinnend aus,

Gefällt sie Dir? Ist sie die Perle nicht
im Haus?“

Du prahltest nicht! Ein eigner Mensch — ein
gut Gesicht —

„Doch wüsst' ich gern von ihr noch mehr — ist sie schon alt?

ist sie noch jung?

„Wer ist sie, Hans? wo stammt sie her? Ihr Auge spricht Erinnerung".
Er lachte auf: „Ich hab’s gewusst! Da brennt schon die Poetenlust!
„Schau erstnur andachtsvoll undstumm in ihrem Heiligtum Dich um,
„Senk in dieWelt derFarben hierDich märchenstimmungsvoll hinein,
„Und dann — vielleicht — erzähl’ ich Dir, und führ’ in alte Zeit

Dich ein!"

So sah ich denn mich um. Mir war fast wie im Traum so wunderbar.
In trübem Licht, an fahler Wand die Werke edler Meisterhand,
Wie Gäste aus dem Königsschloss, verschlagen unter armes Dach,
Und herrlich weihend schlicht Gemach der Kunst zum Tempel

heiliggross!

Lichtgrüne Wiesen, Himmelblau, ein Meeresufer, schaumumsprüht,
Ein Bauerndörfchen, weiss umblüht, am Spinnrad dort die Bauers-
frau —

Und mitten auf dem Ehrenplatz als Heiligtum und höchster Schatz
Des Meister Kröners Waldidyll, weltabgeschieden, sonnig, still. —
Ein Mädchenbild dazwischen hing, ein Blondkopf, noch ein

junges Ding —

Ich stand und sah mirs schweigend an, da trat Freund Hans zu mir

heran:

„Poet, Du bist auf rechter Spur! Das goldne Blondchen kennst

Du doch?“

Ich sah ihn an: „Was meinst Du nur?“ „Mir däucht so ist sie

heute noch

„Mit ihren Augen sonnig hell — die Mutter Dorel ists, Gesell,
„Wie einstmals sie im blonden Haar noch „Dorchen von der

Klause war!"

„Komm, setz Dich her! Doch erst sieh hin, darunter hängt ein

ander Bild.

„Ein dunkler Kopf - die Züge kühn, das Auge leuchtend, geist-
erfüllt

„Ein wenig ernst und finster zwar, ein wunderbarGesicht, nicht wahr?
„Das Klausen-Dorchen! Ja es soll ein liebes Ding gewesen sein -
„Zwar nur „derWirtinTöchterlein", dochsittig, vornehm,anmutsvoll,
„Als war es eines Grafen Kind, und hold, wie wenig Mädchen sind!
„Ein wenig hab ich mir gedacht wars wohl der Kunst altheil’geMacht,
„Die ihrem jungen Leben ja so liebvertraut schon war und nah;
„Denn sind wir Maler nach dem Brauch ein loses leichtes Völkchen auch,
„Wird Künstlers Leben, Geist undThat von einerWeihe doch verklärt,
„Die auf dem glattgebahnten Pfad das andre Menschenvolk entbehrt!
„Das wars wohl auch — doch war dabei ihr Sinn so rein, ihr Herz

so frei;

„Und wenn einmal, wie’sdennsoging, ein Gast der KlaitseFeuerfing
„Das Dorchen sali’s und ahnt es nicht, sieblieb ein harmlos lachend Kind
„Mit Kinderfrieden im Gesicht! Leichtsinnig wie die Jungen sind,
„Es liats doch keiner je gewagt, und ihr ein keckes Wort gesagt!
„Bis es dann kam - mit einemMal—jäh zündend, wieein Wetterstrahl.
„Er kam vormThore an zuFuss, ein schlanker Bursch, ein jungesBlut,
Mit Ränzel, Stock und Malerhut, und bot dem Kind den ersten Gruss.

Die dunklen Augen seltsam schön, die hatten's ihr wohl angethan

,Es war wie fremden Zaubers Bann: Ein Wort — ein Blick — dann wars geschehn!

,Man weiss, wie’s geht — da gab’s kein Halt. Die ganze Klause wusst’ es bald.

.Er malte da ihr lieb Gesicht — ists nicht das reine Sonnenlicht?

■ Sie ging mit ihm ins Holz hinaus, und wenn im Grün er malend sass,

-Dann suchte sie im Wiesengras sich ihren bunten Sommerstrauss.

Sie lauschte staunend stundenlang, wenn er dem jungen Kind vertraut,

Was ihm in tiefster Seele rang, und was er in der Zukunft schaut
Ein Feuerkopf, ein wildes Blut in ihm wogts stürmend auf und ab;

Ihm war die Kunst die heilge Glut, die seinem Leben Wärme gab.
 
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