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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Neisser, E.: Eine neue Herrentracht
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Unsere Bilder, [14]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0440

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204


Eine neue JHciTGnfrac^f.

[Nachdruck verboten.]

an mag sich die Trachten aller Länder und Zeiten ansehen, noch keine
hat das Schönheitsgefühl so wenig befriedigt wie unsere heutige. Die
neuzeitige Kunst, die auch den nüchternsten Gegenstand, das alltäglichste Gerät
verschönen möchte, hat — „endlich“ kann man sagen — auch die Mode zu
beeinflussen versucht und bei der Frauenkleidung schon ganz ansehnliche Erfolge
zu verzeichnen. Nur die Herren der Schöpfung bleiben zurück. Einzelne
schüchterne Versuche ausgenommen, bei denen der Kampf hauptsächlich dem
unschönen, unkünstlerischen Frack galt und die auf Künstlerfeste beschränkt
blieben, wandern die Männer noch immer in ihren weiten, schlotternden Bein-
kleidern umher und hüllen auch sonst den edlen menschlichen Körper in
Gewänder, welche die einzelnen Glieder so plump und eckig wie mit der IIolz-
axt zugehauen, erscheinen lassen. Dazu kommt die eintönige, meist düstere
Farbe der Kleider. Ohne dass grellen Kontrasten das Wort geredet werden
soll, könnte die Tracht doch etwas farbiger sein, etwa so wie bei unseren
Damen. Endlich aber muss ein künstlerisch edel geformtes Gewand auch
künstlerisch verziert sein, wie zur Glanzzeit deutscher Kunst, zur Zeit Albrecht
Dürers, der selbst manches Kleidungsstück gezeichnet hat. Wie schön waren
damals die Männerkleider, welche Sorgfalt wurde darauf verwandt! Wie plump,
wie hässlich nehmen sich dagegen die Kostüme aus, an die sich leider unsere
Bildhauer und Maler bei modernen Männerporträts und -Gruppen halten müssen!
Und dabei hatten die Handwerker zu Dürers Zeiten nicht die bis zum höchsten
Raffinement ausgebildete Technik zur Verfügung wie unsere jetzigen Schneider.

Um die moderne Herrenkleidung in künstleiische, farbenschöne Bahnen zu
lenken, hat sich nun unter dem Vorsitz des Kunstmalers Hermann Widrner,
eine Vereinigung von Künstlern, Schriftstellern u. s. w. gebildet, die sich „Verein

zur künstlerischen Reform der Herrenkleidung“ nennt. Sie will nicht auf eine
geschichtliche Tracht zurückgreifen, sondern auch hier einem neuen, zeitgemässen
Stile folgen. Widmer, der mit van de Velde auch in der Umgestaltung der
Damenmoden die Führung ergriffen hat, stellt als das Hauptprinzip seiner Reform
auf, dass ein wirklich künstlerisches Gewand die Körperformen zum Vorschein
kommen lassen muss. Es muss also anliegend sein. Herr Carl Trobel,
Köpenickerstr. 121, der sich mit anerkennenswertem Feingefühl für die neuen
Strömungen auch in seinem Gewerbe in den Dienst der Sache gestellt hat,
fertigte nach Widmers Zeichnungen ein neues Ilen enkostüm an, wie wir es in dieser
Nummer im Bilde sehen. Das enganliegende Jacket im Schnitte der Schulischen
Husarenuniform, die die Beine fest umschliessende Hose, die vom Knie ab
zugeknöpft wird, sind von vornehmer, stumpfblauer Farbe und durch aufgenähte
Verzierungen aus dem gleichen Stoffe geschmückt, welche den Linien des
Knochenbaues folgend, neuzeitige, edle Formen erkennen lassen. Dazu ein
Kalabreser, der, gegen Regen und Sonne den meisten Schutz gewährend, eigent-
lich die natürlichste Kopfbedeckung ist. Vielleicht wird der eine oder andere
der Vereinsmitglieder noch seinen eignen Geschmack in den Einzelheiten der
Tracht zur Geltung bringen, denn es handelt sich ja nicht darum, eine Uniform,
sondern eine allgemein übliche Herrentracht zu schaffen, aber der erste Schritt
zu einer Verbesserung der Männerkleidung ist doch immer gethan. Man wird
bald von dem jungen Verein hören, denn er beabsichtigt nicht etwa mit seinen
Zielen und Zwecken im Verborgenen zu bleiben. Die Herren werden bald auf
unseren Strassen zu treffen sein. Das wird ein Staunen und Gaffen geben)
aber hoffentlich dringt das Schöne und Edle im Streben der jungen Leute doch
endlich durch. E. Neisscr.

(2Jt)set*e

"on mystisch-romantischer Empfindung durchweht ist das grosse Bild
„Vision im Kolosseum“ von Jose Benlliure y Gil. Es veranschau-
licht eine Szene aus der italienischen Heiligen-Legende und giebt seinem
Schöpfer, den eigenartigen spanischen Genre-Maler, erwünschte Gelegenheit all
seinen ausgeprägten Realismus und seine koloristische Fertigkeit in Anwendung
zu bringen. Der Vision liegt folgende Legende zu Grunde. Der heilige Alma-
quio, ein Einsiedler, der aus dem Oriente stammt, wurde am 1. Januar 40+ von
den Gladiatoren des Kolosseums, deren Gefechte er hindern wollte, getötet.
Von jenem Tage an hörten dergleichen blutige Spiele auf. Seitdem geht der
Heilige am Allerseelentage in der Nacht durch jene Ruine, von Märtyrern und
Gerechten aller Zeiten begleitet, den Gesang: „Miserere mei Deus“ anstimmend,
worauf sich von der Erde zahlreiche Seelen anschliessen und ihm folgen.

'($1. Kuhnert: „Ehelicher Zwist.“ Da steht er nun mit hungrigem
Magen vor dem leckem Mahle, der Herr Tigergemahl, und darf nicht zulangen,
obwohl er die Beute erlegt hat. Er fürchtet nichts in der Welt, als sein Weib-
chen, das ihm nur einen Blick zuzuwerfen braucht, einen Blick, der ihn erzittern
macht. Wenn er auch fletscht, die Ohren anlegt und die gewaltige Tatze erhebt,
er wird sich beruhigen und — geduldig oder nicht — abwarten, bis die Holde
ihren Appetit gestillt. Die ganze Antilope kann sie ja doch nicht auf einmal
verzehren; es wird schon ein gut Stücklein für ihn abfallen. Aber ein Weilchen
grollt er noch — es ist doch zu deprimierend für einen honetten Tigergatten,
dass er so vor dem Frauchen zu Kreuze kriechen muss; es wäre ihm, trotz
seines Tigerherzens, doch lieber, wenn sie hin und wieder sich ein wenig sanft-
mütiger zeigte, wenn sie zuweilen etwas weniger Tigerin wäre.

* *

Jrank Calderons: „Wieder Daheim“. Die Augen der Liebe haben
ihn zuerst erspäht, und das feine Ohr der jungen Schlossherrin hatte zuerst
heraus gehört, dass der anjägende Reiter, dessen Hufschlag nur von fern durch
den Wald herübertönte, der zurückkehrende Gatte sei. Raschen Fusses eilte sie
die Treppe hinab nur gefolgt von ihren schnellen Windhunden. So war es ge-
kommen, dass die Herrin des Schlosses zuerst und allein den Heimkehrenden
begrüssen konnte, worüber der junge Gatte wohl etwas erstaunt aber höchst er-
freut ist. H Jf

*

fv. Bohrdt: „Fliegende Fische.“ Eine herrliche tropische Nacht senkt
sich überdas karaibische Meer. Die Sterne funkeln und blitzen andern sammet-
schwarzen Himmel. In langer Dünung heben und senken sich die Wogen.
In der Tiefe, wie in den Schaumkronen leuchtet geheimnisvoll phosphoreszieren-
der, blaugrüner Schein. Ein Dampfer arbeitet sich mit voller Kraft von den
Inseln frei, dem offenen Meere zu. Am Bug stiebt das Wasser gischtsprühend
auseinander, die rote und grüne Positionslaterne werfen beide ihr gefärbtes,
elektrisches Licht auf die aufgewühlten Schaumberge, während das weisse Top-
licht seinen Strahl bis zum Horizont sendet. Im Bugwasser und Heckwelle treibt
das Meerleuchten sein Spiel. Da blitzen Millionen Funken und mächtige Licht-

ballen wirbelnd durcheinander. An BcrJ sind die Passagiere noch munter, um
das herrliche Schauspiel zu gemessen. Vorn auf der Back halten Offizier und
Bootsmann scharfen Lugaus nach Gegenseglern. Da schwirrt es plötzlich aus
der Tiefe auf. In dem blutroten Lichtkegel der Backbord-Positionslaterne er-
scheinen für Augenblicke dunkle Körper, die pfeilschnell wieder verschwinden,
bei ihrem Eintauchen in das Meer lange blaugrüne Streifen hinterlassend. Hier
und da hört man ein Anklatschen an die Schiffswand. Auch an Deck zappeln
und schwirren einige jener Körper. Es sind fliegende Fische, welche einesteils
aufgeschreckt durch das andampfende Ungetüm, andernteils angezogen durch
den Schein der Laterne sich aus dem Meere aufgeschnellt haben und mit
Hilfe ihrer mächtigen Seitenflossen den schwirrenden Flug gegen die Bordwand
nehmen. Im Augenblick sind sie wieder in der Dunkelheit verschwunden. Die
Passagiere wissen sich kaum Rechenschaft über das merkwürdige Phänomen
zu geben, nur der Bootsmann steigt bedächtig von der Brücke herab und sichert
sich ein halbes Dutzend fetter, schöner, grosser Fische, die ihm der Zufall für
seine Privatküche an Bord geschickt hat. Die Bälge mit den Floss-Flügeln
stopft er dann wohl noch aus, und für einen Dollar können die Passagiere einen
jener unfreiwilligen Besucher an Bord zur Erinnerung an die herrliche tropische
Nacht auf dem Meere mit in die Heimat nehmen.

* *

(J^. Genzmers prächtiges Bild: „Am Steg“ fand in der letzten Grossen
Berliner Kunstausstellung zahlreiche Bewunderer, was nicht merkwürdig war;
denn die harmonische, fein abgetönte Farbenstimmung, die über demselben liegt,
thut jedem Auge wohl. Der Fischer, der auf stillen Wellen seinem Tagewerk
nachgeht, hat seinem jungen Weibe die bisherige Ausbeute übergeben. Die kleine
blonde Fischerstöchter schreitet an der Lland der Mutter so sicher über den Steg;
man sieht es ihr an, dass sie an der Wasserkante aufwächst. Der fleissige
Fischer hat sich schnell wieder seiner Arbeit zugewendet; er weiss sein Kind
unter treuer Hut; die junge Mutter blickt voller Freude auf ihr Töchterchen.
Das Bild atmet Frieden, Ruhe und Genügsamkeit; wer sich ganz in seine Stim-
mung zu versenken vermag, vergisst die hastende Welt mit ihrem Unfrieden und

ihrer Unruhe. H *

*

Thiel: „Museum für dekorative Kunst in Brüssel.“ Von den

grossen Ausstellungsgebäuden sind nach Schluss der Ausstellung fast überall
einige stehen geblieben. So in Wien, Paris und Brüssel. In letzterer Stadt hat
man eine grosse Ilalle zu einem Museum für dekorative Kunst umgewandelt,
in dem unser Bild einen Blick tliun lässt. In demselben stehen plastische Werke
der verschiedensten Zeiten und Völker vorzüglich in Gips nachgebildet, meistens
in Originalgrösse. Wie E.Thiels Bild erkennen lässt, findet das Museum Besucher
aus allen Volkskreisen. Der rundliche vlämische Prediger steht neben dem
französischen Geistlichen, der neben seinem Interesse für die kirchliche Kunst
noch Zeit hat, die Pariser Modedame zu betrachten, die sich von einem ketten-
geschmückten Museumsdiener die Kunstwerke erklären lässt. Wie überall,
fehlen auch hier die Hochzeits-Reisenden nicht. Arthur Stichler.
 
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