Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

DOI Artikel:
Unsere Bilder, [7]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0255

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
120

J^ildcR

Lie vier Jahreszeiten. Selten werden die vier Jahreszeiten durch
jugendliche Schönheiten personifiziert. Wenigstens der Winter ist ge-
wöhnlich ein müder Greis. Auf unserem Bilde personifiziert ihn eine lächelnde
Ballkönigin, die sich in eine Loge des Ballsaales zurückgezogen hat, um von hier
aus das Treiben ihrer Getreuen zu beobachten. Vor ihr steht das Champagner-
glas, das sie soeben geleert und das ein richtiges Symbol des Faschings und der
Sylvesterfreuden ist. Diese junge Dame, die so graziös den Fächer hält, ist
Fräulein Gisela Batizfalvi, das beliebte Mitglied des neuen Szigligetitheaters
in Grosswardein. Neben ihr mit dem Weinkruge und den herrlichen Früchten
den Herbst symbolisierend sitzt Fräulein llonka Garai (Gross), ein beliebtes
Mitglied des Hauptstädtischen Sommertheaters in Budapest (I. Bez.), dessen
Gesellschaft während des Winters in Kecskemöt auftritt. Dort spielt auch Fräulein
Garai derzeit. Mitten im reifen Getreide, in der Tracht eines ungarischen Bauern-
mädchens, mit der Sichel in der Hand sehen wir das freundliche Profil des Fräuleins
Alice Csendes, die ebenfalls an einem ungarischen Provinztheater, in Szabadka,
wirkt und gleich ihren vorgenannten Kolleginnen eine hoffnungsvolle Bühnen-
laufbahn vor sich hat. Dem Theater ganz fern steht unser Frühling, das reizende
Fräulein Elsa Striho, welches eben die Natur in den Blüten eines Obstbaumes
bewundert. Und doch verbinden sie verwandtschaftliche Bande mit dem Theater,
weil demselben ihre Schwester Gisela mit Leib und Seele angehört, die den Theater-
namen Batizfalvi führt und auf unserem Bilde als Winter zu sehen ist. M. Hecht

M. Schönchens Bild: „Heimkehrende Fischer“ giebt ausserordentlich
sicher die trübe Stimmung wieder, die über der Küste lagert. Die Sonne ist
so dicht verhüllt,
dass die Gestalten
der Fischer und
ihrer Schiffe fast
wie Silhouetten
wirken, während
nur in den Lachen
am Ufer das Sil-
bergrau des Him-
mels sich wider-
spiegelt.

ancelots

CT

Braut. Es ist die
alte Geschichte —
die Geschichte des
verlassenen Mäd-
chens , das aus
Gram über die Un-
treue ihres Ge-
liebten sich zu
Tode härmt. Lan-
celot, einer der Rit-
ter, die zur Tafel-

L. Schönchen: Heinikehrend

runde des Königs Artus gehören, zog jung und ungeschlacht, als Schützling der Fee
Viviana, auf Abenteuer aus, machte in vielen Burgen Rast und gewann infolge
seiner Schönheit und Tapferkeit überall die Herzen der Ritterstöchter. Aber nir-
gends duldete es ihn lange; unter irgend einem Vorwände zog er fort und überliess
die Geliebte ihrem Schicksal. Nach mancherlei Irrfahrten kam er an den Hof des
Königs Artus und erhielt den Auftrag, die Königin Ginevra aus der Gewalt des
Meleagan, der sie geraubt hatte, zu befreien. Dies gelang ihm, aber nun ent-
brannte er in sündiger Liebe zur Königin und diese erwiderte seine Gefühle.

Seine Braut, die er ohne Abschied verlassen hat, kann diesen Schmerz nicht
überwinden; der Gram tötet sie, und ihrem Befehle gemäss rudert ein alter
Diener den Leichnam nach dem Hofe des Königs Artus:

Dann nehmt das kleine Bett, auf dem ich starb
Aus Liebesgram um Lancelot, und schmückt es,

Und schmückt auch mich wie eine Königin
Mit all dem Reichtum, der mein eigen ist.

Ich will im Festgewand zum Hof — zur Königin.

Erschreckt, aber doch im Innern froh, dass die Nebenbuhlerin nicht mehr zu
fürchten ist, blickt die Königin auf das milde Antlitz der Toten, die in der rechten
Hand eine Lilie, das Sinnbild der Unschuld und des Märtyrertodes, trägt, während
die andere eine Pergamentrolle hält, auf welche sie einen Abschiedsgruss für den
Geliebten niedergeschrieben hat. Dieser steht im Prachtgewand neben dem Königs-
paar und beugt voll Schmerz und Grauen den Kopf vor, doch bald genug wird
die Tote um Ginevras willen vergessen sein. Das Bild E. Blair-Leightons,
das in der Royal Academy die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zieht, versucht
nicht nur dem Gegenstände, sondern auch der Porträtähnlichkeit gerecht zu werden,
wenigstens finden wir in den Gesichtern der Königin und Lancelots dieselben
Züge wieder, die ihnen auf einer altfranzösischen Miniatur gegeben sind. Sch.

tarnst Otto. Reiher und Hund. Dem Nichtjäger mögen Situationen wie
diese, dass ein scheuer Vogel wie der graue Reiher einen Jagdhund mit ener-
gischen Schnabelhieben in die Flucht schlägt, unwahrscheinlich Vorkommen. Es
ist aber eine ganz bekannte Erscheinung, dass der Reiher, die Rohrdommel und
der Storch, sobald sie krank geschossen sind, den sie angreifenden Hund mit
ihrer äusserst gefährlichen Waffe ohne weiteres annehmen und mit wuchtigen
Schnabelhieben zu Paaren treiben. Der Vogel nimmt zuerst eine abwartende
Stellung ein, zieht sich, je nachdem er krank geschossen ist, entweder stehend
zusammen, oder legt sich mit gestrecktem Hals auf den Boden oder auf den
Wasserspiegel und erwartet mit blitzendem Auge den Feind. Und wehe dem
Hunde, wenn er sich zu ungestüm und unvorsichtig heranwagt. Wie aus dem
Hinterhalte, schlangenartig vorstossend, schiesst der flügellahme Vogel mit vor-
gestreckter Waffe hervor und der erste Stich gilt dem Augenlichte des Gegners.
Diesem Reiher ist der rechte Flügel zerschossen. Das hindert ihn aber nicht
aus seiner Schilfdeckung den Angriff zu wagen. — Unser grauer Reiher ist nicht
nur ein sehr gewandter Fischräuber, und wird der Fischzucht namentlich in
kleineren fliessenden Gewässern und Teichen sehr gefährlich, nein, er raubt genau
wie der von Jung und Alt mit Unrecht geschützte Storch alles junge Haar- und
Federwild, dessen er habhaft werden kann, und frisst sämtliche Gelege aus.
Deshalb darf ihn kein Jäger im Revier dulden. W. Ahlers.

*

Präsident Krüger und seine Enkelinnen. Die merkwürdige Sympathie,
die fast alle Welt für den bewunderungswürdigen Präsidenten der Transvaalrepublik
kund thut, hat sich auch auf seine Familie übertragen. Wir veröffentlichen in

diesem Hefte die
Bilder seiner bei-
den Enkelinnen,
der Frau Eloff
und desFrl.Gutt-
mann, die mit
Krügers Urenkeln,
denkleinen Eloffs,
eine sehr anmutige
Gruppe bilden.
Das höchste Inter-
esse dürfte der
älteste der Krüger-
schen Urenkel auf
sich ziehen, der
junge „aiglon du
Transvaal“, wie
man ihn in Frank-
reich nannte, der
schon jetzt eine
seltsameAehnlich-
keit mit seinem Ur-
grossvater verrät.

Fischer. ...

Humoristische und zugleich künstlerisch ausgeführte Bilder sind bekanntlich
eine sehr seltene Sache. Gabriel Max hat mit seiner „Grossen Wäsche“
ein solches Bild geschaffen, das jeden, der sich Sinn für Komik gewahrt hat,
heiter stimmen wird. Man braucht nur das kleinste Schweinchen näher zu
betrachten, das gerade in die Wäsche genommen wird, wie es vor Vergnügen
grunzt und sich offenbar sauwohl fühlt. Auch die Gestalt der Wäscherin ist im
höchsten Maasse humoristisch aufgefasst und ausgestaltet. Das grössere Ferkel
scheint der Wäscherei entschieden abhold zu sein und würde sich gern davon
machen, wenn die energische Herrin nicht den Strick um ihr Bein geschlungen hätte.

tuf der grossen Pariser Weltausstellung, die nun ihre Pforten ge-
schlossen hat, gab es einen ziemlich versteckt liegenden Pavillon, den die elegante
Pariserin geradezu ängstlich mied, während ihm die „Provinzler“ und die Fremden
in hellen Haufen zuströmten. Der schlichte Bau lag hoch oben an einem der
schlanken Flügel des Trocadero, hinter dem stolzen Palast von Russisch-Asien,
inmitten eines Gewirres von Hütten und Zelten, die nur dem Fachmann In-
teressantes bieten konnten. In jenem grauen Hause sah man zunächst allerdings
auch nur nüchterne Maschinen, Karten und Tabellen, aber an der Bewegung der
schauenden Menge nach einer bestimmten Richtung hin, erkannte man bald, dass
der Bau mehr als nur technische Reize bergen musste: Der „Clou“ der Aus-
stellungsgruppe bildete die mit grösster Naturtreue durchgeführte Nachbildung
eines Bergwerkes, in dessen schrägen Schacht man in sausender Fahrt ein-
fuhr. Die Toiletten passten sich dem seltsamen Beförderungsmittel nur wider-
strebend an — daher die Scheu der eleganten Damen — aber umso lauter
erklang der helle Jubel jener, die keine Rücksicht auf ihre bescheidenere Kleidung
von der lustigen Fahrt in die Unterwelt zurückschreckte.
 
Annotationen