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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Bliß, Paul: Die Rotbunte: Humoreske
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0254

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MODERNE KUNST.

119

Felix Susemihly Dessau, phol.
Das Dessauer Künstlerhaus von der Strassenseite.

Als der das Bild zu Hause hatte, fragte er sich, was damit anzufangen sei,
denn dass man sich so eine Kuh als Schmuck an die Wand hängen sollte, das
kam ihm wie eine Geschmacksverirrung vor.

Endlich riet ein Freund: „Aber, Mensch, so verklopp’ doch den Jux! janz
schnuppe, wieviel Du dafür kriegst!“

Zehn Minuten später war man bei einem Kunsthändler, der nach langem
Besinnen und Feilschen zwanzig Mark für das Bild gab.

Der Händler war ein praktischer Mann, er sagte sich, dass Wolfram noch
mal eine Zukunft haben könne, — und so stellte er das Bild in die Vorrats-
kammer, bis seine Zeit da sein würde.

Ungefähr ein halbes Jahr später war diese Zeit bereits da.

Wolfram hatte mit einer grossen „heroischen Landschaft“ einen sensationellen
Erfolg, der ihn mit einem Schlage aus dem dunklen Nichts auf die helle Höhe
der Berühmtheit emporhob.

Nun war sein Name auf allen Lippen, und diejenigen Leute, in deren
Häusern neue Berühmtheiten „herumgereicht“ wurden, bestürmten ihn mit
Einladungen.

Und jetzt begannen für Herrn Kommerzienrat Rebus bange Tage, denn
seine Frau, die vor ihren Bekannten nicht zurückstehen wollte, machte
ihrem Gatten das Leben schwer durch endlose Vorwürfe, dass er den
jungen Maler nicht mehr mit ins Haus brachte.

„Aber, Frauchen,“ beruhigte der sorgende Mann sie, „bedenk’ doch
nur, wie wir ihm damals mitgespielt haben! das hat er doch sicher
nicht vergessen!“

„Darüber ist ein Jahr vergangen, und in zwölf Monaten vergisst man
vieles,“ entgegnete sie bestimmt.

„Und dann das Bild, das dämliche Kuhbild!“ — stöhnte er sorgen-
schwer, — „wenn er wirklich wieder zu uns kommen sollte, würde er
doch nach dem Bilde fragen, — und dann?“

„Nun, so schaff doch das Bild wieder an! es wird doch noch
irgendwo zu haben sein!“

Der arme Rebus! er nickte und versprach alles, aber er ahnte schon
jetzt, wie .-chwer es sein würde, das Bild, das einst so verschmähte,
wieder zu erlangen.

Trotzdem aber begab er sich sofort auf die Suche. Er war ein
praktischer Mann, und deshalb erfasste er sofort den Kern der Sache.

Er ging zu dem Vorstandsherrn des Bazars, allwo er das unheilvolle
Bild zuletzt gesehen hatte. Und dort erfuhr er auch bald, wer das
Bild gewonnen hatte. Nun eilte er zu dem jungen Mann, hoffnungs-
froh und glücklich, doch als er erfuhr, dass das Bildchen bereits im
Besitze des Kunsthändlers war, da schwand die gute Laune ebenso
schnell wieder, denn er ahnte, als wissender Mann, dass er jetzt tief in
den Geldbeutel würde greifen müssen.

Und richtig, er musste bare drei Tausend Mark bezahlen für das Bild,
das ihm einst geschenkt worden war, und das er in blinder Thorheit weiter
verschenkt hatte.

Drei Tausend Mark! er seufzte tief und schwer, denn er ärgerte sich
über dies hinausgeworfene Geld. Aber es war nicht zu umgehen, er musste
berappen, denn er durfte sich vor seinen Bekannten nicht die Blösse geben,
dass er so blind gewesen war, ein so hoch talentvolles Bild achtlos fort zu
geben. Also zog er schweren Herzens das Checkbuch und wies die verlangte
Summe an.

Und nun hängt die einst so schmachvoll behandelte „Rotbunte“ im Salon
des Herrn Kommerzienrats und noch dazu an einem Ehrenplatz. Und die
gnädige Frau war glücklich, dass sie ihre gesellschaftliche Ehre gerettet sah.

Noch an demselben Tage fuhren Herr und Frau Rebus bei dem Maler vor,
der zu dem Besuch ein einigermaassen erstauntes Gesicht machte.

Der Herr Kommerzienrat war auch ein wenig verlegen; die Gnädige in-
dessen, als sei gar nichts vorgefallen, reichte dem Künstler die Hand und rief
begeistert: „Aber, teurer Meister, weshalb lassen Sie sich denn gar nicht mehr
bei uns sehen? Sie wissen doch, dass Sie ein stets gern gesehener Gast sind!

— also erweisen Sie uns die Ehre, und essen Sie heute Mittag bei uns, — es
ist gar nichts los, nur ein paar gute Freunde sind da!“

Der Maler lächelte, höflich wie ein Weltmann, verbarg alle Ironie und ging
wieder zu seinen ehemaligen Bekannten.

Um drei Uhr, wie geladen, war er da, aber ausser ihm war noch kein
anderer Gast erschienen; darüber wunderte er sich anfangs, doch bald erfuhr er
den Grund dafür.

Rebus nämlich nahm ihn beim Arm, führte ihn in den Salon und vor
der „Rotbunten“ machte er Halt und sagte: „Sehen Sie, lieber Freund, da
hängt Ihr göttliches Kunstwerk, das Sie mir dediziert haben, — wie Sie
sehen, nimmt es den gebührenden Ehrenplatz ein, — aber nun erweisen Sie
mir noch eine Liebe, ja, bitte! zeichnen Sie mir da in die eine Ecke so
’ne Art Dedikation hinein! — nicht wahr, das thun Sie mir, als Ihrem ältesten
Freund und Verehrer, noch zu Liebe, ja, bitte sehr!?“ Und wie ein praktischer
Mann, der nichts unvorbereitet thut, holte er aus dem Schränkchen seiner
Frau einen kleinen Farbtopf und Pinsel hervor, die er dem erstaunt lächelnden
Künstler hinreichte.

Und der Maler, der ja von dem Kunsthändler bereits die Vorgeschichte
seines Bildes erfahren hatte, nahm den Pinsel und zeichnete die erbetene Dedi-
kation in die rechte Ecke des Bildes, — er lächelte dabei, denn er sah aufs
neue, bis zu welcher Blösse sich Eitelkeit und Gefallsucht erniedrigen konnte,

— aber er lächelte dennoch nur darüber, denn er kannte ja das Leben.

Eine Stunden später kamen dann auch die „paar guten Freunde“ zum Diner,
das natürlich erst um vier Uhr begann, — es waren nahezu dreissig Personen, —
und das „bescheidene“ Diner gestaltete sich zu einem Fest und zu einer glänzen-
den Ovation für den jungen Maler.

Frau Kommerzienrätin aber führte alle ihre lieben Freundinnen einzeln vor
die „Rotbunte“ und sagte: „Sehen Sie nur, dies einzig schöne Bild hat der
Meister meinem Manne schon vor einem Jahre dediziert! ist es nicht wirklich
ein seltenes Kunstwerk?!“

Die Freundinnen waren natürlich zum Platzen neidisch, aber trotzdem nickten
sie in lächelnder Bewunderung.

Und von dem Tage an hiess es in der sogenannten „Gesellschaft“, dass
Herr Kommerzienrat Rebus der Erste gewesen sei, der das grossse Talent
Wolframs entdeckt und gefördert habe.

So haben auch Bilder ihre Geschichte!

Gartenterrasse im Dessauer Künstlerhause.
 
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