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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Vollmar, H.: Ferdinard Keller
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Freiberg, Günther: Unvorsichtig: Humoreske
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0571

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MODERNE KUNST.

265

Bei dem Wettbewerb
um die Gemälde des Ham-
burger Rathauses beteiligte
sich Keller erfolgreich, eines
unserer Bilder giebt farblos
einen Teil jener genialen
Farbenskizzen wieder, die
ihm zwar den ersten Preis,
jedoch nicht die erstrebte
Ausführung brachten. Sehr
zum Schaden der künst-
lerischen Physiognomie des
Rathauses der Hansastadt
sind die Bilder selbst einem
norddeutschen Kollegen über-
tragen worden. Aber nach
echter Künstlerart, die von
innen, nicht von aussen die Impulse zum Schaffen erhält, Hessen ihn solche
Misserfolge ruhig; in stetiger Folge entstiegen seinem Atelier jene Schöpfungen,
welche in jeder Linie und in jedem Tone den hochbegabten Maler erkennen
lassen, dem die seltene Fähigkeit gegeben ist, Uebernatürliches und Ideales in
der bildenden Kunst in fesselnder Farbenschöne zu verkörpern.

Die Bilder unserer Keller-Nummer, welche mit Ausnahme des Heidelberger
Wandgemäldes, das für eine grössere Schaffensperiode überaus bezeichnend ist,

sämtlich den letzteren drei
Jahren entstanden, zeigen
den vielseitigen Künstler auf
der Höhe seines Schaffens.

Dass sich Kellers Talent,
entsprechend der ihm ge-
stellten Aufgabe, mächtig zu
regen pflegt, hat er bewiesen,
so ist der Wunsch ein be-
rechtigter, dass die nächste
Zukunft seiner grossen Bega-
bung ein Thema geben möge,
in dem noch einmal seine üp-
pige Malerphantasie zu Nutz
und Frommen der deutschen
dekorativen Wandmalerei
ihre Schwingen entfalten
kann; die hohen Wölbungen der Wandelhalle des deutschen Reichstagsgebäudes
wären ein Schauplatz dafür. — Aber auch ohne Erfüllung dieses Wunsches bleibt
Ferdinand Keller, der Badenser Meister der Farbe, einer der grössten Koloristen
unseres Jahrhunderts, dessen stille harmonische Entwickelung und gewaltiges
Können schon jetzt von Tausenden geschätzt, dereinst im Urteil der Kunst-
geschichte noch grössere Geltung haben wird — denn er hat wenige Genossen,
welche mit der Farben Gewalt und Reiz ähnliche Siege gewannen II. Voll mar.

Ferdinand Keller: Entwurf zu einer Wandmalerei. (Siegesgöttin.)

{Unvorsichtig.

=&>

Humoreske von Günther von Freiberg.

)utterl, ich kann’s, weiss Gott, nit aushalten, dass Deine Näh-
maschine so grauslich schnarrt und rasselt . . . ein Scheren-
schleifer macht’s nit toller. Und die Emerenz, die in der Kanzlei mit dem
Besen Tumwirtschaftet wie’n wahnsinniger Poltergeist! Jessas, mir zer-
springt der Kopf“. . .

„Sei gescheidt, Maritschel“, erwiderte aus dem Speisezimmer Frau
Inspektorin Geschmeidler ihrer bildhübschen, verzogenen Tochter, der
jungen Gattin eines Wiener Hof- und Gerichtsadvokaten, „die kurze Zeit,
wo dein Mann über Land ist, muss doch benutzt werden. Und ich lieft’
Dir einen neuen Kragen an Deinen Cape, damit Du sauber einhergehst,
wann Ihr morgen oder übermorgen d’ Sezessionsausstellung besucht.“

„Ach geh“, sagte übellaunig die schlanke Blondine, vom Klaviersessel
aufstehend, „ich hätt’ so gern a bisserl Schubert gesungen! So ein langer
Sommernachmittag in der Stadt ist grässlich . . . Wären wir nur .erst
aufm Land! — LTnd für die blöden Patzereien in der Ausstellung dank’
ich ein- für allemal“.

Dschinngg! erdröhnte draussen im Treppenflur die elektrische Klingel.

Mit einem Hechtsatz sprang die Missvergnügte in das Vorzimmer und
riss neugierig die Eingangsthüre auf. Dann that sie einen lauten Freuden-
schrei: „Jaromir!“

Nicht der Räuberhauptmann aus Grillparzers „Ahnfrau“ stand vor ihr,
sondern dessen Namensvetter, ein sehr fescher Infanterie-Leutnant. „Servus,

[Nachdruck verboten.]

Frau Cousine!“ jauchzte er seinerseits, während die Inspektorin in ihrer
lauten Beschäftigung verblüfft inne hielt und die Brille auf die Stirne schob.

Triumphierend trat Maritschel mit ihrem Cousin aus der Brünner Gar-
nison vor die Mutter hin . . . „Schau, der kommt wie gerufen!“

Dieser Meinung schien Mutterl im Stillen nicht beizupflichten, so artig
der junge Mann seiner „gnädigen Tant“ die Hand küsste: ein Besuch von
ausserhalb passt nicht zum Trubel des Reinmachens; putzt die Köchin
gerade die Fenster, kann sie nicht Kaffee kochen, und fegt das Stuben-
mädchen mehrere Zimmer aus, steht es schlecht um die Bedienung. „Drei
Tage Urlaub“ klang der guten Alten, die vom Töchterchen so sehr tyranni-
siert wurde, gleich einem Donnerwort.

„Wo ist ’n Edi, Dein Herr und Gebieter?“ erkundigte sich Jaromir.
„In Pressburg“, sagte Maritschel, über und über strahlend, „kehrt
heut Nacht heim oder morgen früh.“

„Na, dann entführ’ ich Euch, Tant’ und Mierzel, nach Venedig in
Wien . . . dort gondeln und nachtmahlen wir.“

„Gar nit übel,“ meinte die Inspektorin, „aber ’s geht halt nit. Wenig-
stens für meine Person . . . mir versagen ja die Füss’ ganz und gar“ . . .
„Oh, Mutterl, sei nicht fad und kommt mit,“ bat Maritschel.

„Damit ich irgendwo sitzen soll wie’s Mopsei in der Tiscblad’? und
Ihr junges Volk umherspringt? Nein, nein, Kinderle.“

Da kein weiteres Zureden half, platzte Jaromir endlich heraus:


XV. 67.

Ferdinand Keller: Entwurf zu einer Wandmalerei

(Huldigung.)
 
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