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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Heigel, Karl von: Brummells Glück und Ende, [4]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0554

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Das JVRillersehe Volksbad in München.

Die Frage nach dem modernen Baustil, der alle
neue Errungenschaften der Architektur anwenden soll
und doch dabei zugleich originell, praktisch, schön,
deutsch und, wer weiss was noch sein soll, ist in neuester
Zeit immer wieder aufgeworfen worden. Von der
Eisenkonstruktion erhoffte man seiner Zeit vieles, ja
einzelne alles. Man sprach davon, dass für die Franzosen
mit den Bauten der Weltausstellung von 1900 der neue
Stil kommen werde, kommen müsse. So interessant
nun auch diese Bauten waren, den neuen Baustil konnten
sie nicht bringen. Ein neuer Stil hat in jeder Epoche
lange Zeit zur Entwickelung gebraucht, die dem nur
mit ästhetischem Auge schauenden Betrachter jener
Bauwerke, in denen ein Stil gipfelt, nicht zum Bewusst-
sein kommt. Nur wer kritisch und mit dem Rüstzeug
der Baugeschichte bewehrt an das Studium einer Stil-
entwickelung geht, wird das langsame Fortschreiten
derselben erkennen. Wer also von unserer Zeit erwartet,
dass sie gewissermassen im Tempo D-Zug einen neuen
Baustil hervorbringen soll, ist auf dem Holzwege. Einzel-
werke machen überhaupt keinen Stil. Wohl aber giebt
es Einzel werke, die
von einem geschickten
Künstler ersonnen und
unter günstigen Ver-
hältnissen durchge-
führt den Standpunkt
der Entwickelung
wenigstens nach ge-
wissen Seiten hin
überzeugend veran-
schaulichen. Zu die-
sen Bauten gehört
das neue Müllersche
Volksbad in München,
dessen Aussenseite
wir untenstehend ab-
bilden. Es ist von
Prof. Karl Hoch-
eder in München ent-
worfen und verdient
eine sehr genaue Be-
trachtung. Es bietet
keine absolut neuen
Formen, sondern ist
im grossen und ganzen
in jenem gemässigten
Barockstil gehalten,
der hauptsächlich in
Süddeutschland aus-
gestaltet wurde. Aber
die dort festgelegte
Formensprache dient
ja nur zur Grundlage,
im einzelnen ist der
Bau, wie ein Blick
auf unsere Abbildung
lehrt, mit grösster
Freiheit entworfen,
ohne dass der Ge-
samt-Eindruck irgend
wie verschoben
würde. Die Innen-
räume sind ebenfalls
sehr eigenartig aus-
gestattet, sie erfordern eine besondere eingehendere
Betrachtung. —e—

Schnelllebige Leute!

Der liebe Herrgott würde vielen Menschen einen
grossen Gefallen erweisen, wenn er dasjenige Rad
seiner grossen Weltmaschinerie, das unsere Erde her-
umdreht, mit mehr Zähnen versehen würde; dadurch
würde es sich und die Erde langsamer herumdrehen,
und der Tag würde statt der gänzlich ungenügenden
24 Stunden, vielleicht 34 Stunden erhalten. Man kann
es sich garnicht vorstellen, wie die Leutchen auf anderen
Planeten fertig werden mit ihrer Tagesarbeit, wo der
Tag — wie etwa auf dem Planeten Jupiter — gar nur
93/4 Stunden lang ist. Jetzt kommt nun gar die Nach-
richt, dass man einen Planeten gefunden hat, der sich
so schnell herum schwingt, dass sein Tag nur 2 Stunden
36 Minuten lang ist, es ist dies der Planet „Eros“, jener
1899 entdeckte kleine Bruder der Erde, über den wir
schon im Jahrgang XIII Heft 4 unserer Zeitschrift be-
richtet haben. Dieser „Eros“ ist trotz seiner Kleinheit
ein ausserordentlich interessanter Stern. Erstens kommt

er von allen Planeten unserer Erde am nächsten (bis
auf 3 Millionen Meilen), und zweitens hat er nur wenige
Meilen im Durchmesser. Neuere Untersuchungen haben
nun ergeben, dass Eros ausserordentlich regelmässige
Lichtschwankungen zeigt; seine Helligkeit nimmt zu und
ab, in 2 Stunden 36 Minnten. Einige Astronomen waren
schon der Ansicht, dass dieser Liliputaner unter den
Planeten auch noch einen Trabanten, einen kleinen Mond
um sich herum schwinge, der zuweilen seinen Schatten
auf Eros wirft, und ihn — wie es ja auch der Erdmond
bei einer Sonnenfinsternis thut — verdunkelt. Dem ist
aber nicht so; Professor Deichmüller in Bonn hat jetzt
nachzuweisen vermocht, dass diese Lichtschwankungen
durch die Umdrehung des Planeten um seine Achse
hervorgerufen werden, und das diese Umdrehung, also
der Tag des Eros, nur 2 Stunden 36 Minuten Zeit in
Anspruch nimmt. Obgleich man von der Bewohnbar-
keit der Planeten also auch des Eros nichts Positives
wissen kann, ist es doch interessant, die Gedanken aus-
zuspinnen, wie die eventuellen Erosbewohner mit dieser
lächerlich kurzen Zeit fertig werden. Die Leute, die
hier auf der Erde den ganzen Tag auf der faulen Bären-
haut liegen, und den lieben Gott einen guten Mann sein
lassen, sehen nun natürlich in der Welt des Eros ein

Das Müllersche Volksbad in München.

Eldorado; zwischen Sonnenaufgang und Sonnenunter-
gang liegen nur 5/4 Stunden, eine Zeit, die auf Erden
manche Schöne zu ihrer Morgentoilette braucht, auf den
Planeten Eros versetzt, könnte sie also gleich wieder
mit der Nachttoilette beginnen. Da die Nacht aber auch
nur 5/4 Stunden währt, lohnte es sich für einen Erd-
bewohner kaum, den Hafen der Ruhe aufzusuchen. Da
zwischen Auf- und Untergang der Gestirne auf Eros nur
5/4 Stunden liegen, so scheinen sie wie ein Luftballon über
das Land hinzufliegen. Vielleicht aber lebt dort wirklich
ein Liliputanervölkchen wie es uns Swift geschildert
hat, das mit kleineren Entfernungen, kleineren Arbeiten
und auch kleineren Zeiträumen rechnet. — Wer kann
es beweisen, wer kann es leugnen?! Bruno H. Bürgel.

—A/\/\/V»—

Chinesische und japanische Kaufleute.

Reisebeobachtung von Tanera.

Wohl nirgends auf der Erde herrscht bei stamm-
verwandten und benachbarten Nationen ein solcher
Unterschied in der Beurteilung, Wertschätzung und
thatsächlicher Tüchtigkeit und Verlässigkeit einzelner
Stände wie zwischen dem chinesischen und japanischen

Kaufmannsstand. Das liegt in der verschiedenartigen
geschichtlichen Entwicklung der beiden.

China hat sich seit Jahrtausenden ruhig in sich
selbst entwickelt, nie Eroberungskriege geführt, und
seine Bevölkerung denkt durchaus realistisch, fern von
idealen Anschauungen und idealen Erstrebungen. In
China giebt es keine vererbten Titel, Würden und Aemter.
Mit ganz wenig Ausnahmen bei den Mandschu kennt
man auch keinen Erbadel. Es verleiht dort Ansehen
und Würde nur die Arbeit, die durch sie erlangte
Stellung und dann auch der Reichtum. Der erarbeitete
hat aber bei den Chinesen noch viel höheren Wert als
der ererbte. Als die höchste Arbeit gilt die des Geistes,
d. h. die Arbeit der Gelehrten. Alle Staatsstellungen
werden einzig und allein durch sehr schwere und sehr
peinlich durchgeführte und streng überwachte Prüfungen
erworben. Aus den Gelehrten werden die Beamten,
die wir Mandarinen nennen, entnommen. Dann aber
steht jeder Arbeiter, auch der Handarbeiter in gutem
Ansehen und damit ebenso der Stand, welcher die
Arbeit verwertet, d. h. der Kaufmannsstand. Kommt
beim Kaufmann noch dazu, dass er reich ist, so wächst
sein Ansehen immer mehr, und daher kommt es, dass
in China die Kaufleute nach den Mandarinen und Ge-
lehrten die erste Rolle
spielen. Ihnen gegen-
über gemessen Prie-
ster und Soldaten eine
sehrgeringe, fastkeine
Achtung. Beide ar-
beiten nicht, sondern
leben von den Ab-
gaben der andern
Stände oder von Al-
mosen, also sind sie
so halb und halb in
der Stellung von
Bettlern. Wenn schon
diese äussere, dem
Kaufmannstand dar-
gebrachte Achtung
ihn hebt, so erhöht
es seinen Wert noch
mehr, dass er wirk-
lich der verlässigste
und ehrlichste Kauf-
mannstand vielleicht
der ganzen Erde ist.
Das klingt sehr hart.
Aber es lässt sich
leicht beweisen.

In China ist das
allerstärkste Band für
alle Bewohner des
Reiches der Mitte die
F amilienangehörig-
keit. Von deren
Macht haben wir gar
keinen Begriff. Der
Vater ist eine Art von
Herrscher mit fast un-
umschränkter Gewalt.
Kein Sohn kann gegen
den väterlichen W illen
etwas für eigene
Rechnung verdienen.
lacger Sc Gongen, München, phot. ^ Kaufmannsfamilien

arbeiten Söhne und
Enkel fast ausnahmslos für das väterliche Geschäft,
und wenn sie auch noch so alt sind. Jeder chinesische
Vater haftet mit allem für seine Nachkommen, und um-
gekehrt geradeso. Wird ein Sohn Verbrecher, so be-
straft man den Vater mit, weil er einen so schlechten
Sohn erzeugt und ihn so schlecht erzogen hat. Dafür
erntet er aber auch Belohnungen durch den Sohn. Be-
steht dieser z. B. die Staats-Prüfungen und wird ein
hochangesehener Mandarin oder Gelehrter, so ehrt man
die Eltern ebenso wie den Sohn. Noch mehr. Besteht
der Sohn das grosse Examen in Peking, so wird nicht
er, sondern sein Vater und seine Mutter in den Adels-
stand erhoben, weil Sie einem so vorzüglichen Sohn
das Leben gegeben und ihn so trefflich erzogen haben.
In kaufmännischer Beziehung haftet die ganze Familie
für Geschäftsverluste. Nicht nur sie, sondern auch die
an verwandten und angeheirateten Familien. Dies hängt
auch wieder mit der chinesischen Sitte der kauf-
männischen Ringbildungen, die aber fast ausschliesslich
innerhalb der Verwandtschaft oder Verschwägerung
bleiben, zusammen. Z. B. der Holzhändler N. N. wird
reicher, zieht nun seine Verwandten in sein Geschäft,
diese wieder die ihrigen und schliesslich monopolisiert
der Familienkreis N. N. den ganzen Holzhandel. Wäre

XV. 20. B. 1
 
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