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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Puttkamer, Jesco von: Aus der Kaisermanöver, [1]: Militärhunoreske
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Die Pest
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Unsere Bilder, [19]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0661

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3°8

MODERNE KUNST.

i

mochten ihm wohl seine eigenen lustigen Streiche aus der schönen Jugendzeit
einfallen: „Fähnrich, wie kommen Sie zu diesem Mummenschanz,“ sagte er streng.
„Nur ein Spass, Herr Rittmeister, ein unschuldiger Spass,“ brachte er hervor.
Der Rittmeister konnte sich bei dem Anblick der kläglich zerzausten Gestalt
eines leisen Lächelns nicht erwehren: „Sie wollten doch nicht etwa unsern Maler
anführen?“

Linkefinken atmete auf, es bot sich ihm ein rettender Gedanke: „Bitte
tausendmal um Verzeihung, Herr Rittmeister, ich hatte mir nur eine kleine
Ueberraschung für Herrn Linden ausgedacht.“

Arndt sah nun in das verdutzte Gesicht des Malers und fing laut an zu
lachen: „Erzählen Sie, Fähnrich.“

Dieser begann, erst stockend: „Von Julie hatte ich mir ein Kleid geborgt
und wartete im Korridor versteckt auf Herrn Linden. Er ging richtig auf alles
ein, und als er mich dann gewaltsam küssen wollte, kamen Herr Rittmeister mit

Herrn von Flemming die Treppe herauf-“

„Und er brachte es nicht fertig,“ fiel Arndt ein.

„Doch“ — meinte Linkefinken verschämt, „er war zu stürmisch.“

„Das ist ja köstlich,“ lachte der Rittmeister aus vollem Halse, „Sie gaben
natürlich Fersengeld und fielen über die Weiberröcke?“

„Ja, Herr Rittmeister,“ antwortete Linkefinken hoffnungsvoll.

„Linden, die Geschichte bleibt ihr Leben an Ihnen hängen, dass Sie meinen
Fähnrich für ein Mädel abgeküsst. — Eigentlich sollte ich Sie für solche dummen
Streiche in Stubenarrest, stecken, Fähnrich,“ wandte er sich an diesen. Aus
seiner nun streng erscheinenden Miene brach jedoch siegreich ein Lächeln her-
vor, als er fortfuhr: „Weil der Witz jedoch so gut gelungen, will ich in anbetracht
Ihrer Jugend Gnade für Recht ergehen lassen. Herrn Linden bitten Sie aber
sofort um Verzeihung.“

Dieser ärgerte sich anfangs nicht wenig, so düpiert worden zu sein, aber zu
klug, um den Beleidigten zu spielen, sah er schliesslich ein, dass auch seiner plötz-
lichen Laune einTeil der Schuld mit traf, und reichte Linkefinken versöhnt die Hand.

Am anderen Morgen meldete Wachtmeister Strimpe: „Herr Rittmeister, der
Einjährige von Wangenheim hat gestern Abend nach der Retraite ohne Nacht-
urlaub sein Quartier verlassen und Rendezvous im herrschaftlichen Garten mit
einem Mädchen gehabt, ich bitte um seine strenge Bestrafung.“

„Ah,“ dachte Arndt, „da steckte also die wahre Jule.“ Laut sagte er in an-
scheinend sehr guter Laune: „Schreiben Sie den Einjährigen für den nächsten
Ruhetag zur Straf du jour auf.“ Und leiser setzte er hinzu: Wachtmeister

Strimpe, als wir jung waren, haben wir es nicht anders gemacht.“

So traf Wangenheim nur eine gelinde Strafe für den Streich, welchen er
dem Fähnrich mit Julchens Brief hatte spielen wollen.

LLelix Jeneweins grosse und strenge Kunst steht als ganz eigenartige
G-o Erscheinung im modernen böhmischen Kunstleben. Die überaus nach-
drückliche Sprache seiner Linienführung, die zu gleichen Teilen der Darstellung
der realen Wahrheit und dem Ausdrucke der höheren Idee dient, findet kaum
ihresgleichen und es giebt wenige Maler, die mit dieser Ausschliesslichkeit ihren
Gestalten eine so klare Plastik, ihrer Zeichnung eine solche Prägnanz zu ver-
leihen wüssten. Im Kunstverlage B. Koci in Prag erschien ein eigenartiger Cyklus
von sechs Bildern: „Die Pest“, von denen wir im vorliegenden Hefte zwei
veröffentlichen. Im Besitze bereits ausgereiften Könnens trat Jenewein an die
Schöpfung seines sechsteiligen Bildercyklus, seine endgiltige Vollendung fällt in
die Jahre 1899 und 1900. Die ersten Ideen dazu tauchten in dem Künstler aller-
dings schon früher auf, im Jahre 1896, also gerade zu jener Zeit, als das
schreckliche Gespenst des schwarzen Todes zuletzt wieder sich drohend näherte.
Er sieht in seiner Pest die Geissei, deren Schläge pfeifend auf die menschliche
Kreatur niedersausen, unter der sie sich in Schmerzen krümmt, in Angst ver-
geht, mörderisch und orgiastisch tobt und ihre Nichtigkeit erkennt. Von den
beiden von uns veröffentlichten Bildern zeigt das erste die Pest in ihrer schreck-
lichsten Gewalt. Ist es nicht möglich, dem tyrannischen Einbrüche der Seuche

Einhalt zu thun, so ist es besser, in gierigen Zügen zu geniessen, was noch das
Leben bietet, sich im Wirbel seiner Freuden zu betäuben, in der Meinung, dass
auch das ein Schutzmittel gegen die furchtbare Krankheit sein könne. Jenewein
hat in seiner Darstellung die wahnwitzige Raserei eines wüsten Pestbacchanals
ins Gewaltige gesteigert. Mit welcher Kraft der Trommler auf sein gespanntes
Kalbfell einhaut! Wie der Haufe halbnackter Männer und Weiber, mit Larven
vor dem Antlitz,' schamlos und von Leidenschaft verwirrt, hier in taumelndem
Reigen sich dreht und wirbelt! — Das zweite Bild zeigt die Pest als Strafe
Gottes. Seine züchtigende Hand lastet schwer auf allen und bricht den Wider-
stand der tollgewordenen Menschheit. Auf Feldern und Wegen liegen die Toten
unbestattet, eine Speise für die über ihnen kreisenden schwarzen Raben. Durch
die entvölkerte, in tiefer Trauer liegende Landschaft schreiten Gestalten mit
gebeugtem Nacken, von Geissein zerfleischtem Rücken, unter der schweren Last
eines Kreuzes, büssend und bereuend.

Die Blätter sind in leichten, ausdrucksvollen Farben gehalten und be-
weisen Jeneweins hohe Künstlerschaft auf das Beste; das Werk verdient die
Aufmerksamkeit, die es in den Kreisen derer gefunden hat, die es bis jetzt
kennen lernten. —r-


f

nsere

VH)Jie ritterliche Gestalt des König Matthias Corvinus, des grössten Königs
Ungarns, ist mit einem ganzen Kreis von Sagen umgeben. Alexander
Wagners Bild, das unser vorliegendes Heft veröffentlicht, verherrlicht einen
vielbesungenen Moment aus dem Leben des Königs. — Aus fernem Böhmcrlande
kam der Ritter Ilallubar nach Ofen gezogen; er war von gewaltiger Stärke und
hühnenhafter Gestalt und galt als unbesiegbar, da er in allen Turnieren seine
Gegner niederstreckte, so dass sich endlich niemand mehr ihm entgegenstellen
wollte. Mit Schmähworten umkreiste er den Kampfplatz, als plötzlich ein Ritter
mit verhängtem Visier in die Schranken sprengte. Niemand kannte ihn, doch
fiel seine zarte jugendliche Gestalt allen auf. Ilallubar lachte hell auf als er den
Jüngling sah und meinte spottend, der fremde Ritter solle sich noch ein paar
Gefährten suchen Der fremde Kämpfer erwiederte ruhig: „Spotte erst nach

dem Kampfe!“ — Da ertönte das Zeichen zum Beginne des Kampfes; der
Schiedsrichter nahm seinen Platz ein; die beiden Ritter stürmten auf einander
los; Totenstille herrschte rings umher. Da sauste die Lanze Hallubars auf den
Schild des jungen Ritters nieder und zertrümmert ihn, aber der Jüngling blieb
fest im Sattel. Dreimal stürzte der fremde Ritter in grösster Erbitterung auf
ihn los, ohne ihn aus dem Sattel heben zu können, da er auf leichtem Rosse höchst
geschickt auswich. Unablässig spähte er aber nach einer Blösse seines Gegners,
der immer hitziger und unbesonnener wurde. Plötzlich stürmte er auf Ilallubar
los; er hatte dessen augenblickliche Unbedachtsamkeit erkannt und hob den
Riesen mit der Lanze aus dem Sattel, dass er zu Boden fiel und mit gebrochenem
Arm bewusstlos niederbrach. Da durchzittert ein Beifallsgeschrei die Luft; das
Volk durchbricht die Schranken um dem Helden zu huldigen; der Schiedsrichter
bittet ihn das Visier zu lüften, damit er seinem Könige und dem Volke den
Namen des besten Kämpfers der Ungarn verkünden könne. Da wendet sich der
Jüngling zum Volke; mit den Worten: „Als Erster meines Landes will ich auch
sein erster Beschützer sein!“ nimmt er den Plelm vom Haupte und die Zuschauer
erkennen in ihm — ihren König. Aus den Händen seiner Gemahlin erhielt er den
Siegerkranz. — König Matthias war nicht nur als Ritter ein Muster aller Tugenden,

ilder.

er war auch ein eifriger Förderer aller schönen Künste und Wissenschaften.
Im Volksmunde heisst er noch heute „Matthias der Gerechte“, was beweist,
dass ihm auch die schönste 'Fugend der Herrscher, die Gerechtigkeit, eigen war

■T-zer Reiz, welchen der klare Schein eines funkelnden Steines, der Glanz
gleissenden Goldes auf das weibliche Gemüt ausübt, ist so bestrickend, dass
er selten seine Wirkung verfehlt. Die Schöne auf W. von Czachorskis
prächtigem Bilde: „Der neue Schmuck“ hat sich dem Zauber ganz hingegeben.
Sie hat sich die Schatulle mit ihren Schmuckstücken herbeibringen lassen und
lässt nun die neuen Stücke im Lichte strahlen. Ihr Auge ruht auf dem Ge-
schmeide, aber ihr Denken und Sinnen ist hinweg geeilt — in die Ferne — zu
ihm — der ihr diese Herrlichkeit zu Füssen legte.

* *

Tornais interessantes Bild führt in einen arabischen „Haremshof“
und veranschaulicht in künstlerischer Weise, wie sich die Insassen dieser Anstalt
die überflüssige Zeit vertreiben. Bekanntlich wird man vom Ausruhen müde
und sehnt sich dann nach einer Beschäftigung. Die edlen Damen haben sich
dazu einen Tanz gewählt, aber keinen allzu lebhaften; sie schreiten mit Hände-
klatschen und Rumpfkrümmen um eine dunkelhäutige Schöne, die sich in sanften
Bewegungen nach dem Takte der Saitenklänge bewegt.

jsl- Schwarz lässt mit seinem Bilde: ,,.... Wach' auf, Mama!“ einen
Blick thun auf eine reizende Familienepisode; der wilde kleine Schlingel ist aus
seinem Bette geklettert und bemüht sich nun vergeblich seine schöne Mama zu
wecken; aber sie will nicht erwachen, sondern sich möglichst lange an dem un-
gestümen Wesen ihres Söhnchens erfreuen. — Wie künstlerisch Scenen aus dem
modernsten Leben zu erfassen sind, beweist E. Cucuel mit seinem Bilde
„Wenn ich in deine Augen seh . Das junge Paar ist nur scheinbar

allein, Frau Musika wandelt unsichtbar yon einem zum andern und webt leise
Bande zwischen den Herzen, die vielleicht fester werden als starke Ketten.
 
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