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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0637

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LXXXI

1)1 b es noch ein Kulturvolk giebt, welches in gleich selbstloser Weise für
das Kunstwerk einer anderen Nation seinen Hauptausstellungssaal um-
baut und künstlerisch so umgestaltet, dass in erster Linie nur jene ausländische
monumentale Skulptur zur besten Geltung gelangt? Ehe diese Frage beantwortet
wird, haben die Leser der „Modernen Kunst“ Zeit, die gesamte, überaus gelungene
Dresdener Internationale Kunstausstellung von 1901 zu durchwandern
und sich vor allem beim Betreten der grossen, von dem begabten Architekten
Kreis feinsinnig dekorierten Halle zu überzeugen, dass Albert Bartholomös
„Denkmal für die Toten“, das im Original den Pariser Pere Lachaise schmückt,
hier zu einer Wirkung gelangt, welche derjenigen an ihrem Bestimmungsort
völlig gleichkommt, ja durch die Würde des Festsaales noch erhöht wird.
Die Farbenstimmung und Beleuchtung des Raumes ist vortrefflich für die Skulp-
turen, während das obere Seitenlicht auf die Gemälde, besonders Cottets
„Johannistag“ nicht günstig wirkt; indessen die meisten anderen Säle des Dres-
dener Gebäudes haben gutes Licht und die unermüdlich arbeitende Ausstellungs-
kommission liess es sich angelegen sein, der ganzen Sache nicht nur einen guten
Rahmen, sondern vor allem einen Inhalt zu geben, der Dresdens jungen Ruhm,
eine der interessantesten Kunstausstellungsstädte zu sein, glänzend befestigt.

Jene kalten Wintermonate, die in unserem Klima diesmal dem Lenz nach-
drücklicher als sonst vorangingen, fanden den Präsidenten der Ausstellung
Gotthardt Kuehl und seinen treuen Adjutanten, Professor Kiessling, schon
am frühen Morgen am Werk; Pelz und Filzstiefel waren nötig, um den äusseren
Menschen zu wärmen und als eine Ruhepause galt es Beiden, wenn sie den
lauten, staubigen Sälen den Rücken kehrend, draussen über Maasse und An-
ordnungen disputieren konnten. Dass der Geschäftsführer, Kgl. Kommissions-Rat
Hermann Paulus, ein begabter Bruder des bekannten bayrischen Hofrat Paulus
ist, dem die Münchner Ausstellungen so viel verdanken, hat Professor Kuehl
rechtzeitig erkannt; er veranlasste 1894 Hermann Paulus nach Dresden zu
kommen und fand an ihm einen thätigen Helfer bei den Kunstausstellungen, die
für Sachsens Hauptstadt epochemachend wurden.

Dass Kuehls Anregungen in erster Linie der Aufschwung zu danken ist,
welchen Dresden als Kunstausstellungsstadt in den letzten Jahren genommen
hat, ist unbestreitbar. Bis Prell, Kuehl, Wallot in Dresden heimisch wurden,
kam Elbflorenz als Ausstellungsplatz für moderne Kunst kaum in Betracht, erst
diese Künstler fanden das rechte Wort, begeistert schlossen sich ihnen andere
schaffende Künstler an, und die Kunstgelehrten, denen Kunstpflege Beruf und
Pflicht ist, waren einsichtsvoll genug, nach besten Kräften mitzuhelfen.

Kuehls Idee, Werke von alten Meistern und lebenden Porträtisten aller
Nationen zum Wettstreit in der Rotunde der Wallotschen Säulenhalle zu ver-
einen, hat ein neues fesselndes Motiv in das Einerlei des Ausstellungsplanes
gebracht. Dieser Saal
ist der „clou“ der
Ausstellung, unsere
Abbildung öffnet
einen Blick auf die
Porträtgalerie, in
deren Vordergrund
MaxKlingers flotte,
farbige Marmorbüste
der Schriftstellerin
Asenijeff steht.

Velasquez,Rem-
brandt, Van Dyck
sind hier die Nach-
baren vonLenbach,

Watts, Carriere,

Lavery, Shannon,

Kalkreuth, Kiess-
ling,Bonnat,Uhde,

Zuloaga, Björk,

Edelfelt, Colum-
bano, Hugo Vogel
etc. und es ist merk-
würdig, zu sehen,
dass alle Unter-
schiede, welche Jahr-
hundert undRichtung
geben, als etwas
durchaus Nebensäch-
liches zurücktreten
vor der einfachen
künstlerischen Wie-
dergabe der Persön-
lichkeit ; nicht die raffi-

[Nachdruck verboten.]

nierteste Technik, nicht das graziöse Spiel mit Licht und Farbe blendet hier,
wo eine Wendung des Blicks den Vergleich mit dem Besten bietet: die durch-
geistigte Natur trägt allein den Sieg davon; dass ihre Wiedergabe das grösst-
möglichste technische Können bedingt, ist selbstverständlich. Eine halbe Stunde
vor diesen Meisterwerken bereitet hohen Genuss und giebt den Schlüssel zum
rechten Verstehen und Würdigen unserer Kunst von heute. Was das Porträt
im Kunstschaffen bedeuten, welche vornehme Note es von rechtswegen be-
anspruchen sollte und leider jetzt so selten erhält, dass beweist diese Darbietung
aufs eindringlichste.

Dass die Plastik des In- und Auslandes in der grossen Halle trefflich zur
Geltung gelangt, erwähnte ich schon. Neben Bartholomös gedankenreichen
edlem Grabmonument tritt vor allem Rodin mit seinen geistreichen Improvisa-
tionen hervor, weniger bekannt ist Jean Carriös, dessen Sonderausstellung
ihn als einen Meister erkennen lässt, welcher durch sein Material: Steingut, von
neuem beweist, das nur das „Wie“, nicht das „Was“ bei rechter Kunst den
Ausschlag giebt. Die Franzosen Frdmict, Carabin, Charpentier, Riviere
sind ebenso wie die Belgier Meunier, Charlier, Dubois charakteristisch ver-
treten; der Finländer Valgren, der Russe Troubetzkoy haben ebenfalls inter-
essante Sonderausstellungen. Die deutsche Plastik weist manches Gute auf, die
jungen Dresdener Pöppelmann und Selmar Werner zeigen, dass ihr Weg
aufwärts führt; Heising, der Berliner, hat mit seiner ergreifenden Bronzegruppe
„der verlorene Sohn“ die höchste Auszeichnung errungen. Baumbach, der
Schöpfer des König Albrecht-Denkmals, sandte ein tüchtiges Porträt des Herrschers
und der Italiener Canonica eine Büste der Herzogin von Sachsen, voll inten-
siven Lebensgefühls. Maison, Hahn und Netzer von München sind durch be-
achtenswerte Skulpturen vertreten. Professor Prell hat, veranlasst durch sein
ernstes Erfassen der Raumkunst, zwei Figuren: Prometheus und Aphrodite, ge-
schaffen, die auch in der Verkleinerung geniales Können dokumentieren.

Vortrefflich ist die Beschickung der Schwärz-Weiss-Kunst: Menzel,
Leibi, Liebermann, Greiner und Orlick weisen ihre Hand in bedeutungs-
vollster Weise und Klingers letzte Arbeiten zwingen den Besucher zum Still-
stehen; Köpping beweist wieder, dass er meisterhaft die grossen Alten nach-
zubilden versteht. Auch Anders Zorn und Whistler heben durch ihre
Leistungen diese feine graphische Abteilung.

Die originellen Einbauten, welche das Kunstgewerbe beherbergen, werden
den Kunstfreunden, die Paris und Berlin kennen, ausser trefflichen Zimmer-
einrichtungen von Otto Gussmann, sowie den „Werkstätten für Handwerk-
kunst in Dresden“ wenig Gutes und Neues bieten.

Das „Was sagen Sie zu Simons Cirkus?“ welches mir Verschiedene in
Dresden zuerst entgegenriefen, können unsere Leser in nächster Zeit beantworten,

da der Künstler uns
die farbige Wieder-
gabe seines Meister-
werkes , dessen Le-
benswahrheit jeden
überrascht, gestattet
hat. Jedenfalls war
dies französische Mei-
sterwerk in Dresden
nie ohne Bewunderer.
Die intimen Land-
schaften der Schotten,
Watts idealgestimm-
ter „Jakob und Esau“,
LaTouches „Weih-
nachten“, Gari Mel-
chers und des Ame-
rikaner Stewart
feine Arbeiten,
Schönlebers frisch
empfundenes „Hoch-
wasser“ und manche
andere Perle deut-
scher und ausländi-
scher Malerei haben
in den Kabinetten
zur Rechten und
Linken von Wallots
schöner Säulenhalle
den wirksamsten
Rahmen gefunden.

Im Saal der Wi e n e r
herrscht Raumüppig-
keit, Klimts viel-

Von der Dresdener Kunstausstellung: Porträt-Galerie.
 
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