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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Torn, Teo: Assessor Delorges: Humoreske
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0332

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i55

Assessor

elorges.

Humoreske von Teo von Torn.

,ie können aber grossartig laufen, Herr von Weltzow —“

„Nicht wahr?. Und die Angst beflügelt den eilenden Fuss!

Uebrigens haben Sie mich doch um verschiedene Nasenlängen geschlagen,
mein gnädiges Fräulein!“

Ada Berghoff verzog den Mund zu einem verächtlichen Lächeln und zuckte
die Achseln. Dabei ordnete sie mit beiden Händen an dem wuchtigen braunen
Haarknoten, welcher sich bei der eiligen Flucht vor dem auf der Wiese
stampfenden Ungetüm stark verschoben und gelockert hatte. Während sie auf

[Nachdruck verboten.]

Damit liess er sich gemächlich neben dem
jungen Mädchen nieder, welches ostentativ von ihm
abrückte und mit beiden Händen an dem dürren
Grase zupfte, das den Feldrain überwucherte. Das
nahm sich schrecklich nervös aus —
aber Klaus von Weltzow folgte diesen
heftigen
Bewe-

E. Faurel: Barrys Tod.

“Vor-

dem Rande des Feld-
grabens ausruhte, lehnte
der Assessor Klaus von Weltzow an
dem' aus kräftigen Buchenästen ge-
zimmerten Gitterzaun und verfolgte
mit Spannung, wie der Stier sich zu dem rot-
bebänderten Strohhut stellte, den der Assessor bei
der grossen Retirade verloren hatte.

Weltzow klemmte sein Monocle ein und neigte den Kopf auf '
die Seite — wie ein Preisrichter, welcher ernst und gewissen-
haft die Chancen eines Ringkampfes taxirt.

„Es hat den Anschein, als wenn das Tierchen meinen Chapeau überhaupt
nicht annehmen wollte,“ bemerkte er interessiert, „was meinen Sie, gnädiges

Fräulein-da, sehen Sie, es erweist ihm lediglich eine Reverenz — wie

dem Hut des Landvogts — —“

„Ich bin der Meinung, dass Sie dem Tier sehr verächtlich Vorkommen.“

„Hm — allerdings; es macht so runde, herausfordernde Augen, als wenn es
sagen wollte: Kommen Sie mal hier ein bischen her, meine Herrschaften! Wissen
Sie — ich bin aber nicht dafür, dass wir der freundlichen Einladung Folge leisten.“

----- J gungen mit einer Ruhe, als handelte es sich

um ein kleines Frühstück für den schnaubenden
Beherrscher der Wiese, welcher eben — mehr aus Unachtsamkeit wie Böswillig-
keit — dem Strohhut den Boden durchgetreten hatte.

Der Assessor bemerkte dieses Faktum mit einem langgezogenen be-
dauernden O-h!

„Nun ist er hin — er hat ihn durchgerissen, er liegt zu seinen Füssen, als
wär’s ein Stück von mir. Sehen Sie, mein gnädiges Fräulein,“ fügte er philo-
sophisch hinzu, „das wäre wahrscheinlich auch unser Schicksal, wenn wir in
dem Greifenspiel mit dem munteren Wiederkäuer minder behende gewesen wären.“

Ada Berghoff zuckte abermals die Achseln. Der überlegene Ton dieses
Menschen, den er anscheinend in allen Situationen beibehielt, reizte sie maasslos.
Es waren kaum vierzehn Tage her, dass der Zufall sie in dieser Sommerfrische
zusammengeführt — und kein Tag verging, ohne dass sie sich über ihn zu
ärgern gehabt. Er schien es direkt darauf anzulegen, sie zu reizen und sich ihr,
in aller formellen Liebenswürdigkeit, von der unsympathischsten Seite zu zeigen.
Und das war Ada Berghoff nicht gewohnt. Die einzige Tochter des bekannten
Millionärs und Grossindustriellen hatte, trotz ihrer noch nicht ganz vollendeten
achtzehn Jahre, bereits die feste Ueberzeugung, dass sämtliche Männer zwischen
zwanzig und vierzig die Pflicht hatten, ihr gegenüber so „nett“ zu sein, wie sie
nur konnten. Und nun gar ein Mensch, wegen dessen sie heute, wie schon
 
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