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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Unsere Bilder, [1]
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Lohmeyer, Julius: Alpenglühen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0053

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24

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jßi\s schüchternes Knäblein hat W.Bouguereau den Amor auf seinem Bilde,
„Der bewunderte Amor“, dargestellt. Noch weiss er nicht recht mit seinem
Pfeil zu hantieren und möchte ihn am liebsten aus der Hand legen. Seine kind-
liche Schüchternheit erregt das Entzücken der holden Frauen, die ihn betrachten,
jede möchte an sich die selige Wirkung seines Liebespfeiles so gern erfahren,
aber den Zögernden kann zunächst noch auch die herrlichste weibliche Anmut
und Schönheit nicht zum Schüsse bewegen. Dem berühmten französischen
Maler hat dieser Vorwurf Gelegenheit gegeben, eine kleine Schar der schönsten
weiblichen Körper und anmutigsten Köpfe auf die Leinewand zu zaubern.

^jpie Gestalt der „heiligen Cäcilia“ hat seit langer Zeit die Künstler
angeregt. Dass auch noch heutigen Tages erste Künstler sich für die zarte Inner-
lichkeit, welche die Gestalt der Cäcilia umhüllt, begeistern können, beweist
F. Kellers idealschönes Bild. Das Rührende, Innerliche, Elegische, unendlich
Sympathische, was die heilige Cäcilia, die zugleich als Schutzpatronin der Musik
und als christliche Märtyrerin gedacht wird, zur Verkörperung bringen soll, ist
dem Künstler auf das Vorzüglichste gelungen. — Auch der Mythos von der
„Danae“, die von Zeus in Gestalt eines goldenen Regens besucht wurde, hat
die Künstler fast zu allen Zeiten interessiert; die erste Darstellung findet sich auf
einem Mischkrug aus Cäre aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. und seitdem hat jedes
Jahrhundert die Scene aufs neue in erneuter Auffassung dargestellt. Wir bringen
in diesem Hefte den berühmten Goldregen in der Auffassung A. Schrams, eines
modernen Malers, die ohne Zweifel das Interesse unserer Leser erregen wird.

* ( *

öSiiu-ii ganz besonders interessanten Eindruck von dem internationalen Ge-
triebe an der Strasse der Nationen auf der Pariser Ausstellung giebt E. Cucuels
brillantes Bild. Wir befinden uns „vor dem österreichischen Pavillon“
und können einen Blick thun in das Völkergewimmel, das aus aller Herren
Länder zusammengeströmt ist. Ganz links in die Enge geraten ist der Chinese;
neben ihm steht ein hagerer Engländer; beide werden von einem grossen
französischen Dragoner fast verdeckt. Neben dem jungen Engländer,
der sich durch die Ausstellung fahren lässt, wandelt eine sehr anmutige
Rumänin, hinter ihr schaut ein Türke lustig blinzelnd vor sich hin, während
das kleine Mädchen auf dem Arme ihrer bretonischen Amme ihn ängstlich
betrachtet. WTeiter nach rechts zu sehen wir einen französischen Abbe neben
einem Anamiten. In der Mitte wandelt leichten Schrittes ein schmucker
Indier neben einer bildschönen Tunesierin, welche die wenig elegante,
ins Studium der Kunstgeschichte versunkene deutsche Lehrerin fast be-
dauernd betrachtet. Der mit dem Fez geschmückte Abessinier blickt auf den
Strom, während der österreichische Maler scharfen Auges die Menge be-
obachtet. Ganz rechts sitzen elegante Amerikanerinnen und Französinnen.

Bild er.

<W Rau: „Almenrausch und Edelweiss“. Der Sepp vom Soyerhof
ist nicht nur ein reicher Bauernsohn, sondern durch und durch ein „sakrischer
Bua“, der nur den Finger auszustrecken brauchte und flugs hing ihm ein halbes
Dutzend der schönsten Deandeln daran. Aber sonderbar! Bis jetzt ist er immer
noch nicht dazu gekommen, vorläufig gefällt ihm das Ledigsein recht gut. Da
steigt er einmal in der Herrgottsfrüh auf und will nach dem Jungvieh auf der
Alm schauen. Ein leichter Wind geht abwärts — vom Berge her tönt das Ge-
läute der weidenden Tiere — ein Rehbock mit seiner Gais äst am Waldrande
und thut als ob er ihn garnicht sehe — im Buschwerk und im Baumgeäste
zwitschern und singen die kleinen Vögel und halten sich paarweise zusammen
— hoch über dem einsamen Wanderer kreisen zwei Raubvögel. Wie der Sepp
das alles so sieht, beginnt er nachdenklich zu werden, was bei ihm nicht gar
zu oft vorkommt. „Alles thut sich paarweis z’samm!“ murmelt er vor sich hin.
„Muss halt doch d’ Natur net aufs Alleinigsein eing’richt sein. Auf was wart
denn ich eigentlich mit dem Heirat'n!“ fuhr er fort. „Ja, ja. Wenn ich halt
nur grad wüsst, welche?“ Und weil er so sinnierte, hatte er garnicht bemerkt,
dass auf einem Nebenwege ihm zwei lebfrische Deandeln entgegengekommen
waren, die eine blauäugig und blond, die andere schwarzhaarig mit ganz
wunderschönen grauen Augen. Sie thun erschrocken und schreien: „Jessas
der Sepp! Wie kommt denn der daher?“ Aber stehen bleiben’s, lachen und
plauschen, foppen den überraschten Burschen mit seiner Blindheit und bevor
sie wieder auseinandergeh’n, giebt ihm die Vroni ein Sträusserl Almenrausch
und die Anna ein Büscherl Edelweiss. Das kann er auf den Hut stecken,
wenn er mag und für den Fall er einmal einen Schatz hätt, soll er’s ihm
geben, sagen sie dabei und beide machen G’sichteln dazu, als ob’s die
Sträusserln recht gern wieder bekommen hätten. Der Sepp steckt die Blümeln
richtig auf sein grünes Hütl, dann gehen sie wieder auseinander. An einer
Wegbiegung bleibt er aber stehen, schaut den Deandeln nach, nimmt das Hütl
ab, betracht sich die Bleameln, dann kratzt er sich hinter dem Ohr und sagt
vor sich hin: „Hätt jetzt mir net bloss oane von dene zwoa begegna könna?
Sakra! Sakra! Dass ei’m die Wahl gar so schwer g’macht wird!“ A. O.

<^. Cucuel: „Das neueste Couplet“. Wenn die Gnädige vielleicht
denkt, sie kennt den neuesten Coupletrefrain allein, dann täuscht sie sich. Dass
der gnädige Herr gestern eine neue Walze für den Phonographen brachte, hat
Friedrich, der Kammerdiener, gleich gesehen und da sich die schlanke Lisbeth
so sehr für die „göttliche Musik“ interessiert, hat er die Sache in ihrer Gegen-
wart mal schnell probiert. Nun sitzt sie da und lacht, denn er klingt wirklich
urfidel, der holde Sang. Wenn heute Abend der lange Unteroffizier kommt, soll er
ihn hören und sich wundern, dass man bei Barons in der Küche schon das singt,
was die Kameraden gestern als das Allerneuste in der Kaserne gepfiffen haben!

lpenglühen.

Roman von Julius Lohmeyer.

[Fortsetzung.] -

Ue letzte Glutspur verglomm, und fast ohne Uebergang legte sich graues
“IS1 Schweigen über das ganze Alpenpanorama. Der Professor trat mit be-
scheidener Verneigung auf den Rat und seine Nichte zu. Er fühlte sich vor Ediths
Schönheit unsicher, fast befangen.

„O, ich vergass, verzeihen Sie! Professor Richard Ruthard aus Berlin,“
stellte der Rat verbindlich vor, „meine Nichte Edith Burges.“

Edith sah mit dem Ausdruck verlegener Frage und des Erstaunens bald
den Künstler, bald den Onkel an und wandte sich dann halb flüsternd an diesen:
„Der berühmte Bildhauer?“

„Ja, ja, sieh Dir nur den berühmten Mann genauer an,“ lachte der Rat.

„Ich bitte Sie —“ wehrte Ruthard ruhig lächend ab.

„Sie sind Richard Ruthard? Ich muss es wohl glauben,“ wandte sich
jetzt Edith, den Zeigefinger verlegen an der Lippe haltend, dem Professor mit
offenem Erstaunen zu. Ruthard musste sich sagen, dass er kaum je in glänzendere
und aufrichtigere Augen geschaut hätte.

„Ja“, spottete der Rat gutmütig dem Prdfessor zu, „da haben Sie mit einem
richtigen Berühmtheitsfex zu thun. Hüten Sie sich nur.“

„Aber Onkel! — Fürchten Sie nichts, Herr Professor!“ bat Edith, mit
scheuen und bewundernden Blicken ihn betrachtend.

„Ich fürchte mich wahrhaftig nicht,“ lachte der Professor.

„Es ist wahr, ich bewundere Menschen, die Aussergewöhnliches leisten. Ich
besitze auch Photographien von einigen Ihrer Werke,“ setzte sie errötend hinzu.

„Und von welchen, wenn ich fragen darf?“ — „O, von Ihrer Vestalin und
dem Bacchus-Fries.“

„Ich habe nichts Besseres geschaffen.“—»„Hörtest Du, Onkel?“ rief Edith erfreut.

Der Rat nickte mit ironischer Genugthuung, aber nicht gerade überrascht,
und begrüsste zu gleicher Zeit die alte englische Generalin, die, von ihrem
Wachtelhündchen gefolgt, die Iloteltreppe niederstieg und auf ihn zulenkte.

- [Nachdruck verboten.]

„A, meine verehrte Mrs. Anwals, Erlauben Sie mir, Ihnen Herrn Professor
Ruthard aus Berlin vorzustellen.“

„O, wir kennen uns schon,“ gab die Alte mit wohlwollendem Nicken zurück.
„Sie leben schon lange in Berlin?“ fragte dazwischen Edith den Professor.
„Seit meiner Studienzeit, mein Fräulein.“

„Wie muss doch eineifi Manne zu Mute sein, den man überall kennt und
verehrt!“ rief sie in offenem Enthusiasmus.

„Das weiss ich allerdings nicht, mein Fräulein. Wer kennt sich in einer
Weltstadt?“ — „Aber ich denke — doch die Gebildeten.“

„Da legen Sie doch zu sehr den Maassstab Ihrer heimatlichen Umgebung an
die Grossstadt. Ich lebe bereits fünfzehn Jahre in Berlin, und glauben Sie mir,
mein Fräulein, ich kann oft den ganzen Tag in Geschäften die Strassen durch-
streifen, ohne auch nur einer mir bekannten Persönlichkeit dabei zu begegnen.“
„Allerdings — das konnte ich mir nicht vorstellen.“

„Ja, alle diese ungekannten Hunderttausende, die an uns vorüberrauschen,
hätten ebenso gut tausend Jahre vor wie nach uns gelebt haben können, so
wenig Verhältnis haben wir zu ihnen.“

„Ha! Wie kalt und fremd das alles klingt! — Aber mit Ihren Kunst-
genossen stehen Sie doch in einem Verhältnis?“ — „Kaum.“

„Aber Sie kennen doch Meister wie Begas, Siemering, Herter, Schaper?“
„O, diese Künstler sind mir zum Teil befreundet.“

„Was!“ rief Edith, von dieser Berührung freudigst überrascht, „Wie? auch
Menzel, auch Knauss, Meyerheim kennen Sie?“ — „Oh, sehr wohl.“

Fast ein unterdrücktes Jauchzen kam von ihren Lippen; der Ausdruck ihrer
Augen nahm etwas Strahlendes an, als sie weiter forschte:

„Wie, auch Joachim?“ — „Allerdings.“

„Und sie verkehren mit diesen Meistern?“ frug sie fast atemlos.
„Verkehren? Wir sehen uns. Dass heisst einigemal im Jahre. Vielleicht
 
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