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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Lohmeyer, Julius: Alpenglühen, [2]
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Dincklage-Campe, Friedrich von: Wie fährt unser Kaiser?, [1]: Eine Wanderung durch den Fahrstall
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0055

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MODERNE KUNST.

MODERNE KUNST.

27

rasche Schimmel werden sichtbar,
tresse um den Hut, ein Jäger
dem Federbusche. ^—

Mund zu

mel! . M ' ...

ein Kutscher mit breiter Adler-
daneben mit grünem, wallen-
„Es ist der Kaiser!“ gehts von
Munde, „es sind die Schim-
— die Kaiserin fährt mit
\ Rappen!“ O, die Berliner

\ kennen das! Alles drängt

|lf\ sich vor — hier und
\ da noch ein rascher
’ \ Griff zum Ordnen des
\ Hutbandes, ein Blick
\ auf die Aermel oder

\ auf den Sitz des
\ Cape — so was

Sk ist ja begreiflich.

; \ Welche Berli-
\ nerin möchte
\ nicht mög-
. < &*\ liehst ge-

Natur. Die Wissenschaften machten ihm im Gegenteil wenig Spass. Aber alles
an ihm ist klar, stark, einfach,“ fügte er mit offenem Vaterstolz hinzu, „alles
gesund und wahr. Er ist eine wurzelechte westfälische Bauernnatur von derbster
Germanenart.“

Ein zufriedener Blick aus seinen klugen Augen ruhte dabei auf Edith, die,
vor sich niederschauend, schwieg, aber in Blick und Haltung jede Aeusserung
des Onkels freudig zu bestätigen schien.

Ruthard musste eben mit guter Miene diese Flutwelle
überschwänglichen Familienenthusiasmus über sich er-

gehen lassen, wobei ihm zugleich das fröhliche, i«BBSIrmilk

nickende Blickespiel zwischen Onkel
und Nichte, das ein Geheimnis
zu verbergen schien,

•« .-ff-;

nicht entging. —

Der Alte, auf dessen Gesicht sich gespannte und zugleich freudige Erwar-
tung spiegelte, hatte sich die Brille aufgesetzt und vertiefte sich eifrig in die
Zeilen des Sohnes. Edith, die aufgesprungen war und den Arm um die Schulter
des Onkels gelegt hatte, neigte sich über diese in das Schreiben.

„Er kommt! Wahrhaftig, er kommt!“ rief sie jetzt, alles um sich her ver-
gessend, und las gespannten Eifers weiter. Der Alte nickte fröhlich zu den
Nachrichten.

„Mein Sohn meldet seine Ankunft an,“ erklärte er dem Professor höflich
mit einem kurzen Aufblick und dem offenen Ausdruck stolzer Vatergenugthuung:
„Sie entschuldigen wohl?“ — „Bitte, ganz ungeniert.“

„Also in sechs Tagen,“ schloss der Rat befriedigt. Edith klatschte fröhlich
in die Hände.

„Otto besucht noch vorher einen Vetter in Frankfurt,“ erklärte der Rat,
indem er den Brief sorgsam zusammenfaltete und in die Tasche gleiten liess.

„Ihr Herr Sohn will Sie hier aufsuchen?“

„Das wohl nicht. Wir werden ihm nach Brunnen entgegengehen,“ ant-
wortete der Rat. „Mein Sohn hat als Reserveleutnant eben seine jährliche
Uebung in Koblenz beendet und kommt nun für eine Woche nach der Schweiz,
die er übrigens noch nicht kennt. Wir wollen mit ihm von Brunnen aus dann
die üblichen Ausflüge um den Vierwaldstätter machen.“

Ruthard nickte und berechnete im Stillen eiligst, wie lange er
somit noch auf Ediths Gegenwart würde rechnen können. ffi&i

Edith aber schaute so glückbefangen und mit
einem Ausdruck vor sich nieder, als hätte
sie grosse Mühe, ein aufwallendes

A. Stock: Gängeln einer Remonte.

Es war etwas in diesen neugierigen Kinderaugen, das ihn an das Rührendste
in seiner Melitta Wesen erinnerte, das ihn an ihr so tief beglückt hatte. Im
übrigen aber fühlte er durch diese „Episode“ das stolze Gebäude seiner sich
auferlegten Weltflucht und Menschenverachtung in keiner Weise erschüttert.

Edith hatte, was ihr nie geschah, einige Stunden in der Nacht schlaflos ge-
legen. Fs konnte ihr nicht entgehen, welchen Eindruck sie auf den grossen
Künstlet machte. Wie er an ihren Worten hing, nach ihrem Lachen haschte.
Ein Mann, ein Künstler auf seiner Lebenshöhe, von allem Ruhm und Glanz der
Welt umgeben, bemühte sich um sie. Aus seinen Worten trat ihr eine fremde
Welt entgegen. Sie fühlte, etwas ganz Neues war seit gestern in ihr Leben getreten,
das sie stets unbestimmt ersehnt hatte, ein Aufschwung in jene Sphären des künstle-
rischen Schaffens, Könnens, Wissens, denen sie bisher immer fern bleiben musste.

Ruthard wurde ungeduldig und nervös. Er fragte den Portier schon
zum zweitenmale, ob er die Herrschaften noch nicht bemerkt habe? „

Endlich erschien Edith auf der Schwelle des Hotels,
an der Seite des Onkels, der mit lebhafter Hand-
nach den strahlenden Firnen hin-

sckmückt er-
scheinen, wenn

„der Kaiser kommt! “ Gehts
uns Männern anders? Auch wir
nehmen die Absätze aneinander und machen
den Rücken gerade, — selbst wenn er für alltags
schon anfängt, etwas nachzugeben unter der Last der Jahre,
nellsten Tempo naht der offene Wagen — ein Hurrah, Hüte-
und schon ist er vorüber. Der freundliche Gruss, das Lächeln
ernsten Männerantlitz des Monarchen — das galt allen, die
td alle nehmen ihren Anteil gewiss in Anspruch. Jetzt aber
Unterhaltung in der weiterströmenden Menge,
ie ungarischen Schimmel! Und auf dem Bocke sass der
y — Janosch — des Kaisers Leibkutscher.“
limmelzüge sind doch aus Ungarn! — andere Schimmel
erhaupt nicht!“ antwortet ein zweiter mit der Uebcrlegen-
en. — Ja, die Berliner kennen das. Sie wissen, dass die
illpferde Rappen sind, dass Ihre Majestät nur mit solchen
/icrerzuge der Kaiserin 2 Spitzreiter voraus reiten, während
ichkeiten nur ein solcher Reiter gebührt. Sie wissen auch,
urtresse 11m den Hut des Kutschers auf die fürstliche Stellung
enden schliessen lässt, wissen, dass in blau lackierten
bgesetzten Wagen nur die Mitglieder des Kaiserhauses

bewegung
überwies, und schwebte im hellen
Sommerkleide,
der Lichtfülle des
Morgens

wie von

f "• Rat schlug den

,<jßggZ’- schmalen Fusspfad ein,

der von dem Hotel aus an dem
malerisch gelegenen Holzkirchlein des
^ Ortes vorüberführte. Es war ein lichttrunkenes

Schreiten über die sanft aufsteigenden Matten hinauf.

„Nun müssen Sie mir aber auch von Ihren grossen Arbeiten
erzählen,“ wandte sich Edith nach einiger Zeit mit eifernder Ungeduld,
und als schwebte diese Frage schon seit gestern auf ihren Lippen, dem
Künstler wieder zu.

„Grosse Arbeiten? O, mein Fräulein, Tagesarb
Kompromisse mit der Thorheit der Besteller, bei dene
herabgedrückt, eingeschränkt und gebrochen wird, da
„Ja, das ist das Leben; wem geht es nicht so?“
hin. Er hatte dabei seine Flechten-M
dunkle Usnee zwischen die Bogen,
ab und nahm so an der Unterhaitun:

durch-
schauert
und getra-
die Stu-

gen

fen hernieder. W.|.|j|'MHBPjägf

Jetzt trat auch 'Sjg

Ruthard unter

den Bäumen her-

vor und begrüsste \ „ !ä

das Paar. Edith

dankte errötend. — Vgl

Das Frühstück stand vSc

schon lange auf der

Terrasse angerichtet.

Man nahm gemeinschaft- vjjf
lieh Platz. — „Was für W'
eingoldenerTag!“ jauchzte \
Edith Ruthard zu. „Ist es \
■nicht, als könnte man in \
Himmel greifen?“—„Ich hatte lj
ersten Hinaustreten das gleiche ¥
Professor bei. „Die Firnen er-
ich sie nie gesehen,“ fügte

heiter

K uncj wie ergän-

zend, und deutete dabei
lächelnd auf seine Nichte, die
jgpF*'4"’ ihm eben den Kaffee einschenkte, „die

—beiden sind von Kindesbeinen an — täglichen
Zank und Streit natürlich abgerechnet, — allzeit gute
Kameraden gewesen.“

Er leerte seine Tasse und rief, nun rasch aufstehend: „Nun aber,

Herrschaften, an die Gewehre! Der Tag wird recht heiss werden; es

[Fortsetzung folgt.]

unser

Eine Wanderung durch den Fahrstall

Von F. Frhr. von Dincklage.

--- " [Nachdruckverboten.]

YV/enn auf der Strasse unter den Linden die Schutzleute sämtlich erwartungs-
voll den Blick nach Osten wenden und die auf dem Asphaltdamm, langsam
dahinschleichenden „zweiterGüte“ zum Rechtsfahren anmuntern, wenn dieSchuster-
jungen im Mittelwege Posto fassen und wenn von Minute zu Minute der Bürgersteig
sich mein und mehr mit Menschen füllt, dann kann man sich sicher darauf verlassen,
dass auf die Frage: „Was ist los?“ die Antwort folgt: „Der Kaiser kommt!“
Wann? das ist fraglich, übrigens dem Berliner auch egal, er wartet! Der Berliner
liebt den Kaiser mit einer gewissen Kordialität. so als ob er ein „r

meine

heisst also bald aufbrechen.“

„Wo ist Ihr Herr Sohn ansässig?“ fragte der Professor gedehnt, und um
doch etwas zu sagen, sich gleichfalls erhebend.

„In dem gesegneten llinterpommern,“ erwiderte der Rat, die Frage mit
Wärme aufnehmend. „Er hat dort vor zwei Jahren ein kleines Gut gekauft,
und es scheint in der That ein recht glücklicher Kauf gewesen zu sein.“

„So, so — er ist Landmann!“

„Wohl, und ich habe Freude an seinem Stande und Besitz. So fest auf
seiner Scholle stehen, so Eins in Freud und Leid mit dem Grund und Boden
sein, war mir stets als etwas besonders Lebenswertes erschienen. Auch ich
stamme aus einem Bauernhause. Und merkwürdig, je mehr sich unsereins in
all die Ueberkultur und Uebergeistigkeit hineinspintisiert hat, je mehr hat man
seine Lust daran, seine Kinder wieder zu schlichten, natürlichen Lebensverhält-
nissen zurückkehren zu sehen. Otto ist dazu so ganz und gar keine litterarische

wie

„Nicht wahr, es ist, als zöge es einen ordentlich empor“ rief Edith!

„Den Tag habe ich vorausgesagt,“ nickte der Onkel befriedigt.

Der Oberkellner legte die angekommenen Briefschaften vor jeden der
Fremden auf den Tisch. Freudig fasste der Alte sogleich nach einem Couvert,
dessen Adresse die Schriftzüge einer ziemlich ungefügen Hand zeigte.

„O, von Otto!“ jubelte Edith auf und stellte sich ungeduldig hinter den Onkel.

Unvermerkt schob Ruthard ein rosafarbenes Couvert in seine Brieftasche
und befahl dem Kellner — heute zum erstenmale — die Zeitschriften „auf sein
Zimmer zu bringen.“

A. Stöck: Ballspiel zu Pferd.
 
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