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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Détschy, Serafine: Kreuzwege, [8]: Roman aus der Bühnenwelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0246

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I IO

MODERNE KUNST.

Frühling: Sommer: Herbst: Winter:

Elsa Striho. Alice Csendes. llonka Garai. Gisela Batizfalvi.

Die vier Jahreszeiten.

Photographische Komposition von Mertens & Comp., k. u. k. Ilofphotogr. in Budapest

Kreuzwege.

<*8°

Roman aus der Bühnenwelt von Serafine Detschy.

[Fortsetzung.] --

[Nachdruck verboten.]


oeh Graf Liebenfels war bemerkt worden, denn in X. blieb
nichts unbeobachtet, und bald sprach man von diesem aus-
zeichnenden Besuche im Hause der Künstlerin.

'«SB-- Nur einer schwieg und presste die Lippen fest aufeinander,

oder verliess wohl auch plötzlich das Zimmer, wenn Schwester und Mutter
diese besondere Auszeichnung hervorhoben.

So war endlich der langvorhergesehene Abend herangekommen, an
welchem die Künstlerin in der Soiree des Hofmarschall der Prinzessin
Waldemar vorgestellt werden sollte. Das Repertoire war günstig, es
stand ein Schauspiel für diesen Abend auf dem Zettel.

Mittags zwei Uhr erschien das Faktotum des Intendanten, der Theater-
diener Brauneberger, plötzlich unheildrohend bei der Sängerin und kündigte
ihr mit betrübt nach links geneigtem Kopfe an, dass „bedauerlicher Weis
und ganz gege alle Dispositschione des „Geheime“, im Schauspiel heute
ein Krankheitsfall ei’getrete sei, der ’s unumgänglich nötig mach’, dass
heut Abend Wagner-Oper sei —und zwar Lohegrin, was z’letscht g’wese
sei und daher am Feschteste „steht“ — auch sei d’ Fräule Sendig arg
verschnupft und heiser“, setzte er mit spitzbübischem Schmunzeln
hinzu, mit den listigen Aeuglein die Sängerin anblinzelnd, die zu seiner
nicht geringen Verblüffung diese Nachricht mit vollständiger Seelenruhe
und einem lächelnden: „Es ist gut, Brauneberger — ich singe“ aufnahm
und ihn ganz verdutzt entliess.

Er war auf ein Aufbrausen und auf Schwierigkeiten, sogar auf eine
akute Heiserkeit der Diva gefasst gewesen, aber auf diesen Empfang und
dieses bereitwillige: „Es ist gut, ich singe“, ganz und gar nicht. Sollte

sich der „Geheime“ geirrt haben und war Fräulein Dereny am Ende
heute gar nicht bei „Hofmarschalls“ geladen?

Kopfschüttelnd berichtete er alles im Bureau.

Und wirklich. Die Künstlerin sang ihre Elsa schöner und glocken-
reiner denn je, und Prinzessin Waldemar sass in der Loge und lauschte
bis zur letzten Note.

Aber als der Vorhang gefallen war, begann in dem heissen engen
Raume des Ankleidezimmers der Künstlerin ein stummes Rasen. Nur

25 Minuten nach der Vorstellung durften die elektrischen Lichter brennen,
dann stoppte die Maschine und der ganze Theaterbau lag im Dunkeln.
So war das Hausgesetz. Das wusste Sarolta. Ein Nachhausefahren aber,
um dort Toilette für die Soiree zu machen, würde sie eine halbe Stunde
Zeit und den Aufenthalt des zweimaligen An- und Ausziehens gekostet
habeai. Es galt, in 25 Minuten frisiert und in Hoftoilette zu sein!

Das Eisen zischte in den feuchten Strähnen des Haares, das Schmink-
tuch wischte von dem in Erregung glühenden Antlitz, mit Hilfe des
duftenden Cold-creams, die letzten Spuren der Fettschminke weg, die
Puderquaste stäubte veilchenduftiges Puder auf den erhitzten Teint. In-
dessen stach die Friseuse unbarmherzig auf die Kopfhaut der Gemarterten
los. Zwischen alledem klopfte der Beleuchter clraussen an die Thüre:

„In sieben Minuten muss ich auslöschen.“

Drinnen erhöhte sich, bei einer Temperatur von 22° R, denn die
Luftheizung liess sich nicht regulieren, das stumme Rasen von vier
Personen; das „Opfer“ mit ihrer Ankleiderin und Friseuse. Mariechen als
vierte im Bunde, welche änderte, besserte, und als die gebieterische Be-
leuchterfaust das dritte mal an der Thüre getrommelt hatte, tönte aus
vier Kehlen ein Seufzer der Erleichterung — „Fertig!“

Erschöpft vom Spielen und Singen der grossen Partie, der Jagd des
Toilettewechsels, mit leerem Magen, der seit mittags zwei TJhr nichts
genossen, betrat Sarolta gegen elf Uhr die glänzende Versammlung.

Auf das Liebenswürdigste empfangen, wurde sie sofort durch den
Hofmarschall der sie erwartenden Prinzessin vorgestellt, die, im Kreise
ihrer Hofdamen stehend, die Künstlerin zu ihrer heutigen Leistung be-
glückwünschte und dann einlud, an dem bereit stehenden Theetische ihr
gegenüber Platz zu nehmen, wo sie sie sofort in ein längeres Gespräch
verflocht, das sich um die Aufführung des Nibelungen-Cyklus drehte. -
Ein Glas Champagner, das Gräfin Liebenfels ihr servieren liess, war
alles, was die Ermüdete über die lechzenden Lippen gleiten lassen konnte.
Und als Sarolta aufblickte, wie erstaunte sie, als ihr Blick nach der
Herrengruppe ihr gegenüber unweit der Fürstin fiel, und sie dort — „den
Geheimen“, „Schwarzbefrackten“ entdeckte. Ihr Blick mag wohl so
 
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