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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Puttkamer, Jesco von: Aus dem Kaisermanöver, [2]: Militärhunoreske
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Unsere Bilder, [20]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0687

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32°

MODERNE KUNST.

„He, Fähnrich, ein Glas Punsch für unseren Militärmaler,“ rief Rittmeister
von Arndt schon von weitem. „Sie sind ein Glückspilz heute, Linden, ein
Generalstäbler erzählte mir, Se. Königliche Hoheit der Kronprinz habe Ihnen ein
grosses Bild in Auftrag gegeben.“

Der Künstler lachte freundlich: „Das gerade nicht, aber er hat sich meine
Skizzen angesehen. Nach dem Manöver bin ich ins Schloss befohlen, wenn die
hohen Herrschaften in Potsdam sind, da kann schon noch etwas für mich
herausspringen.“

„Prosit, Linden! Vergessen Sie unter den Skizzen nur Ihre eigenen Er-
lebnisse nicht,“ leise setzte er hinzu: „So wat jiebt’s nich zum zweiten Male.“

Sie stiessen mit den vollen Gläsern an. „Apropos, der Etatsmässige schickte
vorhin her, er brauche dringend seine Stute für die nächsten Tage, da ihm ein
Pferd lahm geworden. Der Bursche sollte sie gleich mitnehmen und nur das
Sattelzeug zurücklassen. Sie müssen also morgen schon meinen Oho besteigen.
Es ist ein famoser Gaul, wie Sie selbst gesehen. Auf eins nur, Linden, mache
ich Sie aufmerksam. Oho ist ein echter Steeplechaser, er nimmt mit Vorliebe
jedes Hindernis, und im Galopp kann man ihn kaum davon zurückhalten. Je
mehr Sie dann die Kandare bei ihm annehmen, desto energischer legt er sich ins
Zeug, — lassen Sie aber nach, so stoppt er langsam von selbst und kommt in die
Hand zurück. Wenn Sie dies beobachten, werden Sie ihn spielend reiten können.“

Nach Lindens Attaque gegen die Husaren empfand Arndt, der ihm wirklich
zugethan war, doch etwas Sorge und würde ihm seinen Oho kaum gegeben
haben, wenn nicht die braune Stute in der That für die letzten Tage von ihrem
Besitzer selbst gebraucht wurde. ■— Die Retraite trieb alle Gäste aus dem Feld-
lager, und auch Linden eilte dem nahegelegenen Dorfe zu.

In der Frühe um fünf Uhr brach die Kavallerie ihre Ställe, die allerdings
nur aus Pflöcken mit Leinen bestehen, ab und wurde in weitem Bogen hinter
die Wälder gezogen, um von dort eine Umgehung der rechten feindlichen Flanke
zu versuchen. Nach weiteren zwei Stunden begann bereits von allen Seiten
das Knattern des Gewehrfeuers, dazwischen mischten sich bald die dumpfen
Donnerschläge des Feuers aus den Batterien der Corpsartillerie, welche auf
der Höhenkette Stellung genommen hatte.

Linden auf dem Oho hielt sich diesmal weise zurück. Mit der Zeit schien
dem Oho diese Unthätigkeit nicht mehr zu behagen. Er spitzte bei den Kavallerie-
signalen oft bedenklich die Ohren, die fortwährend hin- und herspielten; er
schnob mehrmals mit den Nüstern, versuchte unangenehme Seitensprünge.
Sein Reiter war froh, als das langersehnte Signal: „Das Ganze Plalt!“ gegen
11 Uhr den Schluss des Manövertages anzeigte. Im flotten Trabe eilte er zu
seiner Eskadron und gesellte sich plaudernd zum Rittmeister von Arndt.

„Fleute reiten Sie wirklich gut, Linden,“ lobte dieser, „hätte geglaubt, dass
Oho Ihnen mehr Schwierigkeiten machen würde, geht aber famos unter Ihnen.
Trinken wir jetzt einen stärkenden Schluck.“

Fähnrich von Linkefinken kam auf einen Wink herangaloppiert und brachte
die Portweinflasche.

„Nicht wieder ausgelaufen, Fähnrich?“ — „Niemals mehr, Herr Rittmeister.“

„Prosit, Linden!“ Er trank und reichte diesem die Flasche.

In demselben Augenblicke ertönte, von allen Trompetern und Plornisten

#er ßilderschmuck des vorliegenden Heftes führt uns in die verschiedensten
Gegenden und bietet eine Anzahl der wertvollsten Motive, die in echt
künstlerischer Form behandelt sind. Das in prachtvollem Farbendrucke nach
dem Aquarell von Ö. Uher ausgeführte, sehr geschmackvoll verzierte Porträt
der ungarischen Schauspielerin und Soubrette Klara Küry beweist aufs neue
wieder, welch hervorragend schöne Resultate zu erzielen sind, wenn der Aquarell-
Faksimiledruck verständnisvoll ausgeübt wird. — Auch die „Kinder der Insel“
von R. Possin erfreuen das Auge durch den frischen Reiz der Farbe, zu dem
das malerische National-Kostüm dem Künstler eine willkommene Gelegenheit
gab. — H. Hendrichs „Seemärchen“ giebt dem Beschauer einen guten Ein-
druck von der Eigenart des Künstlers, dessen Meisterschaft bekanntlich in mit
romantischem Farbenzauber umspielten Scenen aus Opern zur Geltung kommt. —
Tini Rupprechts interessanter „Studienkopf “ beweist, mit welcher Feinheit
die zarten Linien eines durchgeistigten Frauenkopfes durch' die Kunst eines fein-
fühligen Künstlers veranschaulicht werden können. — Yeend Kings „Herzen-
Geheimnis“, stellt drei Freundinnen dar, von denen zwei mit Teilnahme auf
die Liebesworte lauschen, die ihnen die dritte aus einem Briefe ihres Anbeters
vorliest. — Die malerischen Reize Bosniens und der Herzegowina haben die
Künstler aller Nationen schon sehr oft zu Kunstwerken angeregt; die inter-
essanten Trachten des Volkes und eigenartigen Vögel jener Gegend sind in den
beiden Bildern von Ewald Arndt zu sehr charakteristischer Wiedergabe gelangt.
Auf die von dem Künstler herausgegebene Bildermappe einzugehen, werden
wir in einem späteren Hefte Gelegenheit haben. — G. Vastaghs figurenreiches
Bild stellt prächtig in der Komposition und treu in den Einzelheiten eine „Braut-
werbung in Kalotaszeg“ dar. Die beiden anmutigen Vierthalerschen
Plastiken, die zierliche „Mädchenstatuette“ und die graziöse „Tänzerin“
werden allen Freunden derartiger Kleinkunst einen ungetrübten Genuss bereiten.

aufgenommen, der Offizierruf übers Feld. „Auf Wiedersehen, Linden!“ rief der
Rittmeister noch und ritt von der Stelle in der Carriere davon.

Der Generaloberst Prinz August von Württemberg hielt in einer Thal-
senkung, während von allen Seiten die höheren Offiziere heranjagten.

Sobald der Oho das bekannte Signal hörte, wollte er alter Gewohnheit
gemäss fortgaloppieren. Linden hielt ihn zurück, da bäumte er sich hoch empor
und ehe dieser sich recht versah, sprengte er auch schon in vollem Galopp
dahin, mit der Rechten noch krampfhaft die Flasche umklammernd.

„Prosit, Herr Linden! Der Portwein!“ schrie der Fähnrich.

„Dem Teufel Ihr Prosit,“ brüllte dieser noch und in tollen Sätzen ging es einen
Hügel hinauf, im mächtigen Sprunge herunter. Je mehr er in seiner Angst die
Zügel anzog, desto rasender wurde der Lauf des Vollblüters. Jetzt kam ein Bach,
— mit einem Satz war er hinüber, ehe er es ahnte, nahm er im Fluge eine
Hecke, dann ging es über einen nassen Wiesengrund, jetzt über einen Kartoffel-
acker und ein Stoppelfeld, — kaleidoskopisch glitt die Landschaft an ihm vorüber.

Mit wahrhaft teuflischer Lust umkreiste Oho in grossem Bogen die zur
Kritik befohlenen Offiziere.

Linden sah noch, wie der Kronprinz mit seinem Stabe herantrabte und die
Richtung auf den Generaloberst Prinz August von Württemberg einschlug. Mit
seiner Kraft ging es zu Ende, willenlos überliess er sein Schicksal dem schäumenden
Gaul. Kaum merkte dieser, dass' die Zügel nachliessen, als er sofort mit vollem
Anlauf auf die Gruppe der Offiziere lossteuerte. Mit gewaltigem Sprunge
durchbrach Oho die Reihen der Stabsoffiziere und Exzellenzen, die mit einem
Rucke zur Seite geworfen wurden, — bis er hochaufbäumend dicht vor dem
Kommandierenden zum Stehen kam. Es war eine höchst drastische, aber auch
ebenso unangenehme Scene. Eine Anzahl Pferde kapriolte, die so plötzlich
fortgeschleuderten Plerren rieben sich die gequetschten Schenkel, — über das
Gesicht des Prinzen von Württemberg zuckte es wie Donnergrollen. Da hielt
Kronprinz Friedrich Wilhelm, der sein Pferd in Galopp gesetzt, vor der Gruppe an.
Er begrüsste den Oberkommandierenden und seine Generale und wandte sich
dann lächelnd an den völlig erschöpften Linden, der gänzlich in sich zusammen-
gesunken schien.

„Sie überfliegen ja jedes Hindernis, lieber Linden und bringen selbst die
stärkste Kritik zum Wanken.“

Diese scherzhaften Worte des Kronprinzen lösten den Bann und nahmen der
Situation die Schärfe, so dass jeder Unmut gegen den beliebten Künstler ver-
schwand. Noch lange Jahre danach beneidete man diesen sogar um den so
treffenden königlichen Scherz, den er sich zur festen Richtschnur in seiner
Künstlerlaufbahn genommen.

In Linden sass ein kerniger Wille, er bestand darauf, zum Einzuge in Berlin
den Oho wieder reiten zu dürfen, und als er mit ihm neben der Eskadron
paradierte, klopfte Rittmeister von Arndt lachend auf seine Schulter.

„Sie sind zwar ein Tausendkünstler, Freund, aber den Oho konnten Sie
doch nicht reiten, trotz meiner Warnung. Weil Sie nun unserer guten Exzellenz
das Knie zerschunden und mich um den Portwein gebracht haben, soll Ihnen
eine kleine Strafe auferlegt werden; das Bild, welches Sie unserm Kasino stiften
müssen — heisst: Der Herr Maler zur Kritik! —

gnd CI3.

,,^§"olies Bergere“ . . . Wie der Name, der schlichte Titel schon wirkt!
Wer je die Metropole des Genusses besucht hat, der wird bei der Nennung des
Namens der berühmtesten Pariser Singspielhalle erinnerungsfroh lächeln oder
— sofern er zu dem Stande der Gattinnen und Mütter zählt — verachtungsvoll
erröten. Wie irrte aber jeder, der da glaubte, dass die Erinnerung an die zumeist
trefflichen Darbietungen des klassischen Varietees diese Wirkung hervorbrächten:
An Pikanterie der gesprochenen, gesungen oder wortlos zur Schau gestellten
„Leistungen“ werden die Darstellungen der „Folies Bergere“ durch Dutzende
ähnlicher Specialitäten-Bühnen der Hauptstadt Frankreichs weit übertroffen. Den
Reiz des weltbekannten Tingeltangels bilden seine ständigen Besucher, die weib-
lichen Stammgäste, zu deren Schilderung seit den Tagen des grossen Impressio-
nisten Manet zahllose Künstler Stift und Pinsel mehr oder minder geschickt
gebraucht haben. Die „Folies Bergere“ waren früher der eleganteste Markt
derjenigen Liebe, die jedem ihre Reize bietet, der ihren Wert richtig zu bezahlen
weiss, sie waren der Treffpunkt der zahllosen Fremden, die im Seinebabel ein-
mal das Besondere erleben wollten, das ihnen daheim, in der stillen „Provinz“
versagt blieb. Jetzt ist ihr Ruf etwas verblasst gegenüber den protzigen Palästen
anderer Weltstädte und das weibliche Publikum hält einen Vergleich mit den
Priesterinnen der Venus, die z. B. die Wandelgänge der „Folies Marigny“ in den
Champs Elyssees zu einer wandelnden Ausstellung der neuesten Moden und des
raffiniertesten Luxus machen, nicht mehr aus. Aber gleichwohl wird keiner den
Eindruck vergessen, den das grosse Foyer und die Wandelgänge des vielbesuchten
Hauses beim ersten Besuch auf ihn ausgeübt haben, auch das berauschend süsse
Parfüm nicht, das den chicen Toiletten der Damen entströmend den Raum erfüllt,
oder das Gewirr von Lauten aller Sprachen der Erde, die beim perlenden Sekt
sich zu einem Loblied auf die Göttin der Liebe vereinigen, die in diesem
Paradies der Lebemänner ihr rosenumkränztes Scepter schwingt . . . —r.
 
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