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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Heigel, Karl von: Brummells Glück und Ende, [1]: Roman von Karl von Heigel
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0429

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Neues Herren-Kostüm.

©pummeils ©läck und

Roman von Karl von Heigel.

s war im Herbst 1800. Lady Perccval und ihre Tochter Louisa waren
von ihrem Sommersitz in Cornwall nach London zurückgekehrt und ver-
brachten den ersten Abend in ihrem Hause. Noch hatten sie niemand
ihre Ankunft mitgeteilt; das Wetter war nasskalt und stürmisch; sie konnten
also auf keine Besuche hoffen. Mylady liess sich, sobald die Lichter angezündet
wurden, gefasst am Kaminfeuer ihres Empfangszimmers nieder und versank in
Träume aus der Zeit, da sie Hofdame bei der Königin Charlotte war. Das
Leben einer mecklenburgischen Pastorsfamilie konnte nicht bescheidener und
harmloser sein, als das Hofleben unter Georg III., dennoch hatte Lady Perceval
aus jener Zeit nicht nur das langweilige Einerlei ihres Hofdienstes im Gedächt-
nis, sondern allerlei Ilerzensgcschichten, Kämpfe und Siege, die zwar äusserst
unschuldig, eben darum angenehme Erinnerungen waren.

Louisa, eine achtzehnjährige schlanke Schönheit mit blauen Augen und
dunklem Haar, hatte noch keine Erinnerungen, die ihr über die unbehagliche Gegen-
wart hinweggeholfen hätten, nur ein kleines Herzensgeheimnis, das ihren Missmut
— ungewisse Erwartung eines unwahrscheinlichen Ereignisses — steigerte. Ihre
Handarbeit war noch eingepackt, das Buch, das vor ihr lag, nicht unterhaltend.
Wenn sie in ihrer Unruhe auf und ab ging, stöhnte die Mutter. So trat sie
denn zuweilen an ein Fenster. Zu sehen war nichts, denn der Sturm hatte alsbald
die Strassenlaternen ausgeblasen. Nur wenn ein Wagen vorüberrasselte, wurden
die Häuser drüben rötlich hell und huschten Schatten die Wand entlang. Gedanken-
los oder gedankenverloren horchte sie auf den dumpfen Lärm aus dichter
bevölkerten Stadtvierteln, auf die Windstösse, unter denen die Scheiben klirrten.

„London empfängt uns nicht freundlich, liebe Mutter,“ sagte sie mit einem
Seufzer.

„Du wünschest?“ fragte Mylady gedehnt. Sie wurde in ihren Träumereien
ungern gestört.

„Ich meinte, unser Londoner Aufenthalt fängt abscheulich an.“ Louisa setzte
sich der Mutter gegenüber an den Kamin.

„Und wer drängte nach der Stadt? Ich würde gerne länger geblieben sein.“

„In Ditchley? Teuerste Mutter, Sie fanden es doch auch recht einsam dort.
Pastor Ward ist ein Bücherwurm. Unsere Gutsnachbarn fühlen sich nur im

[Nachdruck verboten.]

Sattel oder hinter der Flasche wohl. Ich liebe die Grossstadt, ich freue mich
auf den Empfang bei Hofe — und auf die Almacksbälle.“

„Daran ist vor Neujahr nicht zu denken. Und wer weiss, was sich bis
dahin ereignet. Pastor Ward hat Verbindungen im Ausland. In Frankreich
glaubt niemand, dass der erste Konsul auf seinen Lorbeern ausruhen werde.“
„Wie sollte er? Ist er nicht jung? So jung schon so berühmt zu sein
verpflichtet zu neuen Thaten.“

„Ich verspreche mir von ihm nichts Gutes. Was kann uns Engländern
überhaupt von Frankreich Gutes kommen?“

„Ein frischer Wind,“ erwiderte das Mädchen lebhaft, „und Gelegenheit für
unsere Genien, unsere Helden, sich zu bewähren.“

„Was sind das für Reden, Louisa! Ich fürchte, Du bist ein Original.“
„Weil ich für meine Landsleute ehrgeizig bin?“

„Eine junge Dame gerät niemals in Affekt. Uebrigens, sprachst Du im
allgemeinen oder hast Du einen bestimmten Genius und Helden im Auge?“

„Ich hoffe doch, liebe Mutter, dass unter unsern militärischen Bekannt-
schaften auch militärische Talente sind.“

„Zum Beispiel?“

Louisa lachte gezwungen. „Ich kann das nur wünschen, nicht beurteilen.“
Der Eintritt des Bedienten, der bei den bescheidenen Glücksumständen der
Lady ihre gesamte „Dienerschaft“ war, machte dem Verhör, nicht Louisas Ver-
wirrung ein Ende. Denn er meldete just den Mann, an den sie dachte.

„Kapitän Brummeil von den 10. Husaren fragt an, ob er den Damen auf-
warten darf.“

Lady Perceval drehte nur den Kopf. „Kapitän Brummeil? Oh! .... Er
ist willkommen.“

„Mr. Brummeil“ — wandte sie sich an ihre Tochter. „Woher weiss er,
dass wir hier sind?!“

„Ich wundere mich auch, aber Mr. Brummeil ist Dir doch willkommen?
„Insofern er ein guter Gesellschafter, ein Mann von Welt ist, immer, aber — “
Der junge Mann, gegen den Lady Perceval ein Aber hatte, schritt in das
Zimmer, verbeugte sich mit freier Anmut, führte die Hand der Mutter an die

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