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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Heigel, Karl von: Brummells Glück und Ende, [6]: Roman
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Liliencron, Detlev: Kleine Reise
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0605

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2§2

MODERNE KUNST.

Lady Townshend brach auf und Mr. Brummell wollte ihr folgen. Da Anna
eine bitterböse Miene machte, bat er, Mylady zum Wagen geleiten und dann
zum kranken Herrn des Hauses zurückkommen zu dürfen. Louisa lehnte sein
Geleit höflich ab, so blieb der Dandy mit Mutter und Tochter im Zimmer.

„Die gute Louisa 'Setzt ihre Freunde zuweilen in Verlegenheit,“ begann
Lady Cullen.

„Ich glaubte den Demokraten Burdett oder Whitebread zu hören. Sie war
schon früher überspannt, als die Gemahlin Townshends ist sie es noch, nur mit
einem doktrinären Beigeschmack . . . Werde ich die Damen heute im Theater

sehen?“

„Unmöglich, mein Patient —“

„Liebe Mama, wir können ins Theater. Papa liest heute abend Walter
Scotts „Dame vom See“ für mich.“

„Wenn es erlaubt ist, den Kranken zu besuchen —“

„Gewiss, nur ist augenblicklich Onkel Hysley, wie ich glaube, in Staats-
geschäften bei ihm. Ich werde nachsehen — Nur zwei Minuten —“

Anna Fitzroy stellte sich ihrer Mutter in den Weg. „Kann ich nicht —?“
„Das geht nicht an. Meine kindische Anna einen Staatsrat unterbrechen!
Zeige Du indessen Mr. Brummeil die Modebilder der Mademoiselle Lange!“

. . . „Mama ist so vertrauensvoll!“ sagte Anna, sobald sie mit Brummeil
allein war, und stellte sich wie in Angst vor ihm hinter einen Stuhl. „Ich weiss,
was Sie fragen wollen — aber' es wäre schändlich, dies Vertrauen zu miss-
brauchen. Bitte, sehen Sie die Modenbilder an, sie liegen dort.“

„Es wäre unklug, auf die Dauer dieses Vertrauens zu rechnen — werweiss,
wann wir wieder — Haben Sie meinen Brief gelesen?“

„Ist Ihnen denn nichts heilig!“

„Nichts und niemand ausser Einer!“

Das haben Sie einst einer gewissen Louisa auch gesagt.“

„Einst war ich vielleicht verliebt. Jetzt liebe ich, liebe ich — So liebt man
nur einmal! Haben Sie meinen Brief gelesen?“

„Ja.“

„Und Ihre Antwort?“

Sie sah zu Boden, sie zauderte. Dann fragte sie: „Kennen Sie die Blumen-
sprache?“

Er wusste, welche Blumen in der Mode sind, und hatte selbst die eine
und andre zur Modeblume gemacht, doch die Blumensprache hatte er nicht
studiert, empfindsam war er nicht. Doch in diesem Augenblick würde er sich
zu allen Sprachen der Welt bekennen. „Natürlich! natürlich!“

Sie blickte verschämt auf ein Sträusschen im Gürtel: eine Erdbeere aus
dem Warmhaus und etwas Farrenkraut. „Dann wissen Sie meine Antwort!“
Erdbeere — Farrenkraut -— Weiss der Kuckuck — Einerlei! „O!“ rief er
und bedeckte die Fland Annas mit Küssen. Das Mädchen hatte leider die Ver-
schanzung verlassen „Dank! tausend Dank! Geliebte!“

„Nein! nein! . Sie legen zuviel hinein! Das ist noch nicht erlaubt!“
„Liebe erlaubt und verzeiht alles! Meine Anna!“

„Mama — um Himmelswillen!“

„Ein Wort! sag Ja! es gilt für tausend —“

Das glühende Gesicht nach der Thür gerichtet, flüsterte sie: „Ja —ja!“
Dann entriss sie ihm die Hand und eilte an das offene Fenster. Brummell hatte keine
Zeit mehr, sich nach den Modebildern umzusehen, denn schon hörte er das
Rauschen und Rascheln eines Seidenkleides. Er beugte sich über den ersten
den nächsten „Almanach für die vornehme Welt.“

Dass der junge Mann am Tisch, das Mädchen am Fenster stand, das war
das Auffällige, doch Lady Cullen war selbst erregt. „Henry lässt sich bei Ihnen
entschuldigen“, wandte sie sich sofort an Brummell. „Sie begreifen — die
grosse Nachricht! — Ich achte Ihre Diskretion — aber uns hätten Sie es ver-
raten können!“

Brummell sah sie mit aufrichtiger Verwunderung an. „Was, Mylady?“

„Verstellen Sie sich nicht mehr, lieber Brummell! Morgen, nein, schon
heut abend weiss es alle Welt.“

„Bei allen Göttern —“

„Seine königliche Hoheit der Kronprinz übernimmt die Regentschaft! Das
sollte er seinem Alterego nicht mitgeteilt, nicht angedeutet haben!?“

Die Neuigkeit traf Brummell unvorbereitet wie ein Schlag, doch seine
Selbstbeherrschung bewährte sich auch in dieser Prüfung. „Der Kronprinz und
ich sprechen grundsätzlich niemals von Staats- und Regierungsangelegenheiten“,
antwortete er kühl. „Doch diese Wendung war ja seit Jahr und Tag von
jedermann vorausgesehen.“

„Doktor Willis schloss sich erst gestern dem Gutachten der anderen Aerzte
an. Die Krankheit des Königs ist hoffnungslos! Und wenn man. sein Alter
erwägt —“

Anna schaute mit funkelnden Augen auf den Geliebten. „Der Kronprinz
wird Sie mit der Nachricht und zugleich mit einem Ministerportefeuille über-
raschen!“

Brummell lächelte. „Das glaube ich nun nicht. Im Gegenteil. Wenn
Kronprinzen zur Regierung gelangen, hängen Sie in der Regel den Mantel
anders und wechseln sowohl ihre Gesinnung wie die Freunde. Teuerste Frau,
ich bitte schon jetzt für den armen Brummell, falls er in Ungnade fällt — “

„Das wird er nicht“, erwiederte Lady Cullen warm. „Doch wenn es der
Fall wäre — für mein Herzogspaar wie für mich stehe ich Ihnen gut.“ Sie
reichte ihm die Hand. Er war gerührt, doch aus Dankbarkeit seinen Absichten
auf die Tochter zu entsagen, fiel ihm nicht ein.

Die Freunde des Stutzers waren längst in den Klub gegangen. Brummell
schritt die Strasse, in der verhältnismässig geringer Verkehr war, langsam
nachdenklich hinab. Der Prinz hatte ihn nicht ins Vertrauen gezogen. Schlimm!
Am Ende wird es wie in Shakespeares Heinrich V. zugehen.

Unsinn! Ich bin so wenig ein Falstaff, wie George ein Prinz Heinz. Doch
dass er mir noch gestern nicht das geringste merken liess, ist kein gutes Vor-
zeichen .... Reizende Anna! Wenn ich Dich gewinne —! Und warum nicht?
War nicht meine erste Liebe eine Schule? Louisa würde Townshend trotz
seiner Millionen verschmäht haben, wenn ich auf ihre Romantik eingegangen
wäre! Mädchen haben ihr besonderes Maass! Sie ziehen dem ehrlichen
Philister einen verwegenen Abenteurer vor. Lass dir das gesagt sein!

[Fortsetzung folgt.]

/olw e’ne Seele heut,

Jm bösen Regenweller,
gesucht das Schloss.

Jfur von einem uralten, weisshaarigen,
papageiisch redenden Diener begleitet,

Vandern wir,

Das JVlädel und ich,

Durch die hallenden Säle.

Hat der Greis solch Vertrauen zu mir:

Auf meine pitte geht er,

JNun sind wir allein.

Qnd ich zeig ihr die "Wunder:

Verschossene und immer noch prächtige Gobelins,
Schlachten- und Jagdbilder,

Kaiserinnen, Fürstinnen,

Prinzen, yMarschälle, "Würdenträger,

Einen verewigten Tjojnarren;

Alles in peifröcken, perrücken, .Zöpfen,

;Mit Zierdegen und Kniehosen,

Jn Schmuckpanzern des achtzehnten Jahrhunderts.
Qnd selbst ein Xieblingsmops
Jst abkonterfeit.

Einmal, in einem weiten Saale,

Den die Einsamkeit der Einsamkeit

Von Detlev von Liliencron.

Sich zum Schlaf erkoren hat,

Verweilen wir länger:

Zwei verblichene, winziglehnige, weisse
Seidensessel stehn hier auf einer Erhöhung.

Nur diese beiden — sonst ists leer.

Jhnen gegenüber, von pesne gemalt,

Spannt )\mor den ßogen,

"Wir setzen uns.
pann spring ich auf,

Qnd auf dem eisglatten Uäfelboden
Uänzel ich,

Ein wenig den Spielhahn nachäffend,

Dann, zur Auswechslung, im ernsten, gemessenen,
fjöchstwohlanständigen JVlenueUschritt.

Qnd alles vor ihr.

Qnd sie lehnt sich,

Nur der fächer fehlt,

Erst lächelnd, dann lachend zurück,

Qnd hält das Köpfchen schief,

Qnd ist ganz, ganz eine junge Durchlaucht,

Qnd ich bin ganz, ganz ihr Affe~Kamrnerherr.
Qnd Amor kichert, und hat,

Seit wie langer Zeit,

Vieder „a freid“.

[Nachdruck verboten.]

Jfun haben wir alles beschaut,

Zuletzt mit andächtigem Staunen
Die riesigen, wurmstichigen prunkbetten.

Genug der Herrlichkeit.

"Wir steigen die reichbreite, reichgeländergeschmückte,
/Marmortreppe hinab.

Ritterlich biet ich meiner Schönen die Hand,

Qnd sie geruht,

Auf meinen hingehaltenen Zeigefinger
Jhr Händchen zu legen.

Acht pagen tragen ihr

Die schwere gold- und silberdurchwirkte Schleppe,
üef, sehr tief neigen sich
Die zu beiden Seiten der Stufen stehenden
Kavaliere vor uns.

Hinter uns: Das „Coriege“

Bis auf den phantastisch gekleideten Xeibmohren,

Der das Schosshündchen trägt.

Jm Haupteingange

Jst die "Wache ins Gewehr getreten.

Der Offizier, mit der blinkenden Blechhaube,

Streckt sein Sponton.

Der Urommler wirbelt.

"Wir aber, wieder jVlenschen des neuen Jahrhunderts,
 
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