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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Fischer, Adolf: Japanische Kunst
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Brummells Glück und Ende, [4]: Roman von Karl von Heigel
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Heigel, Karl von: Brummells Glück und Ende, [4]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0545

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MODERNE KUNST.

Vergleicht man die Werke eines Okio oder eines anderen vornehmen
dekorativen Künstlers Ostasiens mit den Werken hochgeschätzter hollän-
discher Stilllebenmaler, so entschleiert sich uns das Geheimnis der
japanischen Kunstseele, der japanischen Aesthetik. In erdrückender Fülle
aneinander gedrängt, malt der Holländer Massen von Blumen, Wild,
Geflügel und Früchten auf die Leinwand, so dass kaum ein Plätzchen
derselben unbedeckt bleibt. Wie ganz anders der Japaner! Ein graziös,
wie unabsichtlich hingeworfener Zweig, ein Vogel, ein paar lose Blumen
und Gräser, die von Schmetterlingen oder einer Libelle umtänzelt werden,
genügen ihm.

Duftig und leicht muss alles sein, die Gegenstände dürfen nicht an-
einander stossen, sich gegenseitig erdrücken, sondern müssen sich im
Raume ausleben können.

Dieselbe graziöse Freiheit, die auf den Bildern der Japaner herrscht,
waltet auch in ihrem Leben; sie bedürfen in ihren luftigen, mit verschieb-
baren Wänden versehenen Häusern nicht eines schwerfälligen Apparates

wie wir, die wir zu Sklaven unserer Einrichtungen und Bedürfnisse werden.
Um materiell zu gemessen, bedarf der Sohn Nippons nicht grosser
Quantitäten: aus kleinen Schälchen schlürft er seinen Reiswein, aus winzigen,
in zwei Zügen ausgebrannten Pfeifchen raucht er seinen Tabak. Nicht
mit grossen Sträussen aus zusammengeknebelten Blumen schmückt er
sein Heim, sondern mit losen Kindern Floras, oder einem blühenden
Zweig; Leichtigkeit und Freiheit sind die obersten Kunstprinzipien, die
das Leben und Schaffen dieses genial veranlagten Inselvolkes beherrschen.

Viel mehr noch als aus der grossen Kunst leuchten die hervorragenden
Qualitäten der Japaner aus ihrer Kleinkunst.

Bei den einfachsten Gebrauchgegenständen, die sie künstlerisch aus-
schmücken, ohne jedoch die Zweckmässigkeit aus dem Auge zu verlieren,
entwickeln sie einen geläuterten Geschmack; eine grosse Stimmung spricht
aus denselben, die davon Zeugnis ablegt, dass sie nicht nur von
geschickten Händen, sondern auch mit dem Herzen geschaffen sind.

Doch darüber, wie über manches Andere später mehr.

Volksleben im Yosbiwara-Viertel.

Spaziergängerinnen werden abends von ihren L '.tcrnenträgern nach Hause geleitet; viele sitzen bei ausgehobenen Schiebewänden in ihren Häusern und erfreuen sich der Frische des Abends.

Roman von Karl von Heigel.

[Fortsetzung.]

em Beau war bei dem Lobe seines Nebenbuhlers, wie wenn ihm Ameisen
über den Rücken liefen.

„Man sagt'1, fuhrTickell fort und schmunzelte listig, „Townshend bewerbe sich
um Louisa Perceval; man sagt das auch von Ihnen. Wenn es der Fall ist, ziehen
Sie den kürzeren; denn wir alle können Townshend nicht das Wasser reichen.“
Brummeil rümpfte die Nase. „Dass Lord Townshend durch seine Sittsam-
keit die Frauen kirrt, bestreit’ ich. Das widerspricht aller Erfahrung. Und
schätzen Sie ihn wirklich um seiner Tugend willen so hoch? Ich kenne eine Menge
ebenso biederer Männer wie Townshend, mit denen Sie doch nicht, den Hut
in der Hand, reden würden; denn sie sind keine Lords, sondern arme Teufel.
Wenn wir alle wie Townshend lebten, würde bald halb London betteln gehen.
In unsere Gesellschaft passt er allerdings nicht, woran aber nicht seine guten
Eigenschaften schuld sind, sondern sein schlechter Geschmack.“

„Der erste Gentleman der Welt urteilt anders, Seine königliche Hoheit
nennt Lord Townshend eine Zierde Englands.“

„I, unser guter Big-Ben spricht heute so und morgen anders.“

[Nachdruck verboten.]

Jetzt zog Tickeil die Brauen hoch. „Seine königliche Hoheit beehrt mich
mit seiner Freundschaft.“

„Mich auch. Unter Freunden ist ein Scherzwort erlaubt." Brummeil sprach
das leichthin, doch hätte er das böse Wort gern zurückgenommen. „Ich will
aufrichtig sein“, fuhr er fort, „was ich gegen Townshend sagte, kam aus Wider-
spruchsgeist, nicht Ueberzeugung. Ich würde mich freuen, wenn wir uns auf
dem Lande träfen.“ Tickell schüttelte die dargebotene Hand, aber antwortete nichts.

Die Unterhaltung mit Tickell verstörte den Beau. Es wäre ihm lieb ge-
wesen, wenn er dem Prinzen den Uebernamen nicht gegeben hätte. Doch das
beunruhigte ihn nicht lange. Louisa Perceval und Lord Townshend beschäftigten
seine Gedanken, während er nach Oatlands fuhr. Er glaubte jetzt Louisa
grenzenlos zu lieben, denn er war auf Townshend grenzenlos eifersüchtig. Er
malte sich das Glück, auf das er verzichtet hatte, so lebendig wie möglich. Wie
zufrieden, schön, selig würden sie unter einem milden Himmel in Florenz oder
Rom gelebt haben! Vergebens suchte er sich damit zu trösten, dass er als
 
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