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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Détschy, Serafine: Kreuzwege, [4]: Roman aus der Bühnenwelt
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Heinrich Hellhoff
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Lohmeyer, Julius: Alpenglühen, [4]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0109

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MODERNE KUNST.

49

morgen nicht so ganz gehorcht, wenn ich den fröhlichen Rausch dieses
Abends noch länger auskosten würde.

„Aber erlauben Sie, Herr v. Bingen, ich habe ja morgen auch Kolleg
abzuhalten und gedenke, trotz einer Flasche schäumenden Assmanshäusers
doch morgen noch ganz Vernünftiges zu leisten!“ lachte Professor Friedrichs.

„Die Naturen sind wohl verschieden, Herr Professor“, meinte Sarolta
sehr kühl, „und wenn auch mich ein fröhlicher Abend unter guten Freunden
für die Pflichten des nächsten Tages erfrischt — so kann ich doch Baron
Bingen nur Recht geben, wenn er sich durch den ,Rausch eines Abends1
nicht verleiten lässt, klaren Kopf und kühles Denken zu gefährden!“

Während sie sprach wühlten die nervösen Finger erbarmungslos
in dem Strausse dunkler Rosen, von welchen eine tiefrote Blüte geknickt
zur Erde fiel. Im Trubel des Abschiednehmens sah es niemand, dass ein
seidenes Herrentaschentuch auf die geknickte Rose fiel; — und als Alfred
sein verlorenes Tuch wieder aufnahm, war auch die Blume verschwunden.

VI.

„Haben Sie etwas für uns?“ fragte eine elegante schlanke Blondine
den Postboten, als er sich eben anschickte, die krachenden Holztreppen
eines ziemlich vernachlässigten alten Hauses emporzusteigen.

„Fräulein Stürmer? nicht wahr?“ fragte der Stephansbote, ein Schreiben
hervorsuchend, dessen Couvert eine Freiherrnkrone mit Wappen zeigte.

„Jawohl, — geben Sie —“ war die hastige Antwort, bei der eine
Blutwelle in das feingeschnittene Antlitz der Sprechenden stieg. Die junge
Dame eilte leichtfüssig die Treppen weiter empor und hielt erst tiefatmend
in der dritten Etage vor einer wenig einladenden Thüre an, neben der
unter einer altmodischen Ziehklingel ein defektes Porzellanschild die Auf-
schrift trug: „Stürmer, Pensionat und Mittagstisch für In-und Ausländer.“
Heiser schrillte die Klingel auf den energischen, ungeduldigen Ruck,
und hallte dann in ein wehmütiges Wimmern aus.

Nach längerem Warten, das von dem jungen Mädchen dazu benutzt
wurde, mit einer aus der Frisur gezogenen Haarnadel den Brief zu öffnen,
hörte man schlürfende Schritte und ein Dienstmädchen mit mürrischem
Gesicht und unordentlichem Haar öffnete. Den dunklen, von Speisedüften
erfüllten Korridor entlang eilend, riss das junge Mädchen nun die Thür einer
halbdunklen Hinterstube auf, aus deren Hintergrund sich zwei Gestalten ab-
lösten, die eng aneinandergeschmiegt auf dem verschlissenen Sofa sassen.

„Käthe, was ist los?“ fragte die weibliche Gestalt, die sich aus dem
um sie geschlungenen Männerarm löste. „Du stürmst ja in die Stube,
als ob CS brennte!“ [Fortsetzung folgt.]

fßinric^

er Maler Heinrich Hellhoff, von dessen Kunst das vorliegende
Heft eine Anschauung giebt, wurde geboren am 30. April 1868
zu Rogasen in der Provinz Posen, als Sohn des damaligen
Kreisrichters Adolf Hellhoff, und kam in seinem ersten Lebens-
jahre nach Pritzwalk in der Prignitz, wohin sein Vater als
Rechtsanwalt übersiedelte. Dieses Städtchen wurde seine
eigentliche Heimat, und seine Liebe zur Natur konnte sich hier
frei und ungestört entwickeln. Schon in früher Jugend zeigten sich bei
ihm die ersten Anzeichen des Talentes; der 7jährige Junge zog die Be-
schäftigung mit dem Tuschkasten jedem anderen Zeitvertreib vor. Jedoch
wurde dieser auffallenden Vorliebe keine besondere Bedeutung beige-
messen, vielmehr blieb er sich nach dieser Richtung selbst überlassen und
dachte, da in dem kleinen Ackerstädtchen jede künstlerische Anregung
fehlte, selbst später nicht daran, auf dieser Veranlagung einen Lebensberuf auf-
zubauen. So verliess er mit 18 Jahren das Gymnasium zu Wittstock, das er seit
seinem 12. Jahre besuchte, um sich dem Maschinenbaufach zu widmen. Zu
diesem Zwecke trat er in die Maschinenfabrik von Schwartzkopff in Berlin ein
und absolvierte dort seine dreijährige praktische Lehrzeit als Maschinenbauer.

Hier in Berlin konnte es natürlich nicht ausbleiben, dass er sich, angeregt
durch die Sammlungen, Ausstellungen u. s. w., mit erneutem Eifer seiner Lieb-
lingsbeschäftigung, der Malerei, zuwandte, und so brachte er seine Mussestunden
nach angestrengter Tagesarbeit und des Sonntags mit der Pflege dieser Kunst
zu und nach und nach trat der Wunsch, die Kunst nicht nur als Liebhaberei,
sondern als Lebenszweck auszuüben, immer dringender zu Tage. Als 23jähriger
bezog er die Akademie zu Berlin, und jetzt begannen für den jungen Kunstschüler
Jahre voller Entbehrungen und angestrengtester Arbeit, denn es galt, neben dem
Studium den Lebensunterhalt zu verdienen. Es waren dies Jahre eisernen Ringens,
in denen oft der Hunger mit harter Hand an die Thür pochte und nur die wahre Be-
geisterung für den idealen Beruf und der feste Glaube an seine Begabung waren
für den aufstrebenden Künstler der nimmer versiegende Born, aus dem er frischen
Mut und erneute Schaffenskraft für die Erreichung seines hehren Zieles schöpfte.

Er durcheilte in schnellem Laufe die verschiedenen Ausbildungsstadien

[Nachdruck verboten.]

auf der Akademie, war Schüler von Woldemar Friedrich und Bockeimann, und
wandte sich in den ersten Jahren hauptsächlich dem Porträtfach zu. Schon in
früherer Zeit hatte er Gelegenheit gehabt, die See und das Strandleben näher
kennen zu lernen und alles, was er hier sah, erregte so sein Interesse, dass er
sich mehrere Jahre mit dem Studium der See nnd speciell dem des Fischer-
lebens beschäftigte. Er unternahm mehrere Studienreisen nach Dänemark,
Schweden und Norwegen und besuchte zwischendurch auch das Marineatelier
von Saltzmann. Im Winter 1898 stellte er bei Ed. Schulte in Berlin aus. Von
hier aus gingen zwei grössere Werke in den Besitz des Geheimen Kommerzien-
rats Krupp in Essen über, es waren die Bilder „Feierabend“ und „Stürmischer
Morgen“, von denen wir das erstere unseren Lesern seiner Zeit farbig vorführten.

Um seinen Gesichtskreis zu erweitern, unternahm Heinrich Ilellhoff dann
verschiedene Reisen nach dem Süden, besuchte Ungarn, die Balkanstaaten,
speciell Rumänien und Südrussland, doch er fühlte bald, dass der Norden mit
seiner Herbheit ihn weit mehr anzog, als der weiche Süden, und mit erneutem
Interesse wandte er sich dem Seeleben Zu. Zeugen dieser letzten Thätigkeit
sind seine hervorragenden Bilder auf der diesjährigen Grossen Berliner Kunst-
Ausstellung, von denen wir das eine farbig zur Anschauung bringen.

„Heimkehr“ ist es genannt. Ernst und schweigend schreiten die Fischer
mit schweren Schritten durch die Dünen dahin. Kampf mit dem feindlichen
Element ist die Losung, die ihrem Leben das Gepräge gegeben, der Beruf, der
sie so oft dem Tode hat ins Auge schauen lassen, hat sie wortkarg gemacht, und
scheinbar ihr Gefühl abgestumpft gegen zartere Regungen; scheinbar, denn die
rauhe Aussenseite verbirgt nur den weichen Kern, den sie sich bewahrt haben.
Die Figuren heben sich kräftig von dem leuchtenden Hintergründe ab und be-
sonders ist das farbige Problem, wie die Köpfe gegen die sonnige Dünenfläche
gestellt sind, glücklich gelöst. — Das zweite grosse Bild: „Schwierige Ein-
fahrt“, zeigt uns die See bei Sturm, das Element in Erregung! Ein Heringskutter
kommt zurück vom Fang und will in den schützenden Hafen; er ist vom Sturm
überrascht worden. Draussen droht ihm sicherer Untergang; alles ist klar zum
Manöver, die Leine liegt bereit und im nächsten Augenblicke muss sie hinüber-
fliegen, um das Fahrzeug vor den drohenden Klippen zu bewahren. L. L.

lpenglühen.

Roman von Julius Lohmeyer.

[Foi

ur fort aus allen den verlodderten, unwürdigen Verhältnissen, die mich in
stumpfe Alltäglichkeit niedergezogen haben,“ rief sich Ruthard zu.

Heute hatte die Berufung an jene kleine Akademie, die er gestern hoch-
mütig abweisen zu müssen glaubte, etwas Verlockendes, Bezauberndes für ihn.

Manchmal war es ihm in seiner innerlich befreiten Stimmung, als dürfe er
nur die Hand ausstrecken, um all das erträumte Glück zu ergreifen, dann aber
drückte ihn wieder Verzagtheit zu Boden, und er meinte, als ein der Schuld
des Lebens Verfallener den Blick nicht zu Edith mehr erheben zu dürfen. Aber
die Erinnerung an jene wonnigen Minuten vertraulichen Einverständnisses auf
dem Hinwege hoben dann immer wieder aufs neue seine Hoffnungen.

Edith, die in Ruthards und des Onkels nachsinnliches Schweigen sich mit

[Nachdruck verboten.]

hineingezogen fühlte, war gleichfalls mehr und mehr verstummt. Ihre Blicke
hingen wie traumverloren in weiter Ferne. Träumte sie von einer Zukunft an
seiner Sehe? Er sah entzückt zu dem holden Bilde der Reiterin empor, die in
allem Glanze ihrer Unschuld und Schönheit ihm der höchste Schatz dünkte, den
das Leben ihm je noch zu bieten vermöchte.

Die nächsten Tage musste Edith das Zimmer hüten. Der Rat glaubte doch
eine leichte Sehnenzerrung feststellen zu müssen.

Ruthard fühlte sich von einer ihm ungekannten Rastlosigkeit hin- und her-
getrieben. Nach kurzen Gängen kehrte er immer wieder nach dem Hotel zurück
in der vergeblichen Hoffnung, Edith endlich auf dem Balkon ihres Zimmers

tsetzun^.] —►*-«--

XV. 13.
 
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