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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Neue Gedichte
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Unsere Bilder, [21]
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332

[Nachdruck verboten.]

Die alten polaren.

%

@Jie ragttn hoch auf grünen fügels Grunde
Qnd blickten viele yMeilen in die T^unde,

Sie grüssten, als der teuren feimat Reichen,
Jüang" eh’ des "Wandrers füsse sie erreichen.
Von ferne konnte man sie rauschen hören,
pie alten stolzen heimatlichen führen.

je zwei und drei aus einer "Wurzel drangen,
pie oft unlösbar, seltsam sich verschlangen
)\ls wären sie gebannt durch Zaubers "Walten.

Gar wunderbar phantastische Gestalten!

JVjs tausend "Wunden schienen sie zu bluten,
jm frühen Jucht, in roten }\bendglulen.

pie alten )\este knarrten leis im "Winde,

Qnd Spechte hämmerten die blanke "Rmde,

Raubvögel zogen ihre stillen Vereise,
gvfur selten eines frohen Vögleins Veise.

Viel hohe Gräser schwankten, keine plume.
jViir aber ward der fleck zum Heiligtums.

pie tiefen Vunder seiner Ginsamkeihn
Jch liess sie still in meine Seele gleiten.

JZu ernsten freunden wurden mir die fÖhren,
flicht müde ward ich's, ihnen zuzuhören,
fab’ hier voll Andacht, feierlich beklommen,

/um ersten jYial, flatur, dein Xied vernommen.

L. v. Meilte,

£

Q9under.

(5f,ief beugt das Schilf sich meinem fischerkahn,
pem nun die flacht und ihre "Wunder nah'n:

Gin halber Xaut, den sich die Stille schuf,

Qnd überm Vasser ein verflogener fuf.

Vvühl und verwandert geht der Sterne feer,
pie Jungfrau grösst in meinen frieden her,

Gott wölb dich schützen, gross" und kleine "Welt —
Gin’ andre Jungfrau ist bald mir gesellt.

""Wohl blitzt ihr T^öcklein nicht in Gold und pracht
purch ew'ge Träume jeder Sternennacht,
poch mag's das "Wunder aller "Wunder sein:

Sie wiegt mein ferz und seine Sehnsucht ein.

Carl Busse,

£

Erinnerung.

Riehst du, wie die "Wolken baden
Sich im )\bendsonnenstrahl
"Wie sie golden niederleuchten
Jn das dämmertrauie Lhal!

Qnd mir ist, als träumten jene
fioch einmal des üages pracht
Gh" mit ihrem dunkeln Schleier
Sie bedeckt die stille flacht.

Sanfte, milde flbendrö'.e,

Goldner fkbglanz sei’ger .Zeit,

"Wie verschönst du oft so traulich
Stunden holder Ginsamkeit.

Qnd wenn einst des Jüchens plüten
JVJ verwelken und verblühn,
f/Iögst du, seliges Grinnern
freundlich mir im Tjerzen glüh’n.

E. Wagner, Pforzheim.

£

Die ßri^anfen.

<3^erschwunden ist die romantische /eit
fluch in Jtaliens Jüanden,

Verjagt sind von des fortschritts "Wucht
f\us der wilden, poetischen felsenschlucht
pie lieben, die alten priganten.

poch nein, noch lebt fra piavolo
Qnd die purschen alt", die fatalen!
ffur schwingen sie heute den Schwalbenschwanz
Qnd sie heulen uns zu in bacchantischem Ganz:
„Signore, bezahlen! bezahlen!“ h. Bank, Rom.

Das aAlber^o.

I^Uer nach Jtalien fahren will,
pen will ich unterweisen;

Jch lass ihm ein fklbergo auch
Gut, zu civilen preisen.

pas grosse fotel Rupfer hat
fkllüb’rall filialen —
port wirst pu gut und leicht gerupft,
Ganz ohne alle Öualen-

ja, freund, man rupft pich sogar deutsch
jvian lebt nur peinem "Wöhle
Qnd zum piner giebts Lag für Lag
Gekochte Stiefelsohte.

poch alles das mit Gleganz
Qnd manchen hört' ich loben:

„Jm H°tel 'pupfer ist man doch
Vortrefflich aufgehoben!“ h. Barth, Rom

£

Capri.

^^ch, in Capri auf der Snsel
Geht es höchst idyllisch zu,

Statt der Sterblichen Gewinsel
Herrscht dort fried’ und sel’ge puh.

pichterin und pichter klettern
ZTeils auf fetsen, mächtig gross,

Gssen teils auch jVtaccaror.i,

Schwimmend in Comatensauce.

Vcn fdascagnis Jtalienern,

"Wild gelockt und kostümiert,

"Wimmelt's hier — sogar das Grautier
Jst wie Lrojas T(oss frisiert.

Qnd die Jungfrau unter palmen
Schreibt drauf los mit ems’ger fand.

— "Was mich wundert, ist das eine:

pass sie ... nen Verleger fand. //. Barth, Rom.

rD

&v\aul Thumanns „Sommer" lässt den aufmerksamen Beschauer alle die Vor-
Züge erkennen, die den berühmten Meister auszeichnen. Halb Allegorie, halb
Wirklichkeit wandelt der Sommer in Gestalt eines voll erblühten schönen Mädchens
dahin. Die Anmut der Gestalt und der sinnvolle Ernst, der über dem Gemälde aus-
gebreitet liegt, fügt auch dies ein in die Reihe der Meisterschöpfungen des Künstlers.

* •*

Gebhardt’s interessantes Bild: „Hämon ersticht sich an der
Leiche Antigones“ führt den Beschauer in die antike Tragödie. Antigone,
die Tochter Oedipus, begleitete ihren Vater in die Verbannung nach Kolonos in
Attika und kehrte nach seinem Tode nach Theben zurück. Im Zuge der Sieben
gegen Theben war ihr Bruder Polyneikos gefallen und sie bestattete dessen
Leiche gegen das Verbot Kreons, des Königs von Theben, der sie dafür ver-
urteilte, lebendig begraben zu werden. Hämon, der Sohn des Kreon, war
der Bräutigam Antigones; er geriet über das tragische Verhängnis in Verzweif-
lung und tötete sich. Kreon verursachte durch sein grausames Verbot die
gänzliche Verwaisung seines Hauses. Der Maler hat mit diesem Bilde eine für
die Eigenart der antiken Tragödie charakteristische Scene veranschaulicht.

* *

*

eber E.’St an ton s „Sommerabend“ liegt es wie stille Zufriedenheit,
langsam zieht die Herde ihres Weges dahin; zwei Kinder haben sich an den
Rand des Weges gesetzt, um in der eintretenden Abendkühle sich zu er-
frischen nach heissem, sonnigen Nachmittag; kein Windzug weht über Feld,
Wald und Wiese; es scheint kein Laut mehr zu erklingen — alles atmet
Frieden und Ruhe. Der Künsler hat mit glücklichem Blicke die Stimmung
erschaut und mit Meisterschaft zu künstlerischer Anschauung gebracht. — Im

J§i1c1er> -<3^

Glanze der Farbe tritt uns das schöne Mädchen in F. Innocents „Blumen-
zauber“ entgegen. Das liebliche Blau ihres Auges, das üppige Rot ihres Mundes
und das satte Braun ihres duftiges Haares wetteifern mit dem leuchtenden Grün
und Rot ihrer Blumen, so dass uns aus dem Bilde ein voller, harmonischer
Farbenakkord entgegenleuchtet, dessen Wiedergabe auch in der Reproduktion
zu bester Geltung kommt. — Die plastische Gruppe „Meine Täubchen“ von
C. Bernewitz ist ein kleines Meisterwerk von entzückender Anmut und Schön-
heit. Die zarten Glieder des jugendlichen Mädchenkörpers sind in höchster
Zartheit modelliert; das Täubchen scheint in der Luft zu schweben und die
Schulter des Mädchens kaum zu berühren. Man vergisst, dass man das Abbild
einer Marmorplastik vor sich hat; es scheint als habe der Künstler dem toten
Steine Seele, Leben und Beweglichkeit verliehen. — Die antike Allegorie von
der Liebe „Amors zu Psyche“ geht durch die Künste aller Jahrhunderte, es
ist als wenn sich die Künstler von d esem Motiv nie trennen und nimmer
müde werden könnten, dem zarten Verhältnis Amors zu Psyche neue künst-
lerische Veranschaulichung zu geben. Und in der That ist das reizende Märchen
so reich an schönheitvollen Momenten, dass noch bis heute der gesamte Schön-
heitsgehalt nicht erschöpft ist. L. Comerre hat den Augenblick dargestellt, da
Psyche von Neugier überwältigt auf den ihr unbekannten schlafenden Geliebten
den Schein des Lichts fallen lässt und erkennt, dass es Amor, der süsse Gott der
Liebe ist, der an ihrer Seite ruht. — L. von Joncieres charakteristisches Bild:
„Sonntag-Vormittag im Tuilerien-Garten“ zeigt eine Gruppe französischer
Mädchen, die ihr Frühstück verzehren. Wer das Bild aufmerksam betrachtet,
wird finden, dass die weltbekannte französische Grazie sich auch bei jenen
Französinnen äussert, die nicht zu den oberen Zehntausend gehören.
 
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