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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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MODERNE KUNST.

XLI

Modernes

<yci dem five o’clock tea, der täglich in dem
Korridore des Hotel Ritz am Place Vendöme
die elegantesten und zugleich die schönsten Pari-
serinnen mit ihren Kavalieren vereint, fiel mir
die malerische Pracht der Theetische und ihres
silbernen und porzellanenen Geräts ganz beson-
ders auf, keinerlei uniforme Ausstattung, wie wir sie in Deutsch-
land bevorzugen, sondern in reizvoller Abwechslung, hier eng-
lische und russische gediegene Formen, mehr behäbig und
praktisch als graziös, dort die Sprache des Rokoko in all ihrer
bizarren Eleganz, zartgetönt und silberschimmernd, just so wie sie
Christofle an der Esplanade des Invalides ausstellte. Und doch
welcher Gegensatz! Nicht zum Wiedererkennen das dort Geschaute
mit den hier im Rahmen des bunt bewegten
Gesellschaftslebens zur praktischen Ver-
wendung kommenden Tassen, Kannen und
Schalen. Schlanke, leicht behandschuhte
Frauenhände führten diese Tassen zum
Munde, mischten sorglich mit der den Pariser
Frauen eigentümlichen Grazie den Trank,
hier Zucker und Citrone den silbernen Scha-
len entnehmend, dort den weissen Crhme
hinzugiessend. Dass nicht nur Silber und
Porzellan, sondern auch viele andere Leistun-
gen der französischen Nutzkunst in jenen
Nachmittagsstunden zur denkbar besten Gel-
tung, zu dem Eindruck gelangen, welchen
der Künstler beim Schaffen als höchstes Ziel
erstrebt, lehrte jeder Blick in das Hin- und
Herwogen dieses für Paris bezeichnenden
neuen Gesellschaftsbildes. Auch jene gra-
ziösen Thonfiguren von Bouval und
Bigot entschleiern erst hier als Schmuck der
Ecken und Wände ihre eigentliche Schönheit,
der Juweliere, welche wir alle zuerst mit Staunen, schliess-
lich wegen ihrer Quantität in den französischen Vitrinen
mit leisem Gähnen bewunderten, treten uns hier als etwas
durchaus Neues, Blendendes und Anziehendes ent-
gegen. Diese feingegliederte Gold kette, welche in
dem fächerförmigen Anhänger die sich entschleiernde
Wahrheit zeigt, ruht hier auf dem mattbraunen
Sammetgewande einer Schönen, deren rotgoldenes
Statuette von Bouval. Haar an Tizians Vorbilder gemahnt. Als jene dunkel-

äugige Frau neben uns ihren Chinchillapelz herabgleiten lässt, erscheint auf dem

Kunsfgcirerße.

Moderner Pariser Schmuck.
Die Werke

[Nachdruck verboten.]

zarten Perlgrau des Seidenkleides jene aus Fuchsien
gebildete Halskette, deren Blüten erst jetzt bei
den anmutigen Bewegungen ihrer Trägerin das rechte
Leben, die schimmernde Leuchtkraft entfalten. Vor
uns, an dem mit einem grossen Orchideenstrauss ge-
schmückten Theetisch, hat eben ein junges Mädchen Platz genommen,
welches, nachdem sie alle ihre Bekannten fröhlich begrüsst, selbst
wie ein Sonnenstrahl wirkt, ihr schwarzlockiges Haupt deckt eine
schlichte Toque, die, wie’s scheint, durch einen Kamm befestigt
ist, dessen aus Bernstein und Topasen zusammengefügte Sonnen-
rosen dem Kopf ein so pikantes Gepräge, eine solche fesselnde Sil-
houette geben, dass man den Blick immer von neuem zu ihm wendet.
Doch allzu lange darf dies Schwelgen
in einer Schönheit nicht dauern, immer
neue Gestalten gleiten vorüber, immer
neue malerische Gruppen, in denen ent-
weder die frische Jugend oder durch-
geistigte Eleganz dominiert, bilden sich
rings um uns. Schimmernde Metallgürtel,

Kleinodien in Gestalt von Handtäschchen,

Fächerhaltern, langgestielten Lorgnetten,
juwelenbesetzten Flacons, tauchen auf
und können minutenlang angesehen wer-
den. Das prüfende Auge wird bald zum
bewundernden. Und bald kommt uns die
Ueberzeugung: Es wird noch Jahrzehnte
dauern, ehe unsere Frauenwelt ihre
Schmucksachen mit so viel Grazie und
Geschmack zu tragen verstehen. Heines
„Du hast Diamanten und Perlen, mein
Liebchen, was willst Du noch mehr?“
wird hoffentlich in nicht zu ferner Zeit
einmal auch von den Schmuck erwer-
benden und Schmuck tragenden Deutschen mit dem
„Wir wollen geschmackvollen, originellen Schmuck,
das Wie gilt uns mehr als das Was“ beantwortet
werden. Aber vorderhand sind Perlen , Diamanten
und edles Gestein an grossen Fesfen auf Festkleidern
getragen noch die Signatur der deutschen Schmuck
besitzenden Frauen. Für wen Rene Lalique seit
einem Jahrzehnte gearbeitet und wer ihm für das nächste Jahrzehnt Bestellungen
gab, das ist ein überzeugender Beweis für das Gesagte — von deutschen Namen
finden sich fast nur Museums-Direktoren in den Listen der Käufer und Besteller
dieses genialsten aller französischen Goldschmiedekünstler. II. V.

Statuette aus Thon
von Goldscheider-Wien.

Zick-

G\

fidonie Balogh und Gisela Schmideck, die Prima-Bal 1 erinen
der Königl. Oper in Budapest. Budapest ist eine dankbare
Theaterstadt. Frühzeitig erwacht bei zahl-
reichen Töchtern und Söhnen der ungarischen
Residenzstadt der Hang für die darstellende
Kunst, für die Bühnenlaufbahn. Manches Talent
hat hier seinen Weg begonnen, um als glän-
zender Stern am deutschen Theaterhimmel auf-
zuleuchten. Aber gerade die elfengleich dahin-
schwebenden Ballerinen halten fest an der
vaterländischen Erde. Diesem Umstande ver-
dankte die Budapester Königl. Oper das lang-
jährige Wirken der Prima-Ballerina Frau Katicza
Müller. Ein plötzliches Unwohlsein dieser Dame
lenkte die Aufmerksamkeit der Operndirektion
auf Fräulein Sidonie Balogh, welche noch am
selben Abend die schwierige Partie der Darinka
in den „Roten Schuhen“ übernahm. Wohl
reichte die Leistung der dem Kindesalter kaum
entwachsenen Tänzerin damals noch nicht an
die vollendete choreographische und mimische
Leistung der Frau Müller heran, aber das
Publikum lohnte ihren Eifer mit lebhaftem
Beifall und dem Fachkundigen wurde es klar,
dass es nur weiterer Ausbildung bedarf, um
die vorhandenen Talente des Fräulein Balogh
voll entfalten zu lassen. Diese Einsicht ver-

Zack.

anlasste den damaligen Intendanten Baron Nopesa, die junge Tänzerin
und ein anderes sehr befähigtes Mitglied des Balletts, Fräulein Gisela
Schmideck, zur Ausbildung nach Mailand zu
entsenden, wo die zwei Mädchen ein volles Jahr
die höhere Tanzkunst studierten. Indessen trat
ein überraschendes und für die jungen Balle-
rinen wichtiges Ereignis ein. Ein Zerwürfnis
mit dem Intendanten zwang Frau Katicza Müller,
damals auf der höchsten Stufe ihrer Kunst
stehend, sich pensionieren zu lassen. Sie wurde
durch Antonie Barbieri einigermaassen ersetzt,
eine italienische Tänzerin, die derzeit in Amerika
gastiert. Das Engagement der Barbieri diente
als Uebergang zur Aera Balogh-Schmideck.
Die zwei Ungarinnen widmeten sich eifrig dem
Studium ihrer Kunst, sowohl in Mailand, wohin
sie wiederholt gingen, als in Budapest, wo der
vortreffliche Ballettmeister der königlichen Oper
Cäsar Smeraldi ihre Ausbildung überwachte
und vollendete. Für das grosse Publikum ist
Fräulein Sidonie Balogh schon heute die in
serieusen Tänzen derzeit erste ungarische
Ballerine, während es bei Fräulein Gisela
Schmideck die temperamentvolle Darstellung
der Charaktertänze bewundert. Für die Ein-
geweihten steht die definitive Ernennung der
Sidonie Balogh zur Prima-Ballerina nahe bevor.

Theetisch mit Silbergeschirr.

In Paris ausgestellt von Christofle & Cie., Paris.
 
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