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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Römer, Alwin: Cäsars Sommertraum: eine lustige Geschichte von Alwin Römer
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329

äsars iommerfraum,

Eine lustige Geschichte von Alwin Römer.

ein Herz zu Füssen, Entzückendste aller Gnädigen! .... Ah, wie
Sie wieder aussehen! Einfach betäubend! Lenz-Extrakt! Und gestern
Ihre Elsa? Eine Vision! Entschieden überirdisch!“ ereiferte sich Cäsar Gladitz,
der Neffe des Präsidenten, als er die Diva des Hoftheaters auf der Promenade
zum Bahnhof der kleinen, kunst-
frohen Residenz traf. Er galt in
den Augen der guten Bürger
von F . . . ., die' einen hohen
Respekt vor seinem gestrengen
Onkel mit den goldenen Borten-
stickereien auf der Gala-Uni-
form hatten, als Kunstkenner
und hielt sich selber auch da-
für, obwohl er weniger in den
Geheimnissen der Partituren als
in denen der Garderoben Be-
scheid wusste.

„Bester Herr Cäsar, Sie
waren schon wieder bei der
Honigbüchse!“ lächelte sie und
drohte ihm mit dem rosigen
Finger ihrer nicht behandschuhten
Linken, indem sie auf einen
Augenblick die grosse dänische
Dogge losliess, die sie bis dahin
kurz am Halsband geführt hatte.

„Nichts als die schlichte
Wahrheit!“ beteuerte er, die
Hand pathetisch auf die Stelle
seiner buntgetipfelten Weste
legend, unter der sein feuer-
gefährliches Zunderherz liegen
mochte.

„Im „Frühkourier “ steht
ganz etwas Anderes!“

„Ach, dieserldiot, der Doktor
Telbach, was versteht der denn
von Kunst? Ich bitte Sie! . . .

Phrasen, die er da herbetet,
nichts als Phrasen! Ueber-
müdung? Wer hat Ihnen die
angemerkt, ausser ihm?“

„Ich selbst!“

„Ab, sehr guter Witz! Und
dann die mangelhaften Einsätze
im dritten Akt? Nörgeleien! Ich
habe nichts gehört!“

„Sie haben eben galantere
Ohren, guter Herr Cäsar!“

„Aber ich habe den wackeren
Herrn Doktor schon lange auf
dem Rohre! Passen Sie auf,
wie ich nächstens mit ihm ab-
fahre! Ich habe es ihm lange
zugedacht!“

Thea Staudinger lachte ver-
gnügt auf, ehe sie sagte: „Nichts
da, lieber Freund, das besorge ich demnächst ganz allein!“

„Wahrhaftig?“

„Ach und wue! Sie sollen sich wundern!“

„Bravo, bravissimo, schon im voraus! . . . Und nun sagen Sie, wir sehen
uns doch morgen Abend bei dem famosen Fest, das unser braver Rosenheim
giebt?“

Thea zuckte bedauernd die Achseln.

„Nicht? Ja, weshalb? Hat er Sie beleidigt? Er ist doch ein netter Kerl,
wenn er über die Kunst auch nicht besser Zureden weiss, wie mans von einem
Bankier verlangen kann!“

„Dringende Abhaltung!“

„Nichts da! Wird nicht angenommen! Was soll ich denn anfangen, ohne
Sie als Tischdame? Und ich hatte alles so schön eingefädelt! Wollte Ihnen
endlich mal mein Herz ausschütten . . . und eine Sommerperspektive zeigen . . .
ah . . . Sie werden schon kommen! Sie müssen kommen, wenn Sie meinen
Uerzensfrieden nicht zeitlebens auf dem Gewissen haben wollen!“

C, Bernewitz: Meine Täubchen.

[Nachdruck verboten.]

„Es thut mir wirklich leid; aber ich muss verreisen!“

„Verreisen?“ fragte ganz erstaunt Cäsar. „Ja, wohin denn?“

„Geheimnis!“ entgegnete sie lächelnd.

„Mir dürfen Sie’s anvertrauen!“ — „Auf höheren Wunsch vorläufig

Niemandem!“

„Ah, ich ahne, Gastspiel in
Dresden oder wo! Aber da ver-
lieren wir Sie ja, wenn . . .
hm . . . Muss doch übrigens an-
gekündigt sein in den betreffen-
den Zeitungen! Sofort sehe
ich sie durch, um dahinter zu
kommen!“

„Das nützt Ihnen nichts!“
„Oho, Fräulein Staudinger!“
„Staudingert sich was! Ich
nehme doch einen anderen Namen
an!" lachte sie.

Er wiegte den Kopf hin
und her.

„Raffiniert!“ sagte er end-
lich bewundernd. „Aber doch
thöricht! Man hat doch Ver-
bindungen! Ich hätte wohl was
für Sie thun können in Dingsda ...
oder ist es München?“

„Thun könnten Sie aller-
dings etwas für mich . . .“

„Verfügen Sie ganz über
mich; ich brenne vor Ungeduld,
zu erfahren, wie ich . . .“

„Ja, wenn Sie also wirk-
lich wollen: bringen Sie mir

meine Dogge irgendwo unter . . .“
„Ihre Dogge?“ sagte er ent-
täuscht.

„Ach, das ist gar nicht so
leicht, Verehrtester; denn gut
muss es mein Figaro haben,
sonst nehme ich ihn doch lieber
mit, wenn er mir auch furchtbar
unbequem — gerade bei dieser
Reise — sein würde!“

„Sind Sie beruhigt, wenn
ich ihn bei mir behalte?“

„Ich weiss nicht, ob ich
Ihnen das zumuten darf; er hat
seine Eigenheiten . . .“

„Wir werden uns schon
vertragen, was Figaro?“ sagte
Cäsar und kraute der Dogge
den Kopf.

Figaro brummte, was nicht
gerade sehr vertrauensvoll klang.
Aber Cäsar Gladitz war ein
Optimist, und er hatte auch alle
Ursache dazu. Denn abgesehen
von seinem Präsidenten Onkel, der öfter tief in die Tasche griff, wenn gewisse
Leute dem guten Jungen die süsse Gewohnheit des Daseins mit Rechnungen
verbittern wollten, hatte er schon zwei Tanten beerbt und eine dritte, um die
es sich ganz besonders lohnte, in sicherer Aussicht.

„Sie unterschätzen, glaub ich, was sie da auf sich laden wollen . . .“ meinte
kritisch die Diva.

„Für Sie würde ich Löwen füttern und frisieren, Teuerste! Nein geben
Sie mir nur Ihren Liebling ohne Skrupel. Er soll sich an mich gewöhnen wie
an Sie selbst! . . . Und wenn der Sommer kommt ... äh ... waren Sie schon
einmal in Italien?“

„Nein!“ lächelte sie sinnend. „Aber ich hoffe in diesem Sommer . .

„Sie hoffen? Wirklich? Hoffen Sie? Ach, wie mich das glücklich macht!“
„Nun, wir werden ja sehen!“ sagte sie und wandte sich dann an die Dogge.
„Gelt, mit dem guten Herrchen dort gehst du, was, mein Figaro? Und dass du
brav bist, bis ich wiederkomme!“

Figaro knurrte nur. Für eine Versprechung konnte man es kaum gelten lassen.

XV. 83.
 
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