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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Römer, Alwin: Cäsars Sommertraum: eine lustige Geschichte von Alwin Römer
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0710

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330

MODERNE KUNST.

Dann gab sie noch ein paar Fingerzeige wegen der Beschaffung des Menus
für ihren Liebling und dann waren sie an der Bahnhofspforte angelangl.

„Ich glaube hier trennen wir uns, bester Herr Gladitz; sonst kommt er mir
auf den Perron nach!“

„Reisen Sie denn jetzt schon?“

„Natürlich! In einer Viertelstunde geht mein Zug!“

„Dann habe ich es also nur dem glücklichen Zufall zu danken, dass wir
uns noch vorher Adieu sagen — und ich gewürdigt worden bin, Figaro hier
zu behalten?“

„Ausser dem Intendanten sind Sie der einzige, der eine Ahnung hat . . .“

„Ich grolle auch nicht! Und nun Glück auf, wenn’s denn sein soll! . .

II.

Cäsar Gladitz hatte zu Hunden nie in einem näheren Verhältnis gestanden.
Aus der Jagd machte er sich nichts und für Luxushunde hatte er kein Ver-
ständnis. Mit Figaro durch die Strassen von F . . . . zu bummeln, war freilich
etwas Anderes.

Wusste doch die ganze Stadt, dass Figaro Niemand anderem als der eben-
so hübschen, wie unnahbaren Thea Staudinger gehörte, die sich der galanten
Hof- und Finanzwelt gegenüber auch noch nicht so viel vergeben hatte!
Die schneidigen Herren vom Militär würden Augen machen, wenn er plötzlich
mit dem Theaterhund auftauchte. Und er würde thun, als wäre das etwas ganz
Selbstverständliches! Wenn die Staudinger schon einmal verreisen muss, wem
soll sie den Figaro sonst anvertrauen? . . . Ah, es that wohl, sich in diesen
kleinen, pikanten Andeutungen zu ergehen und beneiden zu lassen! So ein
Wörtchen von Italien konnte er vielleicht auch schon riskieren. Es war ja so
gut wie abgemacht!

Und so begann er denn, als er in der Regentenstrasse dem ersten
Trüpplein guter Bekannter begegnete, seinen augenscheinlichen Triumph zu
gemessen . . .

Freilich als er gegen Mitternacht nach Hause kam und müde wie ein Holz-
hacker in die Federn kriechen wollte, musste er zu seinem unliebsamen Er-
staunen merken, dass so ein Triumph auch seine Schattenseiten habe. Figaro,
der sich bis dahin leidlich artig betragen und von aller Welt hatte bewundern
lassen, fing an, recht unbequem zu werden. Denn noch ehe Herr Cäsar dazu
gekommen war, seinen erschöpften Leichnam auf die Bettstatt zu strecken,
that Figaro einen mächtigen Satz und nahm vor ihm Besitz von dem schönen
weichen Lager; allerdings drängte er sich bescheiden hinten an die Wand,
sodass ihm noch eine sehr ansehnliche Breite zur Verfügung stand; doch
behagte ihm eine solche intime Nachbarschaft für die der Ruhe geweihten Stunden
durchaus nicht.

Was konnte dem Vieh alles einfallen, während er schlief? Das war eine
fatale Sache! Womöglich erlebte er einen Ueberfall; denn dass Figaro an
Schnarchen gewöhnt sei, war nicht gut anzunehmen. Er aber schnarchte! Un-
möglich durfte der Hund an dem so selbstverständlich eingenommenen Platze
bleiben!

„Komm herunter, Figarochen!“ sagte er und fing an, ihn zu krauen.

Der Hund brummte behaglich; aber er rührte sich nicht. Darauf versuchte
er es mit etwas Energie, und in befehlendem Tone, auf eine Decke im Zimmer
weisend, rief er halblaut:

„Allons, Figaro, hier kusch dich!“

Auch das nutzte nichts. Der Hund blinzelte nur; es sah aus, als ob er
seiner Verachtung damit einen recht pomadigen Ausdruck geben wollte.

Cäsar fuhr sich nervös durch das bedenklich dünne Haupthaar und ent-
schloss sich dann, mit einem kleinen Klapps nachzuhelfen. Aber kaum hatte er
diese unsanfte Berührung gewagt, als Figaro sich halb aufrichtete, seine Zähne
zeigte und die gross gewordenen Augen zornig funkeln liess.

„Krrrrrrrrrr! “ klang es drohend durch die friedliche Nachtstille. Cäsar
wich ein paar Schritte zurück und fing wieder an zu betteln. Nichts half.
Endlich wurde er wütend. Denn die Nachtkühle machte sich ihm an den
Beinen langsam bemerklich.

„Wenn du nicht gutwillig gehst, so musst du!“ rief er, und versuchte den
Figaro herauszuziehen.

Das war ein grosser strategischer Fehler, weil der in seinen Gewohn-
heitsrechten offenbar bitter gekränkte Liebling Thea Staudingers darauf ein
starkes und lautes Bellen anhob.

Wie der Hornruf Rolands aus dem Thale von Romjeval schallte es durch
die Lautlosigkeit des vornehmen Hauses, in dem Cäsar wohnte.

Dann folgte ein noch wütenderes, langgezogenes „Krrrr.“ Es war zu
erkennen, er würde sich ebenso wenig ergeben wie der grosse Paladin
Kaiser Karls.

Cäsar gab den ungleichen Kampf mit einem tiefen Seufzer auf wie der
Stärkere, der mutig einen Schritt zurückweicht, und bettete sich aufs Kanapee.
Das hatte zwar etwas steile Lehnen, dafür war es aber sehr hübsch kurz. Wenn
zwei sich darauf setzten, konnten sie sich auf die Dauer nicht von einander
abschliessen.

Es war ein trauriges Lager, dass durch die noch immer ziemlich niedrige
Nachttemperatur nicht angenehmer wurde.

Ihn fror ganz erbärmlich. Aber als er endlich eingeschlafen war, träumte
ihm von Italien . . .

Wie er am nächsten Abend von der Gesellschaft bei Rosenheim kam, wo
er mit Figaro weidlich renommiert und verschmitzt lächelnd Adressen italienischer
Hotels gesammelt hatte, begann die Komödie von neuem.

Figaro lag an seinem angestammten Platze und Cäsar versuchte ihn-zu ver-
treiben. Aber er zog wie gestern den kürzeren und bettete sich zuletzt wieder
auf das Kanapee.

„So viel weiss ich, Figarochen“, sagte er, als er verdriesslich das Licht
löschte, „nach Italien kommst du nicht mit!“

III.

Fünf Tage war nun Thea Staudinger schon fort. Fünf lange Tage! Und
dabei kam keine Zeile von ihr, keine Karte, kein Telegramm! Wie weggeweht
war sie. Auch in den Zeitungen stand nirgends etwas von einem Gastspiel
irgend einer Primadonna, das er hätte mit ihr in Verbindung bringen können.
Es war gar nicht schön von der Thea!

Voll Ungeduld pilgerte er mit Figaro täglich zum Bahnhof, ohne die Erwartete
zu sehen.

Ach, und es wurde wirklich Zeit, dass er wieder Besitz von seinem Bett
nahm. Ihm war schon ganz elend zu Mut von dem Prokrusteslager!

Da, am sechsten Tage, als er eben wieder die lange Allee zum Bahnhof
hinabtänzelte, riss sich Figaro plötzlich von ihm lös und jagte mit einem unver-
kennbaren Freudengeheul den Weg hinunter. Er rückte das Monocle zurecht
und sah angestrengt hinterher.

Richtig. Das war sie . . .

Oder doch nicht? . . .

Ihre Figur, ihre Haltung, der Gang, so leicht und elfenhaft , . . hm . . .
aber sie war nicht allein! . . . Und der Herr, der neben ihr ging, führte sie
am Arm!? . . .

Himmeldonnerwetter! Cäsar bekam einen leisen Schüttelfrost vor Schrecken
und seine Kniee begannen zu zittern.

„Figaro, Figaro!“ hörte er sie jauchzen. Bei Gott, das war ihre Stimme!
Das Monocle sank ihm aus dem Auge und seine Stirn legte sich in Falten.
Unwillkürlich blieb er stehn, um sie an sich herankommen zu lassen.

Und jetzt erkannte er das Fürchterliche.

Der sie führte, war niemand anders als der unverschämte Kritiker des
„Frühkouriers“, Doktor Telbach, ein Mensch, der sie fortwährend geschul-
meistert hatte in seinen Referaten. Und an den hatte sie ihre Ankunft ge-
schrieben! ... O Thea, Thea! . . .

Förmlich zog er den Cylinder, als das Paar näher kam.

„Grüss Gott, lieber Herr Gladitz!“ sagte sie und streckte ihm die Rechte hin.

„Endlich zurück, Fräulein Staudinger?“ fragte er halb verärgert, halb
beklommen.

„Wie Sie sehn! . . . Aber es hat sich ausgestaudingert, wie ich Ihnen bei
der Abreise schon sagte!“

„Was . . . meinen Sie . . . damit?“ stotterte er.

„Nun, jetzt dürfen Sie es wissen, was ich Ihnen auf höheren Befehl“ — sie
deutete dabei auf den Doktor Telbach — „damals verschweigen musste. Er
sass schon im Coupö an dem Tag, als ich auf den Bahnhof kam. Ich bin mit
ihm abgefahren“ — hier lächelte sie ein ganz klein wenig malitiös •— „und
am anderen Tag war unsere Hochzeit! In aller Heimlichkeit! Ach, aber dafür
um so schöner! Gelt, Konrad?“

„Ich gratuliere!“ würgte Cäsar krampfhaft lächelnd hervor und schüttelte
erst der Diva, dann dem Doktor, dem eingebildeten Narren, den er am liebsten
vergiftet hätte, die Hand.

„Ist das nicht eine allerliebste Ueberraschung? Was? ... Ja, ja, Figarochen,
ich bin wieder da! . . . War er denn artig, bester Herr Gladitz? Nicht so ganz,
gelt? Er hat seine Mucken! Wenn wir nach Italien gehen, kommt er drum nach
Zahna; ich hätte schon früher daran denken können! Vor allem jetzt aber herz-
lichen Dank, dass Sie ihn mir so gut aufgehoben haben!“

„O bitte, es war mir ein Vergnügen!“ sagte Cäsar. „Aber verzeihen Sie,
ich habe Eile, ein Telegramm von meiner Tante . . . mein Zug muss gleich
einfahren!“

„Wollen Sie verreisen?“

„Ich muss! Auf Wiedersehn!“

Hastig wandte er sich ab, ohne umzuschauen. Figaro und er würdigten
sich keines Blickes beim Abschied.

„Verdammtes Vieh! Also darum!“ knirschte er zwischen den Zähnen. Eine
Viertelstunde später sass er im Schnellzug nach Berlin, während das junge Paar
fröhlich nach F . . . . hineinspazierte, umtänzelt von Figaro, der sich vor Freude
nicht zu lassen wusste . . .

„Du bist doch eine recht boshafte kleine Frau!“ sagte zärtlich Doktor Telbach.

„Ah, er hatte es verdient, der gute Herr Cäsar!“ lachte Thea vergnügt.

„Cäsar heisst er? Richtig! . . . W'ollen wir den Figaro ihm zu Ehren fortan
nicht Minka nennen?“

„Konrad, ich glaube, Du bist noch boshafter als ich!“ drohte sie schalkhaft
und schmiegte sich zärtlich an ihn . , .
 
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