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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Die Ruhmeshalle in Barmen
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Unsere Bilder, [5]
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7<3

MODERNE KUNST.


von einem sanft geneigten griechischen Giebeldache. Der Eintritt in den Portikus
erfolgt über eine Freitreppe von 15 Stufen mit massiven Treppenwangen. In
dem Friese links erscheinen, gruppiert um die in der Mitte thronende Muse der
% Geschichte, die Hohenzollernfürsten vom Grossen Kurfürsten bis einschliesslich
Friedrich Wilhelm IV., das Emporwachsen Preussens zu seiner weltgeschicht-
lichen Bestimmung versinnbildlichend; rechts wird uns die Einigung Deutsch-
lands und die Wiederaufrichtung des Reiches vorgeführt. Was in diesen beiden
Darstellungen vorbereitet wurde, zeigt das Hochrelief des Giebelfeldes: Kunst
und Industrie, beschützt von der bewaffneten Germania. Originell sind auch die
Verzierungen an den Gebäudeecken, deren Charakterköpfe mit reichen Ge-
hängen die wichtigsten Berufsarten der Rheinprovinz andeuten. Somit stehen
alle plastischen Verzierungen im inneren Zusammenhänge mit der Gesamtidee des
Baues. Ueber der in reicher Kunstschmiedearbeit ausgeführten Haupteingangs-
thür steht die einfache Inschrift: „Ihren Kaisern die Bürger Barmens.“

Aus der Vorhalle führen zwei grosse Marmortreppen zu den Sälen des
Oberstocks in den beiden Seitenflügeln, in denen der Barmer Kunstverein sein
Heim gefunden hat. In den Erdgeschossen der Seitenflügel, mit besonderen Ein-
gängen an den Kopfseiten, sind links die städtische Bibliothek und rechts die
reichen Sammlungen des Bergischen Geschichtsvereins untergebracht.

Die eigentliche Ruhmeshalle ist ein auf quadratischer Grundlage mit vier
Eckpfeilern bis zu 37 m Höhe emporstrebender Kuppelbau. Den Uebergang zur

Kuppel vermitteln vier Gewölbezwickel, in denen reiche Flachreliefs die Herrscher-
tugenden Tapferkeit, Liebe, Glauben und Gerechtigkeit darstellen. Der obere
Teil der Kuppel ist mit Glas abgedeckt. Der Fussboden besteht aus weissem
Marmor mit kreisförmigem Fugenschnitte. In der Mitte ist in strengen Linien
der Reichsadler eingemeisselt, umrahmt von einem breiten Inschriftenbande.
An den Pfeilern, zwischen den Säulen der Nischen u. s. w. sind die Wappen
sämtlicher Bundesstaaten angebracht.

In der mittleren Nische steht Wilhelm I.; es ist der Kaiser, wie ihn das
Volk in der Mitte der siebziger Jahre kannte. Links vom Eingang ist Kaiser
Friedrich III. dargestellt in der vollen Blüte seines Lebens, angethan mit der
ritterlichen Uniform der Garde du Corps und dem Mantel des schwarzen Adler-
ordens. Ein würdigerer Raum zur Aufstellung der Standbilder ist kaum zu
denken: unwillkürlich zögert der Fuss, wenn man die drei Marmorstufen des
Eingangs emporsteigt, die Stimme dämpft sich zum Flüstern; man glaubt, unter
dem von der Kuppel einströmenden vollen Himmelslieht-e müssten die leuchtenden
Marmorgestalten wieder Leben annehmen, von ihren Postamenten herabsteigen
und unter uns wandeln! Der Erbauer der Halle und die Künstler der Stand-
bilder haben den erstrebten Zweck in vollem Umfange erreicht!

Zur endgültigen Vollendung der Ruhmeshalle fehlt nur noch ein wichtiger
Schmuck: die Ausmalung der vier grossen, halbkreisförmigen Wandflächen; aber
auch dazu sind bereits die nötigen Schritte eingeleitet. J. L. A.


•i-£>= CJosere Äildei«.

pjTosef Limburg. Vor zwei Jahren erregte auf der Grossen Berliner Kunst-
Ausstellung eine Gruppe „Die Macht der Töne“, die von einem gänzlich
unbekannten jungen Bildhauer ausgestellt war, die Aufmerksamkeit der Sach-
verständigen, weil das Werk ebensosehr von tiefer, leidenschaftlicher Empfindung,
als von einer bewunderungswerten Kenntnis des menschlichen Körpers zeugte.
Man fühlte, dass der Schöpfer desselben zu schönen Hoffnungen berechtige und
verlor ihn nicht mehr aus den Augen. Dass die von der Weiterentwickelung
Josef Limburgs gehegten Erwartungen keine unberechtigten waren, geht aus
seinen ferneren Schöpfungen hervor, die ihm vor kurzem den Rompreis ein-
trugen, der alljährlich von der akademischen Hochschule für die bildenden
Künste zu Berlin aus der dem Andenken des Dichters Michael Beer gewidmeten
Stiftung verteilt wird. Der junge Künstler, der einer Hanauer Goldschmiede-
familig entstammt, erregte schon in der Zeichenakademie seiner Vaterstadt, in
der er sich eine tüchtige Ausbildung im gewerblichen und dekorativen Zeichnen
erworben hat, die Aufmerksamkeit seiner Lehrer durch die ausserordentlich
glückliche Erfindungsgabe, die er besass. Wiederholt trugen ihm bereits damals
seine Entwürfe Diplome und Aufmunterungspreise ein. Im Jahre 1895 begab er
sich dann nach Wien, um sich, dem Wunsche seines Vaters entsprechend, dort
zum Goldschmiede auszubilden. Doch kamen ihm Zweifel, ob dieser Beruf
ihm das so heiss ersehnte künstlerische Ausleben seines Ich gestatten werde.
Er trat vorerst in eine Terrakottafabrik ein, und hier zeigte sich bald die her-
vorragende Begabung des jungen Hanauers für plastische Kunst. Es dauerte
auch nicht lange, bis der Wiener Meister Tilgner auf ihn aufmerksam wurde
und ihn als Schüler annahm. Ihm dankt er die bedeutsamsten Anregungen und
das immer klarer hervortretende Bewustsein, dass er allein in der Grossplastik
zur Entfaltung seiner wahren und innersten Künstlerschaft gelangen könne. Kurz
vor Tilgners Tode kam er, mit einem glänzenden Zeugnis des Meisters aus-
gestattet, nach Berlin. Daraufhin erliess ihm die akademische Hochschule für
die bildenden Künste die vorgeschriebene Aufnahmeprüfung im Zeichnen, und
er wurde gleich zum Examen in der Plastik zugelassen, das er mit Leichtig-
keit bestand. Bald nacheinander erhielt er dann mehrere Anerkennungsdiplome
für Kompositionen und Aktmodellieren, so auch, in der Konkurrenz um die
Friedrich-Eggers-Stif tung, die Prämie von 600 Mark. Auf der diesjährigen
Grossen Berliner Kunstausstellung hat er, neben mehreren Porträtbüsten, eine
reizende Kindergruppe „Junge Liebe“ ausgestellt, die schon mehrmals verkauft
ist; ebenso ist der „Abschied“ schon verschiedentlich begehrt worden. M. H.

* *

■rjljvaum ist bekanntlich in der kleinsten Hütte genug für ein glücklich
liebend Paar — gewiss, das Wort ist sehr schön, aber noch schöner und
sogar wahr wäre es, wenn man zum Leben, zum Lieben, zum Glücklichsein
nichts, gar nichts weiter brauchte, als eben Raum — aber, aber! A. C. Cooke
hat auf seinem Bilde „Enterbt“ ein junges Paar dargestellt, das nun wohl oder
übel in dem bekannten Raum in der kleinsten Hütte sein Glück suchen muss.
„Enterbt“ — ist ein hartes Wort, denn es bedeutet den Verlust von all dem, was

im Stande ist, das Hüttchen für die Liebenden angenehm und traulich zu ge-
stalten. Das Liebesglück wird jetzt auf eine harte Probe gestellt. Wird der junge
Mann im Stande sein, genügend Geld und Gut zu erwerben? Wird das junge
Weib um ihrer Liebe willen auf althergebrachtes Wohlleben verzichten können?
Zunächst sehen die beiden Leutchen aus, als dächten sie nach, während ihnen doch
vielleicht nur ob der unangenehmen Nachricht der Verstand stehen geblieben ist.

<§s liegt eine leise Ironie über dem Bilde „Losgesprochene Seelen“
von A. Dali’ Oca-Bianca. Die beiden Mädchen, welche die Kirchentreppe
eben herabgeschritten sind, haben ihre Beichte nicht sonderlich ernst ge-
nommen. Zwar ist es eine alte bekannte Thatsache, dass aus leichtlebigen
Schönen später ernste Büsserinnen werden, aber so weit sind die Beiden auf
dem Bilde noch nicht. Wenn die ersten Falten auf dem jetzt noch jugend-
frischen Gesichte erscheinen, stellt sich vielleicht eine andere Auffassung vom
kirchlichen Leben ein. .

[. Schlabitz „Sonntagnachmittag“. Es ist so still und feierlich in
der Schulstube. Die Rangen, die an Wochentagen dem Herrn Schulmeister
das Leben sauer machen, sind zu Hause geblieben; der Bakel liegt unbenützt
auf der Schulbank und niemand stört den stillen Sonntagsfrieden des alten
Lehrers. Er feiert seinen Ruhetag auf seine Weise. Das Haar ist wohl er-
bleicht, aber das Herz blieb frisch, und wenn die Stimme auch nicht mehr so
voll erklingt wie früher, wenn sie auch ein wenig krächzt, sie gehorcht noch
immer ihrem Herrn und die Finger spielen noch immer ganz sicher den Sang,
der einst in seliger Jugendzeit sein Lieblingslied war. Der Maler hat die
Stimmung, die über der Situation liegt, in prächtigster Weise zum Ausdrucke
gebracht. Der aufmerksame Beschauer des Bildes wird ergriffen von der
stillen Genügsamkeit und Lebensfreudigkeit, die sich der alte Lehrer bewahrt hat.

* i *

>■ W. Joy: „Jeanne d’Arc“. Sagen- und poesieumrauschte Gestalten,
wie die Jungfrau von Orleans, haben zu allen Zeiten die Phantasie immer aufs
neue angeregt und befruchtet. Und die Kunst, die so gern die Welt des schönen
Scheines den Sinnen der Menschen begreiflich macht, hat von jeher derartigen
romantischen Gestalten die höchste Aufmerksamkeit gewidmet. Auch das Kunst-
werk C. W. Joys, das die vorliegende Nummer schmückt, hat dieser Neigung
der Künstler seine Entstehung zu danken. Die Künstler-Phantasie begleitet
die Jungfrau von Orleans auf ihren Kriegszügen. Sie ist ermattet auf ein
Strohlager hingesunken; dunkle Nacht senkt sich auf sie herab, da steigt
ein Engel zu ihr hernieder und stützt ihre Füsse, die, der harten Rüstung
ungewohnt, ermüdet und verwundet sind. Es liegt ein geheimnisvoller Zauber
über der in Schlaf versunkenen Jungfrau, die keinem anderen Schutz sich
anheimgegeben, als dem des Engels, die nicht sorgt um den morgenden Tag, die
sich allein beschützt wähnt von dem festen Glauben an ihre göttliche Sendung.
 
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