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Roman aus der Bühnenwelt von Serafine De'tschy.
[Fortsetzung.] --
flfred bat sie zu warten, bis er das Gartenthor des kleinen Vor-
? gärtchens aufgeschlossen, lohnte dann den halb bewusstlosen
£/ Rosselenker ab und reichte Sarolta die Hand zum Aussteigen-
Ihre Hand berührte die seine, ihre Blicke trafen sich. Mit einem Impuls
hob er die Willenlose in seine Arme und, während der Wagen rasselnd
davonführ, trug er seine wonnige Last durch den Vorgarten, fest an sein
Herz gedrückt, indes seine Lippen sich durstig auf die ihrigen drückten.
In der. tiefen Thornische stellte er die Taumelnde nieder, glitt an ihr
herab auf die Knie, wühlte in zitternder Leidenschaft sein glühendes
Haupt in die schmiegsamen Seidenfalten ihres Gewandes und stöhnte nur,
zwischen Jauchzen und Schluchzen:
„Ich liebe Dich, liebe Dich, liebe Dich — verzeih mir!“
So standen sie eine Weile stumm; beide keiner Worte mächtig in
dem tiefen, stillen Frieden der schlafenden, knospenden Natur. Niemand
belauschte die mit ihrer Leidenschaft ringenden Menschen als die glitzern-
den, unruhvoll flimmernden Sterne, die wie elektrische Funken glühten
an dem dunklen Firmament.
Er fasste ihre Hände und drückte seine heissen Augen darauf:
„Vergieb, vergieb, — ich leide wie ein Wahnsinniger — ich ringe,
ich kämpfe, um diese Liebe aus meinem Herzen zu reissen, die eine Ver-
messenheit ist — aber einmal, einmal muss ich es sagen, ich müsste
sterben, dürfte ich es Dir nicht einmal sagen: Sarolta, ich liebe, liebe
Dich bis zum Wahnsinn!“ Thränen fielen auf ihre zitternden Finger, die
sie ihm überliess. Sie beugte sich und küsste sein Haar.
„Warum Thränen? — Liebe kommt von Gott, sie ist eine höhere
Macht, der wir gehorchen! Ich weiss es.“
„Sarolta!“ Ein Jubellaut war es. Er sprang auf und zog sie in seine
- [Nachdruck verboten.]
Arme. Die ihrigen schlangen sich wie eine sammtene Kette um seinen
Nacken, den sie zu sich niederbeugte, um die sehnsuchtsheissen frischen
Manneslippen zu küssen. Eine stille, selige Minute. Dann löste sie sich,
strich ihm das wirre Haar aus der erhitzten Stirne, und ihm in die Augen
sehend, tief, tief, als wollte sie seine Seele ergründen, sagte sie ernst:
„Auf Morgen!“
„Auf Morgen“, wiederholte er leise. „Mein Gott, — auf Morgen! —“
Dann küsste er nochmals die weichen süssen Lippen und flüsterte: „Was
auch der Morgen bringe — zürne mir nicht — bleibe mir gut!“
Und fort stürmte er, hinaus in die Lenznacht.
XII.
In dieser Nacht schliefen die beiden Menschen wenig, in deren Herzen
die Liebe siegreich Einzug hielt. Als Alfred mit wirrem Kopf und mit
siedenden Pulsen fortgestürmt war, hatte Sarolta sich leise, ohne Marie
zu wecken, in ihr Schlafzimmer geschlichen und stand da lange am ge-
öffneten Fenster, um in die duftende Lenzesnacht hinauszublicken. In
raschem Tempo floss das Blut durch ihre Adern und das Herz klopfte
in gewaltigen Schlägen, als wollte es die Brust sprengen.
War es denn wahr und wirklich? Sie sollte reine Liebe finden?
So hatte seine Mutter Recht! Er liebte sie! Doch warum dieser
lange, monatelange Kampf gegen diese Liebe? Sie hatte es vom ersten
Augenblick, da sie ihm begegnet, herausgefühlt, dass sie ihm nicht gleich-
gültig und dass sein Benehmen kein leerer „Flirt“ war. Schwieg er seit
Monaten, weil er nicht zu sprechen wagte? Fürchtete er, dass ihre Kunst
sie trennen würde? Das war allerdings ein schwerwiegender Punkt. Wie
sollte sich die Zukunft gestalten? Wie seine Mutter dachte, musste er
E. Mesples: Im Ballett-Probesaal.
Roman aus der Bühnenwelt von Serafine De'tschy.
[Fortsetzung.] --
flfred bat sie zu warten, bis er das Gartenthor des kleinen Vor-
? gärtchens aufgeschlossen, lohnte dann den halb bewusstlosen
£/ Rosselenker ab und reichte Sarolta die Hand zum Aussteigen-
Ihre Hand berührte die seine, ihre Blicke trafen sich. Mit einem Impuls
hob er die Willenlose in seine Arme und, während der Wagen rasselnd
davonführ, trug er seine wonnige Last durch den Vorgarten, fest an sein
Herz gedrückt, indes seine Lippen sich durstig auf die ihrigen drückten.
In der. tiefen Thornische stellte er die Taumelnde nieder, glitt an ihr
herab auf die Knie, wühlte in zitternder Leidenschaft sein glühendes
Haupt in die schmiegsamen Seidenfalten ihres Gewandes und stöhnte nur,
zwischen Jauchzen und Schluchzen:
„Ich liebe Dich, liebe Dich, liebe Dich — verzeih mir!“
So standen sie eine Weile stumm; beide keiner Worte mächtig in
dem tiefen, stillen Frieden der schlafenden, knospenden Natur. Niemand
belauschte die mit ihrer Leidenschaft ringenden Menschen als die glitzern-
den, unruhvoll flimmernden Sterne, die wie elektrische Funken glühten
an dem dunklen Firmament.
Er fasste ihre Hände und drückte seine heissen Augen darauf:
„Vergieb, vergieb, — ich leide wie ein Wahnsinniger — ich ringe,
ich kämpfe, um diese Liebe aus meinem Herzen zu reissen, die eine Ver-
messenheit ist — aber einmal, einmal muss ich es sagen, ich müsste
sterben, dürfte ich es Dir nicht einmal sagen: Sarolta, ich liebe, liebe
Dich bis zum Wahnsinn!“ Thränen fielen auf ihre zitternden Finger, die
sie ihm überliess. Sie beugte sich und küsste sein Haar.
„Warum Thränen? — Liebe kommt von Gott, sie ist eine höhere
Macht, der wir gehorchen! Ich weiss es.“
„Sarolta!“ Ein Jubellaut war es. Er sprang auf und zog sie in seine
- [Nachdruck verboten.]
Arme. Die ihrigen schlangen sich wie eine sammtene Kette um seinen
Nacken, den sie zu sich niederbeugte, um die sehnsuchtsheissen frischen
Manneslippen zu küssen. Eine stille, selige Minute. Dann löste sie sich,
strich ihm das wirre Haar aus der erhitzten Stirne, und ihm in die Augen
sehend, tief, tief, als wollte sie seine Seele ergründen, sagte sie ernst:
„Auf Morgen!“
„Auf Morgen“, wiederholte er leise. „Mein Gott, — auf Morgen! —“
Dann küsste er nochmals die weichen süssen Lippen und flüsterte: „Was
auch der Morgen bringe — zürne mir nicht — bleibe mir gut!“
Und fort stürmte er, hinaus in die Lenznacht.
XII.
In dieser Nacht schliefen die beiden Menschen wenig, in deren Herzen
die Liebe siegreich Einzug hielt. Als Alfred mit wirrem Kopf und mit
siedenden Pulsen fortgestürmt war, hatte Sarolta sich leise, ohne Marie
zu wecken, in ihr Schlafzimmer geschlichen und stand da lange am ge-
öffneten Fenster, um in die duftende Lenzesnacht hinauszublicken. In
raschem Tempo floss das Blut durch ihre Adern und das Herz klopfte
in gewaltigen Schlägen, als wollte es die Brust sprengen.
War es denn wahr und wirklich? Sie sollte reine Liebe finden?
So hatte seine Mutter Recht! Er liebte sie! Doch warum dieser
lange, monatelange Kampf gegen diese Liebe? Sie hatte es vom ersten
Augenblick, da sie ihm begegnet, herausgefühlt, dass sie ihm nicht gleich-
gültig und dass sein Benehmen kein leerer „Flirt“ war. Schwieg er seit
Monaten, weil er nicht zu sprechen wagte? Fürchtete er, dass ihre Kunst
sie trennen würde? Das war allerdings ein schwerwiegender Punkt. Wie
sollte sich die Zukunft gestalten? Wie seine Mutter dachte, musste er
E. Mesples: Im Ballett-Probesaal.