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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0230

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„paulus“ auj der Volksbühne.

Unter der Leitung Adalberts von
Arnim, des früheren Direktors des Deut-
schen Theaters in Breslau, wurde kürzlich
ein neues biblisches Schauspiel, „Paulus“
von M. Bertling, im grossen Saale des
Breslauer Konzerthauses aufgeführt, das aus
mehr als einem Grunde genauerer Betrach-
tung wert ist. Das Bertlingsche Stück hat
den Zweck, durch eine volkstümliche Wieder-
gabe geeigneter Bearbeitungen biblischer
Geschichten den Mitwirkenden wie den Zu-
schauern eine kräftige religiöse Anregung zu
teil werden zu lassen, ihnen die grossen Män-
ner der heiligen Schrift und die Umgebung,
in der sie wirkten und litten, durch lebens-
volle, geschichtlich treue Schilderung näher
zu bringen und vertrauter zu machen. Der Verfasser ist
Stadtprediger in Blankenburg am Harze. Er hat die in
der Apostelgeschichte Kap. 7—28 enthaltene Erzählung
von Stephani Märtyrertod und die Bekehrung des
grimnvgen Christenverfolgers Saulus von Tarsus durch
die Vision vor den Thoren von Damaskus, von den
wunderbaren Thaten des nun zum eifrigsten Verkündiger
der welterlösenden Lehren des Nazareners umgewan-
delten Paulus, von seinen Leiden und Gefangenschaften
bei Juden und Heiden bis zu seiner Sendung nach Rom
vor das Gericht des Kaisers zum Gegenstände einer
fleissigen Arbeit gemacht, die sich gewiss einen festen
Platz auf der Volksbühne erobern wird. Die Bilder,
wie sie die Apostelgeschichte in grossen, packenden
Zügen zeichnet, sind ohne festen Zusammenhang neben
einander gestellt und in eine für die scenische Vor-
führung passende Form gebracht, wobei Bertling recht
geschickt zu Werke gegangen ist. So begleiten wir
Paulus, nachdem er noch bei der Steinigung des
Stephanus über dieses schreckliche Ende eines „Läste-
rers des Herrn“ in Frohlocken ausgebrochen, dann
aber durch die Stimme Jesu vor Damascus auf den
rechten Weg geführt worden ist, zu dem nach Wahrheit
dürstenden Prätor Sergius Paulus, den er zu dem neuen
Glauben bekehrt, weiter nach Philippi, wo die Heilung
der vom Teufel besessenen Rhodope einen Volksauflauf
und die Einkerkerung des Apostels mit seinen Jüngern
zur Folge hat; wir sehen die Pforten des Gefängnisses
sich unter Donner und Erdbeben aufthun und treffen
dann Paulus in Athen wieder, wo er den dem unbe-
kannten Gott geweihten Altar für Christus den Welten-
richter in Anspruch nimmt. Das achte Bild zeigt den
durch Pauli Auftreten im Tempel zu Jerusalem ver-
ursachten Aufruhr und seine abermalige Verhaftung,
das neunte und zehnte die Verhandlungen vor dem
Landpfleger und Herodes Agrippa in Cäsarea. Mit dem
Ausrufe: „Auf denn

nach Rom, auf dass
auch dort erklinge die
frohe Botschaft von
dem Heil der Welt!“
schliesst das Stück,
dessen Sprache von
edler Einfachheit ist.

Wenn man be-
denkt, wie schwierig
es ist, mit Dilettanten
ein solches Werk in
Scene zu setzen, so
wird man den Leistun-
gen Lob und Anerken-
nung nicht versagen.

Nur die Hauptrolle
war einem Schauspie-
ler von Beruf anver-
traut worden. Die
übrigen Rollen spiel-
ten Dilettanten. Die
Menge bei den Volks-
scenen war gut grup-
piert und beweglich.

Sehr schön und wür-
dig war der musika-
lische Rahmen des
Ganzen, zu dem die
Oratorien „Elias“ und
„Paulus“ von Mendels-
sohn sowie Schuberts
23. Psalm und das
„Vater unser“ von
Krebs das Material
geli.fert hatten.

entwachsen ist? Nun, ich will es Ihnen anvertrauen! —
Frau Geheimrat Bach, kurzweg Miez genannt, und ihre
Lotte, die Sie ja kennen, sind in Italien, Kunst und
Natur kneipen! — Es ist für dies schöne Land noch etwas
früh; aber die Verhältnisse — die Pflichten erlaubten es
später nicht! Daher bekamen sie, also wir, denn ich
bin ja obige — ausser den üblichen Sehenswürdigkeiten

zweierlei Dinge gratis-„Schwitz und Moskitos“.

Geschwitzt haben wir nach Noten, besonders in der
lauen, ermattenden Luft der italienischen Seen. Und
noch mehr in der feucht - heissen Treibhausluft der
Riviera. Schön ist es da, märchenhaft schön!

Doch nun raus aus dem Sack mit dem Abenteuer,
meinen Sie! Also rin ins Vajniejen! — Wir lagen in
Monte Carlo fest. Grosse Unwetter hatten eine Ueber-
schwemmung an der Riviera hervorgerufen. Die Eisen-
bahnen durften nicht passieren. Reparaturen dauern bei
der berühmten Sparsamkeit italienischer Bahn-Gesell-
schaften mächtig lange. Also hiess es Geduld haben! Die
Leute mussten vier Tage diese Tugend üben, wir famoser-
weise nur einen. Die Nizzaer mussten alles in Oel essen,
denn ihre Butter blieb aus. Etsch,
wir im Fürstentum Monako be-
kamen unsere gewohnten Rationen.
Zwar schmeckt die edle Schmiere
dort eher nach Coldcream und
Lanolin •— — — was thut’s? Sie
war da! — Also wir jeden Vor-
und Nachmittag zur Bahn! End-
lich Depeschen-Anschlag! „Die
Strecke von Ventimiglia bis Genua
passierbar. Die Reisenden dürfen
aber nicht über 50 Pfund Gepäck
mitnehmen.“ — Bon, hurrah, es
geht los! Mehr Gepäck als fünfzig
Pfund hatten wir in unseren beiden
Handköfferchen gewiss nicht. —
Ein etwas dämlicher Bahnbeamter
meint, wir müssen ganz kleine
Strecken zu Fuss gehen; aber das
machte nichts, die Wege seien
sicher! — Wenn der Zug um neun
Uhr neun Minuten abgehen soll, so
sitzen Miez und ich, trotz unserer steten weiten Reisen,
immer noch circa eine Stunde vorher da. Reisefieber, an-
geborene Pünktlichkeit und die Sehnsucht nach Florenz
trieben uns auch schon diesmal um acht Uhr zum Bahn-
hofe. Wir hatten Glück. Mit echt südlicher Akkuratesse traf
der Nizzaer Zug zur Grenze mit einer Stunde Verspätung
grade ein. Wir ’rin, pardon hinein, meine ich! — Hockten
natürlich dafür in Ventimiglia desto länger, erledigten
aber die Zoll-Mumpitz-Revision in Gemütsruhe. — Ein
kleines, artiges Gewitterchen bereitete einstweilen auf
■kommende Hochgenüsse vor. Menschenskinder, hatte ich
einen Bammel! Trotzdem ich vor Miez Ruhe und Schnup-

pigkeit heuchelte!

Im Coupö, einem
grossen Durchgangs-
wagen zu vierund-
zwanzigPersonen, ging
es, wie immer hier zu
Lande, hoch her. Man
liebt sich innerlich
nicht. Man kann sich
sogar nicht ausstehen.
Man schadet sich von
Regierungswegen in
der Politik, man sehe
die Mächte in der
Chinafrage. Pscht,
nicht den Schnabel
verbrennen! Aber die
einzelnen Landeskin-
der sitzen sich in der
Fremde gemütlich ge-
genüber und heucheln
Liebenswürdigkeit und
Entgegenkommen. So
auch hier! — Da prrr-
ten und szstschstxpten
Russen und Polen,
kurahten und kuihten
die Engländer und
Amerikaner! Hier ele-
gante französische
Laute, das garnicht
schöne, italienische Ge-
schnarr, von fort-
währendem landes-
üblichem Ausspucken
begleitet — mitten-
mang deutsch! Teils

Arthur Sullivan

Achtundfünfzig Jahr alt ist im
November der populärste englische
Operettenkomponist Arthur Sulli-
van in London gestorben. Als im
Herbste dieses Jahres sei.i „Mikado“
zum ersten Male auf der Bühne
des Berliner Königlichen Theaters
erschien, reiste Sullivan nach Ber-
lin; Kaiser Wilhelm empfing ihn
und der englische Meister kehrte,
an Auszeichnungen reich, nach
England zurück. Sullivan hatte in
seiner Jugend in Leipzig studiert;
von 1876 an führte er die Leitung
der National Training School for
Arthur Sullivan. Music in London. Er hat nicht

weniger als 18 Operetten, eine
Oper (Ivanhoe) mehrere Oratorien und eine grosse An-
zahl von Ouvertüren und Kammermusikwerken ge-
schaffen. In Deutschland ist Sullivan
weiten Kreisen zuerst durch seinen „Mi-
kado“ bekannt geworden, der durch eine
englische Gesellschaft in vielen Städten
aufgeführt wurde und seitdem nirgends
ganz vom Repertoir der Bühnen ver-
schwunden ist.

Die Berliner Hange in Gefahr.

Kein „Plauder-“ aber ein „Schauder“brief.

Von Ernst Georg-y.

Wer hat es nun besser; derjenige,
welcher zu Hause bleibt und behaglich
liest, was für Unfälle in der Welt pas-
sieren oder der, welcher sie erlebt und
nach glücklicher Errettung damit prahlen
kann? Das ist eine Frage, was? Na, als
ich mitten drin steckte und darüber nach-
dachte, war ich mir ganz einig! Jetzt, wo
ich an die böse Geschichte zurückdenke
—- — — — — ich bin mir nicht klar
geworden, ob ich sie missen möchte! — Man kann sich so
schön mit der gewesenen Lebensgefahr brüsten! Es kitzelt
so angenehm, wenn man gemütlich im Trockenen sitzt und
sich sagen kann: „Gott, war das damals grauslich.“ —
Heute, wo ich noch unter dem frischen Eindruck stehe,
bestätige ich feierlich: „Ja, es war wirklich scheusslich!“
Mich schaudert, wenn ich daran denke! Uebrigens soll
es mit unglücklichen Lieben ebenso sein! Man schaudert

und dennoch — —-man möchte sie nicht missen!

Was war denn nun die Gefahr, fragen Sie? Was
kann einer waschechten Berliner Range für eine Gefahr
drohen, wenn sie der Zuchtrute der Eltern und Lehrer

Adalbert von Arnim, früher Direktor
des Breslauer Deutschen Theaters.

XV. 8 R 1.

Paulus vor König Agrippa.

Scenenhiltl nach der Breslauer Aufführung des biblischen Schauspieles .Paulus“ von M. Bertling.
 
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