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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Stiehler, Arthur: Konzert des Berliner Philharmonischen Orchesters
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Unsere Bilder, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0140

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64

Monzert des Äerliner ®bilhapmonischen Äpchesteps.

Wie reich auch immer die Hauptstadt des Deutschen Reiches an grossen
prachtvollen Sälen neuerdings geworden, in denen sich die vornehme
Welt in bunter Menge zusammenfindet, keiner ist grösser, keiner ist zweck-
mässiger eingerichtet und zugleich künstlerischer ausgestattet, als der grosse
Saal der Philharmonie in der Bernburgerstrasse.

Wenn der Herbstwind das gelbe Laub der spärlichen Stadtbäume über das
Strassenpflaster jagt, wenn graue Nebel ihre Schleier um die Laternen flechten,
wenn auch die letzten Nachzügler aus den Sommerfrischen wieder heimgekehrt
sind, dann beginnt das Leben in der Philharmonie immer stärker zu fluten,
Frau Musika ruft und ihr Ruf verhallt nicht ungehört.

Wagen auf Wagen rollt heran; schöne, elegante Frauen, in rauschende
Seide gekleidet, stattliche Offiziere in glänzender Uniform, junge Mädchen mit
neugierigen Augen und rosigen Wangen, Herren vom Civil im Gesellschafts-
anzuge, Alt und Jung, vorwiegend den ersten Gesellschaftskreisen Berlins an-
gehörend, entsteigen in bunter Reihe den Wagen, um sich im grossen Konzert-
saale zu einem vornehmen, vielgestaltigen Auditorium zu vereinen.

Frühling im Herbste!

Nichts spürt man hier von Sturm und Nebelflogen. Wohl zogen die singen-
den Vögel aus den Wäldern davon — aber Frau Musika sendet andere schöne
Wandervögel, die ihren entzückenden Gesang erklingen lassen. Marcella Sem-
brich, Lilly Lehmann, Marcella Pregi kommen und singen ihre Weisen schier
ebenso schön wie Jungfer Lerche und Frau Nachtigall.

So zart auch der leise Frühlingswind durch die Baumkronen säuselt, weiche
milde Geigenklänge thun es ihm gleich und spielen ihm sein „Waldweben“ nach.
Frühling im Herbste!

[Nachdruck verboten-!

Auch an Farben fehlts nicht im Revier. Wer seine Blicke von einer der
Logen aus über den Saal schweifen lässt, der wird erstaunen, welch eine Menge
von Farben ihm entgegen glänzt. So duftig schimmert es vom zarten Blau und
Violett, blendet es vom blütenhellen Weiss — wie von einem grossen Ilyacinthen-
beete, das ein warmer heller Frühlingstag zum Blühen brachte.

Frau Musika ist eine Zauberin; auf ihren Schwingen trägt sie des Menschen
Denken hinüber ins Reich der holden Phantasie; sie singt von Treue und Un-
treue, vom Tod und Auferstehen, vom Scheiden und Meiden, Wandern und
Wiedersehen, von Jagdfreude und Matrosenlust, vom Schneeglöckchen und Linden-
baum, vom Hirten und Soldaten, von Tanz und Todesgang und von all dem,
was einst das Herz erfüllte in des Lebens Lust und Leid.

Wie oft man auch den Frühling den Bringer der Lieder genannt hat —
Frau Musika thut es ihm gleich — sie zaubert Frühlingswonne und Frühlings-
hoffen in die Menschengemüter — so rauh auch draussen der Herbst weht.

Unser von E. Cucuel gemaltes Bild: „Konzert des Berliner Phil-
harmonischen Orchesters“ veranschaulicht in modern künstlerischer Weise
den Höhepunkt eines sogenannten Nikisch-Konzertes. Arthur Nikisch, der bei
allen Musikfreunden hochgeschätzte Dirigent der berühmten Leipziger Gewand-
haus-Konzerte, ist vom Athen an der Pleisse herübergekommen nach Spree-
athen. Wir sehen ihn an der Spitze des Philharmonischen Orchesters, das eine
Sängerin zum Gesänge begleitet. Wie tief innerlich die Wirkung des Liedes
ist, erkennt man an dem Gesichtsausdrucke der Zuschauer: wie leiser Frühlings-
hauch scheint es über ihre Züge zu huschen. Bewegungslos lauschen sie den
Klängen, die Meister Nikisch dem Orchester entlockt und dem Gesänge, der den
Lippen der Künstlerin entströmt. Arthur Stichler.

(Unsere

ß>

/^f\in friedliches Bild, der „Lesesaal des Deutschen Reichstages“! So
friedfertig, wie in den Zeitungsschränken die Blätter der einander feind-
seligst gesonnenen Parteirichtungen lagern, so leidenschaftslos ruhig sind hier
auch die Gemüter aller Reichstagmitglieder gestimmt. Kein Streit, kein Hader
der Parteien; nicht einmal ein lautes Wort ertönt in diesen heiligen Hallen.
Friede und Ruhe herrscht in diesem prächtigen Raume, Friede und Ruhe atmen
Schmuck und Ausstattung des Saales. So muss es aber auch sein, soll sich der
Leser seinem Stoffe — den politischen Tagesereignissen und den Nachrichten
aus der Heimat — ganz hingeben können. Die Uhr über dem reich aber nicht
überladen in schönster Renaissance aufgeführten Eingang zum Schreibsaal ruht
in prachtvollem Eichenholzschnitzwerk — üppige Kränze von Lorbeer- und
Eichenblältern, Fruchtguirlanden und Renaissance-Ornamente. Sie zeigt 20 Minuten
vor 12 Uhr; nur sieben Abgeordnete sind zu dieser Zeit — eine Stunde vor der
Plenarsitzung — hier versammelt. Die Mehrzahl weilt noch ausserhalb oder ist
in Konimissions- und Fraktionsberatungen beschäftigt. Während der Plenar-
sitzungen sieht es voller aus. Aber auch dann schlägt kein vordringlicher Laut
an das Ohr des Lesenden. Den Schritt der Ab- und Zugehenden dämpft ein
dichter handgeknüpfter Smyrnateppich, ein Meisterstück der Gross-Weberei
bei seiner Ausdehnung von 23 m Länge und 9’/a m Breite. Durch 4 mächtige
Fenster, entsprechend ebensovielen Flügelthüren — von denen aber nur zwei
im Gebrauch sind —- strömt das Licht herein in den ß'/a m hohen Saal und
erzeugt durch Rückstrahlung von den aus mässig dunklem Eichenholz und
wellig durchädertem, hellem —• ungarischem — Eschen holz bestehenden
Wänden im Verein mit dem zarten Blaugrau des Ueberzuges der Tische und
Armsessel ein behagliches Interieur. Von der polygonal kassettierten Decke,
deren Felder auf goldhellem Eschenholzgrunde dunkle Eichenholzarabesken
schmücken, hängen drei wunderschöne bronzene Ring-Krön leucht er herab,
deren Kränze von Türmen unterbrochene Stadtmauern darstellen, auf denen
reicher Weinlaubschmuck liegt, während an der Aufhängung aus der Mitte ein
schlanker Wartturm mit Zinnen und Türmchen emporragt. Zwei derselben
präsentieren sich auf unserem Bilde ganz ausgezeichnet. Diese Prachtstücke
sind, wie die anderen Kronleuchter des Reichstages, nach Wallots, des Erbauers
des Reichstaggebäudes, Angaben vom Architekten Dedreux gezeichnet und
von der Augsburger Firma L. A. Riedinger ausgeführt, während die Holz-
arbeiten, die Möbel, Vorhänge, Thüren etc. von der Mainzer Firma A. Bembe
herrühren. Die Wände zwischen den vier grossen Flügelthüren, deren helle
Flächen wieder die zarten Wellen des Eschenholzes zeigen, schmücken Gemälde
deutscher Gegenden oder historischer Bauwerke: rechts erblickt man auf unserem
Bilde ein Stück der Marien bürg von Carl Ludwig; die noch unbedeckte
Stelle nimmt gegenwärtig ein noch nicht vollendetes Bild der Wartburg von
Ludwig Dill ein; das dritte Bild an der Längswand stellt den Hafen Ham-
burgs nach G. Kuehl dar; gegenüber tritt der Dom von Speyer von Preller
uns entgegen, während die zweite Schmalwand ein grosses Gemälde von Arkona
auf Rügen von Eugen Bracht ausfüllt. Oben sind die Wände gegen die

J^ildeR

Decke durch einen farbenprächtigen, von Max Koch gemalten breiten Fries
abgeschlossen; tanzende, spielende und musizierende Puttenpaare halten frucht-
beladene Guirlanden, die sich von dem satten Goldgründe von Tierschädeln
überragt lebenswarm abheben. Dr. P. Nixdorf.

* *

,^er Zeusaltar im Pergamon - Museum zu Berlin. Auf der so-
genannten „Museumsinsel“ in der Nähe der Berliner Nationalgalerie gehen drei
grosse Museumsbauten ihrer Vollendung entgegen. Unter denselben wird das
Pergamon-Museum weitaus das grösste Interesse erregen; es wird die gegen die
Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. geschaffenen herrlichen Bildwerke des grossen
Altars Eumenes II., der einst auf der Burg zu Pergamon stand, aufnehmen; be-
kanntlich sind dieselben unter Humann mit Unterstützung des Deutschen Reiches
ausgegraben worden. Der Altar ist möglichst in seiner ursprünglichen Gestalt
aufgebaut und bedeckt einen Flächenraum von 31,34 m Länge und 28,53 m Breite.
Die eine Seite des Altars nimmt zum guten Teil eine grosse Treppe ein,
auf der man die Opfertiere hinaufschaffte. Die anderen drei Seiten und die
Wangen dieser Treppe waren mit Hochreliefs geschmückt, die den Kampf der
Götter mit den Giganten darstellen. Unsere Abbildung zeigt die Vorderseite des
Baues, dessen Bildwerke mit ihrer überraschenden Naturwahrheit, ihrer kräftigen
oft leidenschaftlichen Bewegung den Höhepunkt der durch Lessings Laokoon
weiten Kreisen vertraut gewordenen hellenistischen Kunstepoche darstellen.

^fn die wildverbissenen Kämpfe der Truppen der ersten französischen

Republik gegen die königstreuen Bauern der Vendee versetzt uns das Bild „Tod

des Generals Moulin“ von Jules Benoit-Levy, das in seiner packenden,

wuchtigen Realistik eine der Hauptzierden des Pariser Salons von 1900 bildet.

Cholet, eine heute etwa 15000 Einwohner zählende Landstadt im Departement

Maine et Loire, war lange der Mittelpunkt eines zähen und erbitterten Ringens.

In einem wütenden Strassenkampfe besiegten die regellosen Scharen der Bauern

im Jahre 1794 die republikanischen Truppen. Der in Cholet befehligende

General Moulin fiel, tapfer kämpfend, an der Spitze seiner Leute. E. K.

* *

*

ie oft eine an sich geringfügige Handlung doch „einen Schritt fürs
Leben“ bedeutet, zeigt Hans Dahls Bild. Die junge mit der Brautkrone
geschmückte Norwegerin steigt zwar nur an der Hand ihres Zukünftigen ins
Boot, aber sie befindet sich auf dem Wege zur Kirche, sie thut einen Schritt in
ein neues ihr unbekanntes Leben hinein, sie hofft, dass ihre Reise durchs Ehe-
leben eine ebenso sonnenbeschienene, eine so vor Stürmen bewahrte sein möge, wie
die von starken Armen gelenkte Fahrt ins Gotteshaus, die nur über klare, stille Flut
führt. — Otto Goldmanns Bild „Um auszuruhen“ giebt einer rührenden Stim-
mung künstlerischen Ausdruck. Das alte Mütterchen steht an der Klosterpforte, die
Hand ist zu matt und welk geworden, dass sie selbst die Glocke für den Pförtner
ziehen könnte, die freundliche Kloster-Schwester thut ihr den Liebesdienst und
führt sie ein in das stille Asyl, wo sie ihre müden Tage abzuschliessen gedenkt.
 
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