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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Mordhorst, Cárlos: Chilenische Schönheiten: Plauderein
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0630

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29*

MODERNE KUNST.

bädern Belgiens, Frankreichs, in Monaco, Nizza u. s. w., schwerlich aber in
Deutschland. Ich gebe zu, die Farben der Toilette sind oftmals etwas zu aus-
gesprochen und selbst mit der „modernen Richtung“ könnte man sie nicht ganz
entschuldigen. Aber ebenso wenig vermöchte ich zu behaupten, dass mein
ästhetisches Gefühl durch den Anblick der Farben beleidigt worden wäre.
„Chic“ bleibt die Chilenin trotz alledem. Im Theater, zur Zeit der Opernsaison
in der Flauptstadt der Andenrepublik, Santiago, entfaltet sich ein Luxus, wie
Sie ihn in keinem Hoftheater bei uns zu Hause sehen. Auch hier dürfte Paris
und neben Paris nur Buenos-Aires den Vergleich mit Santiago de Chile aus-
halten können. Prächtig, entzückend ist der Anblick eines voll besetzten Hauses
im Theatro Municipal. Die Herren im Frack oder Smoking und die Damen in
Balltoiletten. Es scheint, als wenn das schöne Geschlecht, das „bello sexo“,
darin wetteifert sich gegenseitig durch Prachtentfaltung in Roben und Juwelen
zu überbieten. Die italienische Oper selbst ist im Theater zur Nebensache
geworden, sie ist das Mittel zum Zweck: Ein Rendez-vous, wo man sieht und
gesehen wird! Ab und zu wendet sich der Blick herablassend der Bühne zu,
namentlich dann, wenn sich grosse dramatische Momente entrollen oder eine
bekannte Opernmelodie an die eigenen häuslichen Studien am Piano erinnern.

Clemcncia Cagles.

/hilenische Schönheiten.

Plauderei von Carlos Mordhorst, Hamburg.

[Nachdruck verboten.]

afcchön sind sie, bewunderungswürdig schön, die Töchter Chiles! Die Chileninnen
To haben mit den Spanierinnen vieles gemein, sind sie doch auch aus spanischem
Blut hervorgegangen, das sich vor Jahrhunderten, als die stolzen Castilianer
sich des südamerikanischen Bodens bemächtigten, mit dem der Ureinwohner
Chiles, den Indios, vermischte, dann aber, von Generation zu Generation ver-
feinert, eine neue Rasse, die Chilenen, bildete.

Glauben Sie, meine verehrten Leserinnen beileibe nicht, dass Sie einen
indianischen Typus vor sich haben. Bei den unteren Volksklassen, den
„rotos“ oder „huasos“ mag das zutreffen und es ist hier thatsächlich die
Kreuzung des indianischen Stammes mit den eingewanderten Spaniern un-
verkennbar. Aber die hohe Gesellschaft, die „Aristokratie“ unter den Chile-
ninnen, ist pretentiös genug sich ebenso vor-
nehm zu halten wie ihresgleichen in anderen
civilisierten Nationen Europas. In einzelnen
Fällen, die mir bekannt, hat sich thatsäch-
lich auch das spanische Blut von Generation
zu Generation rein erhalten. Bei den Familien
Ross, Edwards, Mac Clure u. s. w. ist,
wie man leicht vermuten kann, der typisch
englische Namen auch auf Ehen zurückzu-
führen, die Engländer oder Amerikaner mit
Chileninnen eingegangen sind.

Erinnern Sie eine vornehme Chilenin
um Himmelswillen nicht daran, dass sie ein
Stück einer Mestizin oder Creolin sei, Sie
hätten ihren Stolz und ihre Eitelkeit aufs
empfindlichste gekränkt!

Besuchen Sie die Promenade oder das
Theater in den grösseren Städten und Sie
werden vielleicht selbst ein heimlich ge-
hegtes Vorurteil schwinden lassen, wenn Sie
beispielsweise nur den Luxus in der Toiletten-
entfaltung sehen. Aehnliclies finden Sie wohl
nur in Paris oder zur Saison in den Spiel-

Bianca Wilms,

Ines Pereira.

Auf der Promenade, sei es beim Wagenkorso in der „Alameda de las Delicias“
(wörtlich Allee des Entzückens) einer der grossartigsten Boulevards der Welt,

der die „Linden“ in Berlin sowohl an Ausdehnung
wie Breite weit in den Schatten stellt, oder im
„Parque Cousino“, ein von der vor Jahresfrist
verstorbenen, als reichste Dame der Welt ange-
sehenen Frau Isidora Cousino der Stadt geschenkter
Park, oder endlich auf den fast allabendlich statt-
findenden Konzerten auf der „Plaza“, überall finden
wir die Chilenin in grosser Toilette, heiter scher-
zend, plaudernd und kokettierend.

Ein edler Wuchs, ein feiner, transparenter
Teint, grosse sprühende Augen, eine grosse aber
klassisch geformte Nase und endlich der allen Süd-
amerikanerinnen eigene, prächtige Kopfschmuck
vereinigen das Bild zu einem überaus reizvollen.
Müssen beim Anblick so vieler Tugenden, bei den
Klängen der Musik und dem lauen Sommerabend
die Pulse nicht höher schlagen? Liebenswürdigkeit
und Gesprächigkeit sind andere Charaktereigen-
schaften der Chileninnen. Die Konversation kommt
nur selten bei ihr ins Stocken. Die freie und nach-
sichtige Erziehung, in welcher die chilenischen
Kinder gross werden, ist wohl neben der allen
Nationen romanischen Ursprungs eigenen Rede-
 
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