VI
MODERNE KUNST.
Trinkendes Mädchen,
moderne Bronze - Plakette von
Daniel Dupuis.
ier Aufschwung des deutschen Kunstgewerbes
hat leider ein Gebiet noch nicht berührt, auf dem
Frankreich Hervorragendes leistet — das Gebiet der
Reliefplastik zum Schmuck von Gegenständen des
täglichen Gebrauches. Frankreich ist das einzige Land,
das gegenwärtig grosse Meister der Kleinreliefkunst
sein eigen nennen kann, Daniel Dupuis’ „trin-
kendes Mädchen“, das wir nach dem Bronze-
Original wiedergeben, darf als die Perle der neueren
Pariser Prägungen gelten und hat dementsprechend
die höchste Auszeichnung erhalten.
Die Frauenemanzipation wird jetzt auch auf die
Bühne ausgedehnt; wir haben weibliche Direktoren,
weibliche Hamlets und Romeos und sc kann es nicht
wunder nehmen, wenn auch das liederliche Kleeblatt in Nestroys „Lumpaci-
vagabundus“ sich einmal in weiblicher Besetzung auf der Bühne
präsentiert. Als in diesem Sommer Hansi Niese mit dem
Ensemble des Wiener Josephstädtischen Theaters am
Neuen Theater in Berlin gastierte, gelüstete es sie, die
Rolle des Knieriem zu spielen und weil das lieder-
liche Kleeblatt doch nicht gut zwei Geschlechtern
angehören kann, so wurde auch die Rolle des
Zwirn (Frau Pohl-Meiser) und die des Leim
einer Dame (Frl. Mizzi Palme) anvertraut.
Frau Hansi Niese verlieh der Rolle wirk-
lich männliches Gepräge, das sich nicht
nur äusserlich in ihrer Maske zeigte.
* *
*
Der Herkomerturm in Lands-
berg am Lech. Ein kleines weltver-
gessenes Dorf, Waal bei Landsberg
am Lech, ist die Geburtsstätte Hubert
Ilerkomers. Vom Lech durchzogen,
von grünen lachenden Gefilden rings
umgeben, in der Ferne beschirmt von
den starren Bergkolossen des bayri-
schen Hochlandes, birgt der kleine be-
triebsame Ort ein dauerndes Denk-
mal des Schaffensgeistes seines grossen
Sohnes. Zum Andenken nämlich an seine
Mutter, die in Landsberg bestattet, und als
Ruhe-
sitz nach
strenger, un-
aufhaltsamer Arbeit,
hat Herkomer sich
hier ein eigenartiges
führte, kam er 1859 an das königl. Opernhaus
in Berlin, dessen Verband er bis zu seiner
Pensionierung ununterbrochen angehört hat.
Unter den Bühnensängern der Gegenwart nahm
Betz eine der allerersten Stellen ein; mit der
Gabe einer herrlichen Baritonstimme war ihm
auch echt künstleri-
sche Intelligenz und
eine grosse dramati-
sche Gestaltungskraft
verliehen. So besass
den idealen Wagner-
Kammersänger Betz,
er alle Eigenschaften, die
Sänger ausmachen.
Wilhelm. Steinitz.
hat Wilhelm Steinitz,
Grabe getragen haben,
Weltschach-
stan-
Wilh. Steinitz.
Das liederliche Kleeblatt
in weiblicher Besetzung.
Annähernd 40 Jahre lang
den sie vor kurzem zu
den Ehrenplatz auf dem
thron zu behaupten ver-
den. Gegen die stärksten
Kämpen des „königlichen
Spiels“ blieb er Sieger.
Selbst der Schachheros Anderssen, der bis dahin
nur einmal, und zwar 1851 in Paris gegen
Morpliy, unterlegen war, wurde von Steinitz
1868 in London geschlagen. Seine Partien
wurden auf tausenden von Brettern nach-
gespielt, nachdem die Tages- und Fach-
blätter die Züge des Meisters, die ihnen
nicht selten durch Kabeltelegramm zu-
gekommen waren, in aller Welt be-
kannt gemacht hatten. Die Eigenart
des Steinitzschen Spieles bestand in
derDurchgeistigung der Verteidigung
und in der auf das Allergenaueste
erwogenen Gewinnung einer stra-
tegisch vorteilhaften Position, ehe er
zum eigentlichen Angriff überging.
Steinitz stammte aus sehr dürftigen
Verhältnissen, war geboren am 18. Mai
1837 in Prag, zeichnete sich schon im
Gymnasium durch mathematische Be-
gabung aus, bezog 1858 die höhere tech-
nische Lehranstalt in Wien, wo er sich
seinen bescheidenen Unterhalt durch Bericht-
erstattung für Zeitungen erwarb und lenkte durch
sein geniales Schachspiel im Cafe de l’Europe,
dem damaligen Sammelpunkte aller Schachfreunde
der österreichischen Haupt-
stadt, die Aufmerksamkeit weiter
Kreise auf sich. Im Jahre 1862 wandte
er sich nach London, und hier bildete
er sich zum Meisterschaftsspieler aus.
Herkomer-Turm in Landsberg am Lech.
Bauwerk geschaffen, den „Mutter-
turm“, in den er zu längerem Auf-
enthalte in regelmässigen Pausen
einkehrt, um wieder in der Heimat
zu sein, wieder an heimischen
Menschen und Dingen sich zu
erfreuen. Der mächtige Turm,
der von aussen der Warte eines
Raubritterschlosses gleicht, ist im
Innern so wohnlich und mit solch
künstlerischer Vollendung einge-
richtet, wie es nur die Hand des
Meisters zu gestalten vermag,
während die grüne Umgebung,
die vorbeifliessenden Fluten des
Lech, der hoch hinauf am Turm
sich rankende Epheu dem Bau-
werke auch landschaftlich manch intimen Reiz verleihen.
Dr. J M.
Der als unvergleichlicher Meistersänger bekannte Baritonist Franz Betz ist
am II. August in Berlin im Alter von 65 Jahren gestorben. Kammersänger Betz
stammt aus Mainz, wo er am 19. März 1835 geboren wurde; seine Bühnenlaufbahn
begann er 1856 in Hannover; nach einem drei Jahre dauernden Wanderleben,
das ihn über die Bühnen von: Altenburg, Gera, Bernburg, Cöthen und Rostock
Später ging er nach New-York, gründete dort das
angesehene „American Chefs Magazine“ und wurde
auch amerikanischer Staatsbürger. O. D.
* *
*
Frediani-Truppe, Akrobaten zu Pferde.
Grosses Aufsehen rief im verflossenen Sommer im
Nouveau Cirque zu Paris eine Akrobaten-Truppe
zu Pferde hervor, welche für den kommenden
Winter für die Berliner Saison des Cirkus Busch
verpflichtet worden ist. Die originellen akrobati-
schen Produktionen, welche von der . Italiener Willy
Frediani erfunden und zuerst vorgeführt worden
sind, werden von drei Mitgliedern der Frediani-
Truppe auf einem Pferde ausgeführt. Die „Arbeit“
der Akrobaten, welche zuerst zu Zweien arbeiten,
beginnt mit vorzüglichen Hand in Hand-
ständen, Schulter- und Kopfständen sowie
einem Vorwärts-Saltomortale von den Schul-
tern des Partners auf den Panneau-Sattel des
galoppierenden Pferdes. Dann schwingt sich
schnell der Dritte und kleinste hinauf, und eine
Säule, drei Mann hoch Schulter auf Schulter,
wird gebildet. Den Schluss dieses Aktes bildet
ein Saltomortale des kleinsten Frediani, der
Die Frediani-Truppe
MODERNE KUNST.
Trinkendes Mädchen,
moderne Bronze - Plakette von
Daniel Dupuis.
ier Aufschwung des deutschen Kunstgewerbes
hat leider ein Gebiet noch nicht berührt, auf dem
Frankreich Hervorragendes leistet — das Gebiet der
Reliefplastik zum Schmuck von Gegenständen des
täglichen Gebrauches. Frankreich ist das einzige Land,
das gegenwärtig grosse Meister der Kleinreliefkunst
sein eigen nennen kann, Daniel Dupuis’ „trin-
kendes Mädchen“, das wir nach dem Bronze-
Original wiedergeben, darf als die Perle der neueren
Pariser Prägungen gelten und hat dementsprechend
die höchste Auszeichnung erhalten.
Die Frauenemanzipation wird jetzt auch auf die
Bühne ausgedehnt; wir haben weibliche Direktoren,
weibliche Hamlets und Romeos und sc kann es nicht
wunder nehmen, wenn auch das liederliche Kleeblatt in Nestroys „Lumpaci-
vagabundus“ sich einmal in weiblicher Besetzung auf der Bühne
präsentiert. Als in diesem Sommer Hansi Niese mit dem
Ensemble des Wiener Josephstädtischen Theaters am
Neuen Theater in Berlin gastierte, gelüstete es sie, die
Rolle des Knieriem zu spielen und weil das lieder-
liche Kleeblatt doch nicht gut zwei Geschlechtern
angehören kann, so wurde auch die Rolle des
Zwirn (Frau Pohl-Meiser) und die des Leim
einer Dame (Frl. Mizzi Palme) anvertraut.
Frau Hansi Niese verlieh der Rolle wirk-
lich männliches Gepräge, das sich nicht
nur äusserlich in ihrer Maske zeigte.
* *
*
Der Herkomerturm in Lands-
berg am Lech. Ein kleines weltver-
gessenes Dorf, Waal bei Landsberg
am Lech, ist die Geburtsstätte Hubert
Ilerkomers. Vom Lech durchzogen,
von grünen lachenden Gefilden rings
umgeben, in der Ferne beschirmt von
den starren Bergkolossen des bayri-
schen Hochlandes, birgt der kleine be-
triebsame Ort ein dauerndes Denk-
mal des Schaffensgeistes seines grossen
Sohnes. Zum Andenken nämlich an seine
Mutter, die in Landsberg bestattet, und als
Ruhe-
sitz nach
strenger, un-
aufhaltsamer Arbeit,
hat Herkomer sich
hier ein eigenartiges
führte, kam er 1859 an das königl. Opernhaus
in Berlin, dessen Verband er bis zu seiner
Pensionierung ununterbrochen angehört hat.
Unter den Bühnensängern der Gegenwart nahm
Betz eine der allerersten Stellen ein; mit der
Gabe einer herrlichen Baritonstimme war ihm
auch echt künstleri-
sche Intelligenz und
eine grosse dramati-
sche Gestaltungskraft
verliehen. So besass
den idealen Wagner-
Kammersänger Betz,
er alle Eigenschaften, die
Sänger ausmachen.
Wilhelm. Steinitz.
hat Wilhelm Steinitz,
Grabe getragen haben,
Weltschach-
stan-
Wilh. Steinitz.
Das liederliche Kleeblatt
in weiblicher Besetzung.
Annähernd 40 Jahre lang
den sie vor kurzem zu
den Ehrenplatz auf dem
thron zu behaupten ver-
den. Gegen die stärksten
Kämpen des „königlichen
Spiels“ blieb er Sieger.
Selbst der Schachheros Anderssen, der bis dahin
nur einmal, und zwar 1851 in Paris gegen
Morpliy, unterlegen war, wurde von Steinitz
1868 in London geschlagen. Seine Partien
wurden auf tausenden von Brettern nach-
gespielt, nachdem die Tages- und Fach-
blätter die Züge des Meisters, die ihnen
nicht selten durch Kabeltelegramm zu-
gekommen waren, in aller Welt be-
kannt gemacht hatten. Die Eigenart
des Steinitzschen Spieles bestand in
derDurchgeistigung der Verteidigung
und in der auf das Allergenaueste
erwogenen Gewinnung einer stra-
tegisch vorteilhaften Position, ehe er
zum eigentlichen Angriff überging.
Steinitz stammte aus sehr dürftigen
Verhältnissen, war geboren am 18. Mai
1837 in Prag, zeichnete sich schon im
Gymnasium durch mathematische Be-
gabung aus, bezog 1858 die höhere tech-
nische Lehranstalt in Wien, wo er sich
seinen bescheidenen Unterhalt durch Bericht-
erstattung für Zeitungen erwarb und lenkte durch
sein geniales Schachspiel im Cafe de l’Europe,
dem damaligen Sammelpunkte aller Schachfreunde
der österreichischen Haupt-
stadt, die Aufmerksamkeit weiter
Kreise auf sich. Im Jahre 1862 wandte
er sich nach London, und hier bildete
er sich zum Meisterschaftsspieler aus.
Herkomer-Turm in Landsberg am Lech.
Bauwerk geschaffen, den „Mutter-
turm“, in den er zu längerem Auf-
enthalte in regelmässigen Pausen
einkehrt, um wieder in der Heimat
zu sein, wieder an heimischen
Menschen und Dingen sich zu
erfreuen. Der mächtige Turm,
der von aussen der Warte eines
Raubritterschlosses gleicht, ist im
Innern so wohnlich und mit solch
künstlerischer Vollendung einge-
richtet, wie es nur die Hand des
Meisters zu gestalten vermag,
während die grüne Umgebung,
die vorbeifliessenden Fluten des
Lech, der hoch hinauf am Turm
sich rankende Epheu dem Bau-
werke auch landschaftlich manch intimen Reiz verleihen.
Dr. J M.
Der als unvergleichlicher Meistersänger bekannte Baritonist Franz Betz ist
am II. August in Berlin im Alter von 65 Jahren gestorben. Kammersänger Betz
stammt aus Mainz, wo er am 19. März 1835 geboren wurde; seine Bühnenlaufbahn
begann er 1856 in Hannover; nach einem drei Jahre dauernden Wanderleben,
das ihn über die Bühnen von: Altenburg, Gera, Bernburg, Cöthen und Rostock
Später ging er nach New-York, gründete dort das
angesehene „American Chefs Magazine“ und wurde
auch amerikanischer Staatsbürger. O. D.
* *
*
Frediani-Truppe, Akrobaten zu Pferde.
Grosses Aufsehen rief im verflossenen Sommer im
Nouveau Cirque zu Paris eine Akrobaten-Truppe
zu Pferde hervor, welche für den kommenden
Winter für die Berliner Saison des Cirkus Busch
verpflichtet worden ist. Die originellen akrobati-
schen Produktionen, welche von der . Italiener Willy
Frediani erfunden und zuerst vorgeführt worden
sind, werden von drei Mitgliedern der Frediani-
Truppe auf einem Pferde ausgeführt. Die „Arbeit“
der Akrobaten, welche zuerst zu Zweien arbeiten,
beginnt mit vorzüglichen Hand in Hand-
ständen, Schulter- und Kopfständen sowie
einem Vorwärts-Saltomortale von den Schul-
tern des Partners auf den Panneau-Sattel des
galoppierenden Pferdes. Dann schwingt sich
schnell der Dritte und kleinste hinauf, und eine
Säule, drei Mann hoch Schulter auf Schulter,
wird gebildet. Den Schluss dieses Aktes bildet
ein Saltomortale des kleinsten Frediani, der
Die Frediani-Truppe