MODERNE KUNST.
Familienkreis,
vielleicht ge-
sichertes
Glück ver-
lassen, so
wollte sie auch
das Panier
hochhalten.
Sie wusste und fühlte,
dass sie eine be-
rufene, echte Prie-
sterin der reinen
Kunst sei; sie war
verpflichtet, für die
Ideale, die sie zu ver-
wirklichen hatte, zu
kämpfen und sich
durch Machinationen
von Protcktions- hindern nicht ausdem
Sattel heben zu lassen. Aber wie
erbärmlich war es für ihr anerkanntes
Können immer wieder kämpfen zu müssen gegen im Dunkel schleichende,
fragwürdige Existenzen, die oft die ihrige bedrohten!
Und hatte man nicht ihr selbst, der ehrlichen Kämpferin, zweideutige
Protektionen in unzweideutiger Form angeboten? Hatte nicht ein solch
unreines Anerbieten vor nicht allzulanger Zeit erst ihr reinstes, heiligstes
Gefühl aufs Schmerzlichste getroffen.
Oh schöne Kunst, mit wieviel Schmutz bist du umgeben! dachte sie.
Welche Seelenkraft ist nötig, dich leuchtend in der Brust als Edelstein
zu wahren und nicht mutlos im Ekel zu versinken!
Sie atmete auf, als sie in ihrem kleinen Heim angelangt, wieder von
Behagen, Schönheit und Treue umringt, die Thüre ihres Studierzimmers
öffnete, des Tempels, wo sie ungestört ihrer Göttin dienen konnte.
der Anciennetät zu brechen, die furchtbarste Macht an Hofbühnen, wo das
Rollenmonopol dem Dienstalter, nicht aber nach Begabung zufällt. Hält
aber Ihre Elsa, was Isolde versprach und bringt sie uns wieder ein so
übervolles Haus, dann spricht der pekuniäre Standpunkt mit und ich
habe auch in Besetzung und Repertoire freie Hand! •— D’accord?“
Sie fühlte, sie habe einen halben Sieg errungen, sie konnte also
nachgeben. So erklärte sie sich einverstanden und galant geleitete
Geheimrat von Theuern die Künstlerin bis an die Thüre des Korridors.
Dies Wetter wäre ja glücklich abgelenkt, dachte sie, als sie mit vor
Erregung glühenden Wangen die lange Lindenallee hinabeilte, die auf
ihre Wohnung zuführte. Welch ein Boden, dachte sie. Schon heute, nach
dem ersten grossen Erfolge, nach dem spontanen Zujubeln des Publikums
fand sie Steine in ihren Weg gestreut, über die sie ausgleiten sollte. Oh,
nun hiess es doppelt fest auf den Füssen stehen! Sie liebte ihre Kunst mit
reiner, priesterlicher Liebe, ihretwegen hatte sie Heimat, ehrenvollen
E. Thiel: Eine Werkstätte der Bühnentracht.
Schwertfeger.
Familienkreis,
vielleicht ge-
sichertes
Glück ver-
lassen, so
wollte sie auch
das Panier
hochhalten.
Sie wusste und fühlte,
dass sie eine be-
rufene, echte Prie-
sterin der reinen
Kunst sei; sie war
verpflichtet, für die
Ideale, die sie zu ver-
wirklichen hatte, zu
kämpfen und sich
durch Machinationen
von Protcktions- hindern nicht ausdem
Sattel heben zu lassen. Aber wie
erbärmlich war es für ihr anerkanntes
Können immer wieder kämpfen zu müssen gegen im Dunkel schleichende,
fragwürdige Existenzen, die oft die ihrige bedrohten!
Und hatte man nicht ihr selbst, der ehrlichen Kämpferin, zweideutige
Protektionen in unzweideutiger Form angeboten? Hatte nicht ein solch
unreines Anerbieten vor nicht allzulanger Zeit erst ihr reinstes, heiligstes
Gefühl aufs Schmerzlichste getroffen.
Oh schöne Kunst, mit wieviel Schmutz bist du umgeben! dachte sie.
Welche Seelenkraft ist nötig, dich leuchtend in der Brust als Edelstein
zu wahren und nicht mutlos im Ekel zu versinken!
Sie atmete auf, als sie in ihrem kleinen Heim angelangt, wieder von
Behagen, Schönheit und Treue umringt, die Thüre ihres Studierzimmers
öffnete, des Tempels, wo sie ungestört ihrer Göttin dienen konnte.
der Anciennetät zu brechen, die furchtbarste Macht an Hofbühnen, wo das
Rollenmonopol dem Dienstalter, nicht aber nach Begabung zufällt. Hält
aber Ihre Elsa, was Isolde versprach und bringt sie uns wieder ein so
übervolles Haus, dann spricht der pekuniäre Standpunkt mit und ich
habe auch in Besetzung und Repertoire freie Hand! •— D’accord?“
Sie fühlte, sie habe einen halben Sieg errungen, sie konnte also
nachgeben. So erklärte sie sich einverstanden und galant geleitete
Geheimrat von Theuern die Künstlerin bis an die Thüre des Korridors.
Dies Wetter wäre ja glücklich abgelenkt, dachte sie, als sie mit vor
Erregung glühenden Wangen die lange Lindenallee hinabeilte, die auf
ihre Wohnung zuführte. Welch ein Boden, dachte sie. Schon heute, nach
dem ersten grossen Erfolge, nach dem spontanen Zujubeln des Publikums
fand sie Steine in ihren Weg gestreut, über die sie ausgleiten sollte. Oh,
nun hiess es doppelt fest auf den Füssen stehen! Sie liebte ihre Kunst mit
reiner, priesterlicher Liebe, ihretwegen hatte sie Heimat, ehrenvollen
E. Thiel: Eine Werkstätte der Bühnentracht.
Schwertfeger.