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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Unsere Bilder, [2]
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MODERNE KUNST.

Alma Saccur.

Nach einer Photographie von Ad. Baumann, Hofphotograph, München.

Toast reiht sich an Toast, Vortrag an Vortrag und das junge Völkchen vergisst
vor lauter Kunstgenüssen ganz das Tanzbein zu schwingen. Doch auch Terpsichoren
wird zu ihrem Recht verholfen und der Morgen graute — die ersten Badebedürftigen
fuhren bereits zur Düne hinüber —, als die letzten Gäste den Bankettsaal ver-
liessen. Am Nachmittag aber verkündeten um fünf Uhr fröhliche Weisen, dass
das Ereignis dieser Saison, „der erste Blumenkorso auf Helgoland“, in die
Erscheinung treten sollte. Ganz Helgoland war auf den Beinen, um dem
Schauspiel beizuwohnen. Nicht nur auf der mit Blumenguirlanden festlich
geschmückten sogenannten Maxes Terrasse, wo die Veranstaltung stattfand,
drängte sich die bunte Menge — an den Fenstern aller
Häuser, auf der Marinestation stand Kopf an Kopf, von
jeder Felsenklippe der Südspitze lugten Männlein und
Weiblein herab, um den festlichen Zug zu sehen.

Sieh, dort drängt der einzige, aber um so rühri-
gere Polizist Helgolands, der wackere Bahr, die Menge
zu beiden Seiten des
Platzes zurück. Da er-
scheint der unermüdliche
Bürgermeister, Herr Frie-
derichs, hinter ihm Herr
Badekommissar Haas, ge-

folgt von Fischern, die
sich freiwillig erboten
haben, beim Festzuge
mitzuwirken. Welche
Charakterköpfe! Jeder
dieser sonnverbrann-
ten Helgoländer ein Original vom Scheitel bis zur
Sohle! Auf festlich geschmücktem Boote, gezogen
von Badewärtern, erscheinen Töchter des Landes in
ihrer schmucken Nationaltracht. Von allen Baikonen
und Fenstern sausen Blumen, Serpentinen und Con-
fetti auf sie nieder. Dort naht ein anderes Boot, in
dem, von einem schmucken österreichischen Kadetten
geleitet, drei zierliche Mädchengestalten die Tripelallianz (Deutschland — Fräulein

Paula Müller, Oesterreich — Fräulein
Wildner, Italien — Fräulein Lolo Vely, die
Tochter der bekannten Romanschriftstel-
lerin) verkörpern. Brausende Hochrufe
auf die treu verbündeten Reiche durch-
brausen in allen möglichen Sprachen die
Luft und wachsen noch mehr an, als die
in einem Badekarren thronende Vindo-
bona, von dem lieblichen Fräulein Herz-
manski dargestellt, erscheint. Der mit
schwarzgelben Sonnenblumen ringsum ge-
schmückte Wagen
zieht vorbei, stolz
fährt die Helgolan-
dia hinter ihm her.
zende Töchterlein
wirts, hebt sich mit
sehr wirkungsvoll
weissen Blumen-
naht der Clou des
lotte, auf dem ein-

Medaillen-Entwürfe aus dem
Atelier Scharff, Wien.

Mize Thaten, das rei-
des allbekannten Dünen-
ilirer zierlichen Gestalt
ab von den grün-rot-
gewinden. Nun aber
Blumenkorsos: die Rou-
zigen Wagen von Helgo-
land stehend, gezogen
von dem einzigsten
Pferde des rötlich leuch-
tenden Felseneilands. Auguste Prasch-Grevenberg
verkündet als Roulotte der staunenden Menge, dass
in wenigen Tagen das neue Theater auf dem Ober-
land eröffnet werden wird. Trude Lobe als Kutscher
ruft lachend: „Immer 'rein meine Herrschaften,

immer ’rein!“ Das Hündchen auf ihrem Arm bellt
dem Publikum entgegen. Hoffentlich wird letzteres
nicht aus dem Vierfüssler gänzlich ungerechtfertigte
Schlüsse auf die zu spielende Komödie und auf
den Geschäftsgang des neuen Unternehmens ziehen.

Das einzigste Pferd Helgolands bewährt sich als so starke Zugkraft des
Unternehmens, dass beim Anziehen des wackeren Gäulchens oft die ganze
Roulotte zusammenfällt und nur mit der grössten Mühe von dem allbekannten
Hans Stoldt und den Badegästen wieder auf die
Beine gebracht wird. Die Helgoländer schreien
aber jedesmal entsetzt auf, sobald das Pferdchen
in ihre Nähe kommt. Die meisten von ihnen haben
ein Pferd noch nie zu sehen bekommen und ihrer
Phantasie erscheint unser unschuldiges Braunchen als
ein dem Einhorn mindestens gleichwertiges Fabeltier.

Inzwischen hat der Zug einigemale den Strandplatz
umkreist, immer und immer wieder durch Zurufe
zur Rückkehr gezwungen, bis die Badegäste ebenso
heiser sind wie die Insassen der nach und nach ihres
Schmuckes beraubten Wagen und sämtliche Serpen-
tinen, Confetti und Blumen in die Lüfte verknallt beziehungsweise verschleudert
sind. Während die Wagen zum letztenmal den Platz umfahren, tanzen die Helgo-
länder ihren Nationaltanz zu den Klängen eines rumänischen Damenorchesters.
Mit kunstgeübter Hand aber hält im letzten Augenblick Herr Ilofphotograph
Schensky die Wagen an, um sic im Bilde festzuhalten. Auch wir wollen sie
und mit ihnen den ersten Blumenkorso auf Helgoland festhalten in treuem Ge-
dächtnis und ausrufen: Vivat sequens anno 1901! Aloys Prasch.

Die teuerste Bulldogge
der Welt. (Preis 20000 Mk.)

ro

Sjfm September begann der Wiener Kunstfahrcr Rudi Greinert eine Fahrt
von Wien nach Paris auf dem Einrade, die er infolge einer Wette
unternommen hat und in 30 Tagen beendigen soll. Die ganze Tour geschieht in
Begleitung seines Bruders Alfred; regnerische oder windige Tage sind aus-
geschlossen. Es braucht nicht erst gesagt zu werden, dass die gestellte Aufgabe
keine leichte ist. Nicht nur, dass das Fahren auf dem Ilinterrade an und für
sich nicht leicht ist, es werden auch bei einer täglichen Durchschnittsleistung
von 50 km die Füsse und namentlich die Arme riesig angestrengt. Diese Fahrt
wird von allen Sportfreunden auf das Aufmerksamste verfolgt. Zu derselben
wird eine einfache „Panzer“-Maschine aus dem Nürnberger Fahrradwerke D. Klein
& Söhne benutzt, aus der das Vorderrad entfernt wurde.

* *

$

Frl. Alma Saccur, die reizende junge Sängerin, deren Bild wir oben-
stehend veröffentlichen, ist vor einiger Zeit viel genannt worden, weil ein junger
Mann, während sie im Wilhelma-Theater in Stuttgart sang, aus dem Zuschauer-
raum seinen Revolver auf sie abfeuerle. Es ist dies nun freilich eine nicht ganz
gewöhnliche Gelegenheit für eine Künstlerin, bekannt zu werden. Böse Menschen

Rudi Greinert fährt auf dem Einrade von Wien nach Paris.
 
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