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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Détschy, Serafine: Kreuzwege, [7]: Roman aus der Bühnenwelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0215

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MODERNE KUNST.

Japanische Secessionisten

auf der Pariser Weltausstellung.

Skirataki: Der Phonograph.

„Sie haben diesen Mann geliebt, Sarolta!“ Die Eifersucht hatte ihm
gegen seinen Willen die Frage erpresst, vor der er nun selbst erschrak.
Doch sie antwortete schlicht: „Ja — leider“, flüsterte sie dann.

„Und er, — war dieser Liebe unwürdig?“

Sie lachte bitter auf. „Sie haben ja das Motto gelesen, das ich unter
seine Widmung setzte. Das sagt alles. Was wollen Sie — ein Mann, dem
alles gelang, dem alles zu Füssen lag, konnte der es glauben, dass eine
Frau, deren Wohl und Weh in seiner Macht lag und die ihn liebte, ihm
widerstehen könnte! Er war gewohnt, alles ,käuflich' zu finden!“ Sie war
erregt aufgestanden und ging nervös auf und ab. Dann lachte sie ironisch.

„Sehen Sie, so sieht die Liebe aus, die man uns Künstlerinnen bietet!
Wir stehen allein, schutzlos auf einem Postament, den Blicken der Menge
exponiert und jeder Bube darf uns mit Schmutz bewerfen und jede un-
reine Hand darf nach uns langen. Und so zerstört die Welt - in uns
jeden Glauben, dass es noch Schönes, Edles in diesem Dasein giebt.“
„Und doch giebt es reine heilige Empfindungen, und doch, glauben
Sie es nur, giebt es eine Liebe, die glücklich ist, anbeten zu dürfen,
ohne den geliebten Gegenstand an sich zu reissen, den sie aus der Feme
wie ein Heiligenbild verehrt —“ er vergass, in ihren Anblick versunken,
weiterzusprechen. Sie ruhte wieder in dem Schaukelstuhl und der weisse
runde Arm sah lässig aus dem weiten Sammetärmel heraus. Ueber sie
gebeugt stand Alfred und atmete wie in süssem Rausch den Veilchenduft
ein, der ihren Kleidern, ihrem Haar entströmte.

Sie sprach ohne aufzublicken vor sich hin: „Ich glaube an keine un-
eigennützige Liebe, die Zeit der Toggenburge ist vorüber, auch wäre das
keine Liebe, die immer schweigen und nur von Feme anbeten kann, das
wäre eine Lüge, um sich und andere zu täuschen ; — ach, die ganze
Welt besteht ja aus solchen Lügen!“

„Sie haben Recht“, sagte er plötzlich zu sich kommend und sich
besinnend, „die Lüge herrscht in der Welt, sie schleicht sich überall ein,
wie eine Motte, die alles um sich zerstört. Oh wie wahr; wie wahr!
Auch ich kenne diese graue Motte und sie benagt mein Leben!“

Eben wollte Sarolta überrascht erwidern, als Frau v. Bingen über
die Schwelle des traulichen Gemaches trat und eine Weile die ganz in

sich versunkene kleine Gruppe mit dem ihr eigenen schelmischen Lächeln
betrachtete, das noch immer zwei allerliebste Grübchen in den Wangen
der alten Dame hervorzauberte.

Sarolta erblickte sie zuerst und ging ihr entgegen.

„Nicht bös sein Liebste, dass ich so spät noch bei Ihnen ’reinfall,
und Ihnen den Buben dort übern.Hals g’schickt hab. Ich wollt’ schon
schon um halb Siebbe bei Ihnen sein und er sollt' mich heim bringe,
aber man hat mich dort net fortg’lasse. Zu meiner Straf bin ich nu um
mei Plauderstündle bei Ihne komme; es ischt Zeit, komm Freddy, wir
müsse heimgehe.“

Doch Sarolta zog die alte Dame herzlich auf das Sofa nieder, nahm
ihr Muff und Pelz ab und bat so dringend: „Nein, nun bleiben Sie den

Rest des Abends hier; das werden Sie mir doch nicht anthun, liebe
gnädige Frau, jetzt fortzugehen, wo wir auf Sie gewartet.“

„Ischt er Ihnen schon wohl lang zur Last g’falle mei grosser Bub?“ fragte
sie, zärtlich die schlanken, blassen Finger in Alfreds dichtes Haar wühlend.

„Der Herr Baron ist kaum zehn Minuten da, glaub’ ich!“

„Na ja, im Plaudern vergeht als die Zeit — gelt Freddy?“ Sie
lächelte ihn zärtlich an, während sie sich in den bequemen Fauteuil nieder-
liess, den er ihr entgegenschob.

„Nicht wahr, Sie machen mir die Freude, zum erstenmal das Abend-
brot zu nehmen? Ich bin so oft bei Ihnen. Gönnen Sie mir einmal die
Freude, heute, wo ich durch Zufall endlich Sie beide bei mir habe, auch
ein wenig die Hausfrau zu spielen. — Ja? — Glauben Sie mir, es ist das

ein stilles Talent von mir, wenn auch Marie das schwerste davon auf

*

ihre Schultern nimmt. Sie sollen Ihren Thee haben, ganz, als wären Sie
zu Hause und, wenn Sie’s mögen, ein paar Bissen aus ungarischer Küche
dazu. — Ja? — Bitte!“

Sie konnte so herzlich bitten, und löste dabei der kaum widerstreben-
den alten Dame, die sie lächelnd gewähren liess, die Bänder der Capote.

„Da soll einer nein sage“, lachte Frau v. Bingen. „Was sagst denn
Du Freddy -— Du hast wohl heut’s Rede verlernt?“

„Wohl mir, ich verlernte es, dann würde ich weniger unverantwort-
liche Dummheiten reden, als ich, leider, manchmal — noch sage.“ Er
 
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