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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Lohmeyer, Julius: Alpenglühen, [7]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0222

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ioS

lpenglühen.

m

Roman von Julius Lohmeyer.

[Schluss.] --

Verstimmt stieg der Professor zum Vestibül empor. Der Portier schien
ihn mit seinen dummklugen Augen befremdlich zu fixieren, als
er nach eingegangenen Briefen fragte, und in seiner Stimme lag
etwas Unfreundlich-Verhaltenes. Ruthard richtete — wie beiläufig
und zögernd •—• an ihn die Frage, ob Briefe für das Fräulein eingegangen wären?
Der Portier verneinte es kühl und ungeduldig.

Mit einem Fluch auf den Lippen wandte sich Ruthard von dem „Kerl“ ab,
liess sein Nachtmahl in einem der Seitenzimmer servieren und griff verstimmt




Japanische Secessionisten

auf der Pariser Weltausstellung.

Renzo Kita:

Zwei Schwestern.

nach der Weinkarte. Endlich aber meinte er, dass seine bedrückte Stimmung
ihm alle jene scheinbaren Wahrnehmungen doch nur vorgespiegelt hätte, und
müde stieg er nach seinem Zimmer empor, das ihm Fritz mit vor Schrecken
verglasten Augen öffnete.

Ruthard sah es — aber er wollte es nicht sehen. Was war das alles? Er
fragte nach dem Fräulein. Sie war auf ihrem Zimmer.

Er gab seine Befehle für morgen. Fritz’ Aufregung legte sich, als er den
Professor so ruhig und gehalten sah, und er entfernte sich mit ehrerbietigem
Nachtgruss.

— [Nachdruck verboten.]

zwischen ihnen hin und her zu schweben. Ruthard fühlte die unruhige und
weiche Stimmung Ediths sympathisch mit. Sah er doch in jeder Sekunde der
Stunde entgegen, die über sein künftiges Leben entscheiden sollte.

Jetzt überschritten sie die alte Holzbrücke, die über den Wildbach führt,
der hier in wildem Tosen zu Thale stürzt.

Edith hielt ihr Ross an und sah noch einmal in das Gewühl der nieder-
brausenden Fluten, über die der Sonnenstrahl einen ständigen Regenbogen in
den stäubenden Wasserdunst webt. Der laut rauschende Sturzbach war ihr oft
wie .die ruhelose Seele des Thals erschienen. Auch von ihm galt es jetzt
Abschied zu nehmen.

„O, wer doch nur etwas von der sprühenden Kraft, von der lebendigen
Frische in das träge Einerlei des Kleinstadtlebens mit hineinnehmen könnte!
Noch im Sturze ewig sich erneuend,

Regenbcgengarben um sich streuend —“

citierte sie. „Ach, mir ist,“ fuhr sie fort, „als müsste ich mich noch einmal so
recht vollsaugen von all der Hochthal-Herrlichkeit, dem Licht, der Kraft und
Würze der ganzen grossen herben Alpennatur, um es durch all die verschneite
Winterenge daheim aushalten zu können.“

Ruthard benutzte den Augenblick des Anhaltens, um Brunner sein Ranzel
und Plaid zu übergeben, und selbst die Zügel und Führung des Pferdes zu
übernehmen.

„Doch ich will dankbar sein,“ fügte Edith nach einer kleinen Pause des
Sinnens hinzu. „Bringe ich doch dieses Mal mehr denn je mit heim in unser
Stillleben, vor allem durch die Fülle von Anregungen, die ich Ihnen, Herr Pro-
fessor, verdanke.“

„Wie viel mehr aber verdanke ich unserem glücklichen Begegnen,“ seufzte
Ruthard mit einem fast schwermütigen Aufblick zu der Reiterin. „Wie kam
ich hierher und wie scheide ich nun wieder!“ rief er jetzt mit freudig
erhobener Genugthuung. „O, mein Fräulein, Sie müssten mein ganzes Leben
kennen lernen, um mich so recht zu verstehen und zu beurteilen.

„Denken Sie, als ein verhätscheltes Mutterkind kam ich, ein Sechzehn-
jähriger, nach Berlin in die Kreise reicher Verwandter, die mich schon damals
als eine Art von Ausnahmemenschen nahmen, behandelten und verwöhnten; ohne
rechte Aufsicht, vor allem ohne Beispiel und Liebe ging mir die Knabenzeit hin.
Ich kam dann auf die Akademie. Was meine Genossen mit höchster Anstrengung

Noch lag kaltes Morgengrau über dem Thal, als gegen 6 Uhr der alte
Brunner, eine hagere, verwitterte Führergestalt, sich mit dem gesattelten Fuchs
vor der Rampe des Hotels eingefunden hatte. Das Haus ruhte noch in tiefstem
Frieden. t

Ruthard schritt in den Laubengängen in aufgeregter Erwartung auf und
nieder. Es war ihm, als ginge die Sonne auf, als jetzt Edith im knappen, hellen
Reisekostüm mit sonnigem Lächeln und in Begleitung des Portiers, der seine
Mütze respektvoll in der Rechten trug, in der Thür erschien und ihm ihre letzten
Befehle erteilte. Die Koffer sollten noch heute nach Luzern expediert werden.

Edith trat jetzt auf die Rampe heraus und ihre Augen suchten Ruthard.
Und doch erschrak sie, als sie ihn jetzt unter den Platanen hervortreten sah.

Sie schwang sich mit Brunners Hilfe, mit einer Miene, die Besorgnis und
Ratlosigkeit verriet, in den Sattel, indem sie mit kosendem Klopfen auf den
Hals des gutmütigen Tieres, sich diesem zu befreunden suchte, und sah jetzt
abschiednehmend um sich. Noch einen Blick warf sie über die Terrasse und
nach ihrem Balkon hinauf, dann setzte sie mit einem antreibenden Rufe und
leichtem Druck das Ross in Bewegung. Jetzt erst trat Ruthard an ihre Seite.

All das wunde Weh, Zweifel und Unruhe der halb schlaflos verbrachten
Nacht war bei ihm wieder vollem Glücksgefühl und Selbstvertrauen gewichen,
die ihn in ihrer strahlenden Nähe stets ganz erfüllten.

Rückwärts schauend bemerkte Edith einige bekannte Hausgäste, die eben
aus dem Portal des Hotels getreten waren und sich mit erstaunten und fast
bestürzten Blicken einander zuwandten, als sie den Abreisenden nachschauten.

Je höher die Reiterin in die kühle Frühluft und über den Dunstflor der
morgenqualmenden Hütten des Thaies aufstieg, desto mehr kam wieder Mut
und Frische in ihr Gemüt.

Schon lagen die Felsenkämme des Thals vom Morgenlicht umglänzt, aber
.über dem Tiefblau des Sommerhimmels wob ein zarter Dunstschleier.

Edith und Ruthard tauschten nur wenige Worte; banges Erwarten schien

Japanische Secessionisten

auf der Pariser Weltausstellung.

Seiki Ivouroda:

Im Grünen.

nur erlangten, fiel mir fast spielend zu. Ich gewöhnte mich daran, der Mittel-
punkt thörichter Bewunderung nicht nur meiner Familie, sondern vielfach auch
der meiner Kameraden zu werden. Nach einer einjährigen, glücklichen Stipendien-
reise nach Italien, und nachdem mir ein ansehnliches mütterliches Erbteil zuge-
fallen war, trat ich als selbständiger Künstler — viel zu früh — auf. Erfolge
und Auszeichnungen, eine ehrende gesellschaftliche Stellung boten sich mir ohne
all mein Zuthun. Ein sehr jugendliches Weib, ein halbes Kind, das ich in rasch
geschlossener Ehe gewann, vergötterte mich. Sie starb mir nach Jahresfrist;
wir hatten uns kaum kennen gelernt; aber mir blieb ihr Kind, in dem sich mir
alles Holdeste des Daseins zu offenbaren schien. Das zarte schöne Wesen

XV. 27.
 
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