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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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XXXVJ

MODERNE KUNST.

Der Billardkünstler Robert de Bremont beim Ausfuhren
eines Retour- Kopfstosses.

noch als ein „Ereignis“ betrachtete, irgend
einer namhaften Bühnenkünstlerin auf
dem Variete zu begegnen, ihre Kunst
im Milieu der Kunstfertigkeiten und der
möglichst leicht geschürzten, stark de-
kolletierten Muse zu bewundern, nimmt
man heute derg eichen als etwas Selbst-
verständliches hin. England und Frank-
reich haben nach dieser Richtung bahn-
brechend gewirkt, und Deutschland hat
dieses Beispiel mit viel Geschick zu be-
folgen gelernt. Und wahrlich, es ist
dies nicht zu beklagen. Denn es wird
dadurch, dass dem Varietö von Zeit
zu Zeit gewisse Berühmtheiten der
Operette und der Volksstücke zugeführt
werden, nicht nur der Kunstwert und
das ganze Wesen des Varietes in ge-
wissem Sinne gehoben, es wird ihm
auch dadurch das vornehmere, bessere
Familienpublikum gewonnen und zuge-
führt; das Variete verbürgerlicht sich.

So sah man in langer, unabsehbarer
Reihe eine grosse Anzahl hervorragen-
der, bekannter Künstlerinnen aus aller
Welt über das „Brettl“ des Berliner
„Wintergartens“ ziehen, neben der
Geistinger eine Gallais, neben der
Palmay eine Annie Dirkens, neben
einem Perotti die Garnier, — bis jetzt
zum Schluss auch die bekannte Ope-
rettendivette Frau Kopacsy-Karcrag den klingenden Lockungen der hohen Abend-
gage Folge leistete und ihre liebenswürdige heitere Kunst in den Dienst des
Brettls stellte. In ihr ist den Variete-Besuchern ein gar eigenartiges Talent ent-
gegengetreten: echt magyarische, sinnliche Urwüchsigkeit und lebensfrohe Laune,
— beides moussirender, übersprudelnder Champagner. Diese eigenartige, ent-
zückende Kunst ist die Grundstimmung ihres ganzen Wesens; man braucht nur in
die blitzenden Augen der schönen Frau zu blicken, ihr sieghaftes Lächeln um die
vollen Lippen spielen zu sehen, upd man begreift es sofort, warum sie von der
Bühne herab alle Herzen gewinnt. Denn Frau Kopacsy-Karcrag ist eine Indivi-
dualität, wie sie nur in der traumverlorenen, singenden Puszta Ungarns gedeihen
kann, — inmitten der ergreifenden Melancholie und des feurigen, jauchzenden,
klagenden Zigeunertums. All’ das zittert in ihrer Seele, in ihrer Kunst nach. O. G.

* *

*

Die meisten sportlichen Uebungen müssen im Winter ausgesetzt werden, weil
sie nur im Freien ausgeübt werden können. Da aber das Bewegungsbedürfnis der
Menschen auch im Winter vorhanden ist, so konzentriert sich das sportliche Interesse
während des Winters
mehr und mehr auf
die Auge und Muskel
in gleicherweise aus-
bildenden Veranstal-
tungen, die im Zim-
mer auszuüben sind.

Zu ihnen gehört das
Billardspiel. Das
Interesse für Billard-
kunst ist deshalb er-
fahrungsgemäss um
die Winterszeit dop-
pelt rege. —Die oben-
stehende Abbildung
zeigt den bekannten
Billardkünstler Ga-
briel Robert de
Bremont, bei der
Ausführung eines Rc-
tour-Kopfstosses, der
ohne Konkurrenz ist.

Zehn Bälle sind in
anderthalb Ballbreite
von der Bande ent-
fernt in einer Reihe
aufgestellt. Mit ganz
senkrechter Queue-
haltung wird auf den
Spielball gestossen,
der nach dem Anprall
auf den roten Ball in

einem Zickzack-Wege zwischen der aufgestellten Ball-Reihe
und der Bande zurück läuft, wie es das zweite Bild ver-
anschaulicht. Selbstverständlich muss der Kopfstoss mit
grösster Kraft und Sicherheit ausgeführt werden, damit der
Ball auch den beabsichtigten Weg bis ans Ende laufen kann.

.•J; CjC

*

Die Weihnachtsmesse des Vereins Berliner
Künstlerinnen hat schon jahrelang der jetzt in den
Vordergrund des Interesses gerückten „angewandten
Kunst“ erfolgreiche Pionierdienste geleistet. Wenn sich
im Christmonat die Pforten dieser Messe öffnen, pflegen
alle, die Sinn und Mittel für dekorative Kunst besitzen,
schnell dort ihre Einkäufe zu machen, denn das Ge-
botene schmückt das Haus im wahrsten Sinne des Wortes.
Glückliche Erfindung, erprobter Geschmack, treffliche tech-
nische Ausführung — das sind drei der Vorzüge, welche
den meisten der dort vereinten Arbeiten eigen sind. Dass
die Künstlerinnen mit der Zeit fortschreiten, dass die For-
derung der
Nutzkunst,
welche ver-
langt : in ein-
facher schö-
ner Form
den Zweck
klar zu be-
tonen; von
ihnen beher-
zigt wird,
zeigte sich

_ auch in die-
sem Jahre wieder aufs

M. v. Keu-

dells und P. Bontes

reizvolle Ofenschirme

und Wand- bretter,

S. Schlie- dersVasen,

, Die Wirkung des Retour-Kopfstosses. . ,

Glasmale- ° reien und

Blumenständer, M. Kirschners Nadelmalereien, Intarsien und praktische
Zimmergeräte, C. Lobedans, E. Luthmers und M. Stühlers gemalte Friese,
Truhen, Schirme und Möbel, L. Krauses Bücherhalter, J. v. Cottas Spiegel
und H. Iversens blütenreiche Decken gehören zu den Leistungen einer ver-
feinerten Kultur, welche allenthalben zur Geltung kommen und an ihrem Teile
dazu beitragen, dem oft und vielfach auch mit Recht getadelten deutschen
Kunstgewerbe eine durchaus andere vornehme Stellung zu geben. Hätten die
genannten Künstlerinnen und mit ihnen noch ein viertel Hundert, deren Erwäh-
nung nur der Raummangel verbietet, in Paris eine Koje mit deutscher Nutzkunst

dargeboten, nicht nur
der Grand Prix, son-
dern, was mehr sagen
will, der ungeteilte
Beifall aller Wissen-
den wäre ihnen sicher
gewesen. Diese seit
nun zwanzig Jahren
bestehende Weih-
naehtsmesse des Ver-
eins Berliner Künst-
lerinnen hat bei
ihrem Wirken in der
„Praxis“ einen Helfer
gehabt, der unbe-
stechliche Ratschläge
giebt; ihm gesellte
sich das sinnige fröh-
liche Kunstschaffen
der Frau, und so
können die Vereins-
mitglieder den Ruhm
in Anspruch nehmen,
dass ihre ehrliche Ar-
beit wesentlich mit
zur Gesundung und
Vertiefung des Kunst-
gewerbes fürs Haus
beigetragen hat, und
das ist gewiss kein
geringer Lohn für
ihr Streben. //. V.

Berliner Frauenmesse.
 
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