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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Misch, Robert: Stachelverse
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Unsere Bilder, [9]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0306

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M4

^er ‘Jföimc.

)enn er Worte halb verschluckt,

Wenn er murmelt, hustet, flüstert,

Wenn er auf den Boden spuckt
Und dazu so leise wispert,

Dass ihn vorn kein Mensch versteht;
Wenn er dazu noch den Rücken
Publiko beharrlich dreht,

Dass ins Aug’ ihm niemand blicken
Kann, und er recht unmanierlich:

Dann, mein Freund, ist er — natürlich.

'tfac^ßlüerse.

[Nachdruck verboten.]

'er

Meuter.

)enn ein Dichter symbolistisch,

Selber, was er will, nicht ahnt,

Ide-, natur-, realistisch,

Immer aber unklar mystisch
Einen neuen Weg sich bahnt;

Wenn man sich den Kopf zerbricht,
Meint er’s so — oder auch nicht?
Wenn im Stück die Hauptfigur
Halb ein Mensch und halb ein Gott;
Wenn natürlich nicht Natur,

Und, ob’s Ernst ist oder Spott,
Niemand weiss — er selber kaum;

Wenn er dann im Märchentraum
In die Feenlande fliegt,

Bald am Boden wieder kriecht,
Halb modern ist, halb in Höhen,
Wo die Geister hausen, schweift,
So dass keiner ihn verstehen
Kann, und niemand ihn begreift —
Sei die Logik noch so schief:

Dann, mein Freund, nennt man ihn ■

£

tief.

0as jparomefer des Jfäelpers.

^enn sie ihn zornig schwingt und heftig:

Wind, ziemlich kräftig!

Verdeckt sie damit einer Thräne Gefunkel:

Wolkig und dunkel!

Klappt er krachend zusammen; es fliegen die Splitter:

Blitz und Gewitter!

Doch wenn sie ihn sanft errötend fächelt,

Dann bricht, o Wonne!

Hervor die Sonne.

Und hält sie ihn gar, daweil sie lächelt,

An ihre Lippen . . . und so weiter:

Dann bleibt das Wetter dauernd heiter.

R. Misch,

Ot)sm J^ildei3.

hrengabe der Stadt Buenos-Aires für die Königin-Regentin von
qJ Spanien. Infolge des überaus herzlichen und ehrenvollen Empfanges, den
das argentinische Schulschiff „Presidente Sarmiento“ bei seinem Besuch in
Spanien erfahren hatte, beschloss die Stadt Buenos-Aires, der Königin-Regentin
eine Ehrengabe zu überreichen, mit deren Ausführung der Bildhauer Mariano
Benlliure in Valencia betraut wurde. Er schuf ein ganz eigenartiges Werk,
von dessen Schönheit und tiefem Sinn unsere Abbildung eine Vorstellung giebt.
Auf einem figuren- und wappengeschmückten Sockel erhebt sich eine, sonderbar
gestaltete Vase. Fünf Putten, die fünf Erdteile darstellend, tragen die Erdkugel.
Den Aequator bildet ein Kranz von Blumen und Blattpflanzen, die dem Charakter
der vier Jahreszeiten entsprechend gewählt sind. Darüber sieht man die zwölf
Bilder des Tierkreises (Krebs, Widder, Stier, die Zwillinge u. s. w.). Die
oceanischen Strömungen und die Schiffahrtsstrassen, die sich von einer Halb-
kugel zur andern ziehen, werden durch Basreliefs von Nereiden gebildet. Die
Henkel der Vase bestehen aus Gruppen von Figuren, die auf die Geschichte der
beiden Länder Bezug haben. Da sind auf dem einen Henkel Pelayo, der Gründer
Asturiens, der ältesten Provinz Spaniens (718), die sog. katholischen Könige,
ferner König Karl V., gleichzeitig Kaiser von Deutschland, dann Cisneros, der
unglückliche, 1808 nach Argentinien, damals noch spanische Kolonie, gesandte
Vizekönig u. a.; auf dem andern Henkel die Entdecker und Kolonisatoren Argen-
tiniens, wie Juan Dias de Solis, Sebastian Cabo und Pedro de Mendoza, sowie
die um die Unabhängigkeit des Landes verdienten Männer. Die Henkel enden
oben in die Gestalten Spaniens und Argentiniens, die sich umarmen und küssen.
Ueber ihnen schwebt eine Engelsgestalt, welche die Verbrüderung beider Länder
segnet. Die Flügel sind geschickt so angeordnet, dass sie den Schnabel der Vase
bilden. An den vier Ecken des Untergestells der Vase stehen von Blumengewinden
umrankt vier symbolische Frauengestalten, links im Bilde die Wissenschaft (Mi-
nerva mit dem Helm, der Eule und der Sphinx unten), rechts die Kunst. Im
ganzen wie im einzelnen betrachtet, ist die Vase durchaus originell und künstlerisch
vollendet. Sie darf mit Recht als die beste Arbeit Benlliures bezeichnet werden. M.

* *

J§)as schwelgerische Leben der alten russischen Bojaren hat in Constantin
Makowski einen gestaltungskräftigen Schilderer gefunden, der die leiden-
schaftlichen Machthaber des vorpetrinischen Russland mit überzeugender Treue
in das kühle, scharfe Licht des neunzehnten Jahrhunderts heraufbeschwört. In
dem Bilde „Die Probe“ greift der Maler in jene Zeit hinein, die Graf Alexei
Tolstoi in seinem grossen historischen Roman „Fürst Sserebrjanny“ so fesselnd
behandelt hat. Der alte Bojar Morösow zweifelt an der Treue seiner Frau und
unterwirft sie daher der Ceremonie des Kusses, den die weiblichen Mitglieder
des Hauses den männlichen Gastfreunden darbieten. Aus ihrem Mienenspiel
und ihrem ganzen Verhalten bei dieser Gelegenheit will er erkennen, ob sie den

Fürsten Sseröbrjanny, der früher ihr Verlobter gewesen ist, noch liebt. Dass
diese Ceremonie am Schlüsse eines ausgelassenen Gelages vor sich geht, lässt
die Sitten der alten Bojaren gerade nicht in sehr vorteilhaftem Lichte erscheine!'.
Einer der Gäste liegt trunken neben seinem umgestürzten Pokal mit beiden
Armen auf der Tafel, ein anderer ist so in die Genüsse des Mahles vertieft,
dass er gähnend und sich reckend überlegt, ob er von der hohen Ehre, die schöne
Hausfrau zu küssen, überhaupt Gebrauch machen soll. Der Fürst Sseröbrjanny
nähert sich verwirrt und doch ungestüm und sehnsuchtsheiss der geliebten Frau.
Der folgende Bojar streicht sich schmunzelnd den Schnurrbart, im Hintergründe
torkelt ein bezechter Greis heran. Der boshafte Zwerg neben dem strengblickenden
Hauspatriarchen beobachtet das gefährdete Paar mit teuflischer Schadenfreude.

$ *

‘[Iß ax Levis „Beseligung“ stellt mit grosser Meisterschaft einen jener
bedeutsamen Augenblicke aus dem Seelenleben des Menschen dar, die wie
eine Gnade Gottes empfunden werden, in denen sich in die Seele ein neuer
Gedanke, eine erhebende Begeisterung senkt. In traurigem, ernstem Gefühl hat
das schöne Mädchen die Hände zum Gebete gefaltet und nun löst sich ihre
Bedrängnis zu neuen Hoffnungen. Die Augen, die eben noch thränenfeucht zur
Erde niederblickten, schauen nun im Glanze der neuen Zuversichtlichkeit auf-
wärts zu jenen Höhen, von denen die Beseligung sich herabsenkte.

* *

Stantons stimmungsvolles Bild „Wintertag“ giebt jener düsteren
Naturstimmung, die sich an trüben Wintertagen auf Wald und Feld lagert, eine
einheitliche künstlerische Veranschaulichung, deren Betrachtung ernsten Kunst-
genuss bereitet.

lilngemein vornehmes Kolorit atmet E. Cucuels Bild: „Der erste Zwist“.'
Das Paar hat sich entzweit, um geringen Grund. In plötzlicher Aufwallung
lüftet der junge Gatte seinen Hut und geht. Starren Auges schaut ihm seine
Gattin nach. „Er geht — geht wirklich!“ Sie würde ihn mit einem liebens-
würdigen Worte gern zurückrufen, aber noch schliesst der gekränkte weibliche
Stolz ihre Lippen. Doch ihr Zürnen wird keine Ewigkeit währen und dem
ersten Zwist wird die erste Versöhnung folgen, die, wenn wir dem Dichter
glauben dürfen, süsser denn der erste Kuss ist.

•1: *

t^bgleich L. Balestrieri, dessen Bild „Beethoven“ die vorliegende
Nummer veröffentlicht, ein Italiener ist, wird doch jeder Beschauer des Bildes
sofort die Pariser Technik daran erkennen. Der Künstler hatte mit dem Werke
auf der Weltausstellung einen grossen Erfolg. In dem Atelier eines Malers
hat sich eine kleine Schar begeisterter Musikfreunde zusammengefunden, die in
stummem Entzücken den Klängen eines Beethovenschen Violinenkonzertes lauscht.
 
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