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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Georgy, Ernst: Faschingsleid und Freud
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Détschy, Serafine: Kreuzwege, [12]: Roman aus der Bühnenwelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0351

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MODERNE KUNST

159

Erich Eltze: Die Familie Biedermeier auf dem Schillerfeste.

und erwartete einen fröhlichen, geistreichen Einblick in Alt-Weimar zu Zeiten
seiner Helden.-

Die Menge versah sich einfach mit billigen Kostümen aller Art, mit
Gesellschaftsanzügen oder kleidsamen Sommersachen. Sie wollte bei dem
geistigen Genüsse ja nicht mitthun, sonderneinfach „sehen — hören — tanzen —
lustig sein."-— Der Faschingsabend kam für unser B. heran.

Die Gäste der Presse, die Vertreter der auswärtigen Vereine waren da.
Neugierig und mit hochgespannten Erwartungen durch die Einladungen, die
grosse Reklame! — — — — Der Festausschuss war vom Hinundherrasen halb-
tot, gänzlich miteinander verzankt und in einer Aufregung, die ans Wahnsinnige
streifte. ■— Verzweifelt rasten die Mitglieder durch die vielen Säle. Keiner
wusste, wohin er gehörte. Nichts klappte. Hinter den Coulissen, in der Restau-
ration fast Mord und Totschlag. „An den Karneval werden wir denken!“ — —
„Schöne Blamage!“ — — „Das nennt sich ein Schillerfest!“ — So rief einer
dem" andern zu. Was nutzte es? Zu guter Letzt hatte man vergessen, den
Umzug des Weimarer Hofstaates mit seinen Grössen zu arrangieren! Er unter-
blieb einfach. Nur in den Logen erkannte man an den darunter befestigten
Schildern einige berühmte Personen. Aber Himmel, sahen die aus! — Aermster
Schiller, wie gut, dass Du den ewigen Schlaf angetreten! Dein Ehrenfest! — —
-Brrr! —

Im Saale walzten Mönche, Zigeuner, Harlekine, Schweizer, Tiermasken,
unberechtigter Weise neben einigen Empirekostümen, neben Schillerschen
Gestalten, neben Ballkleidern und Fracks. Was that es? Die Seidenpapierherr-

lichkeit wirkte entsetzlich! Die Langweile war drückend. Unentwegt wogten
die Massen auf und ab. Die Jugend tanzte. In den Räumen, wo die Vor-
stellungen stattfanden, herrschte drückende Enge und entsetzliche Hitze. ■— Die
,Presse1 lächelte sarkastisch. Das Komitee schwitzte. Das Publikum nahm den

Reinfall von der lustigen Seite. Man liess Schiller — Schiller sein! —-

Das Orchester spielte moderne Gassenhauer. Man amüsierte sich auf eigene
Faust bei Punsch und Pfannkuchen.

Bürgermeisters Jüngste kam auf die Kosten. Ihr Piccolomini kam als
Pierrot mit einem riesigen Cello an. Er erklärte sich trotzdem. Und kaum er-
spähte Lotte den Vater Kapuziner mit einem Bierseidel im Tunnel, da streichelte
und flehte sie solange, bis er zwar keine Predigt, aber ein „Ja“ zum Besten
gab! — Für Fräulein Else und Fräulein Lieschen, die beide unentwegt mit
ihrem Amtsrichter Menuett versuchten, gab der grosse Abend keine Entscheidung!
Und so sehr auch Gerichtspräsidents Jüngste den Leutnant Fritz mit Pfannkuchen

bombardierte-er machte ihr eine lange Nase und sang: „Uebers Jahr,

lieber Schatz, übers Jahr!“-

Das Schillerfest mit seinen Versprechungen und seinem Nichtgehaltenen
wurde von der Stadt B. bald beschämt totgeschwiegen. „Im nächsten Jahr möge
jeder seinen Karneval vergnügt in seinem Kreise feiern! Wir passen noch nicht
für solche Vergnügungen!“ — dekretierte der Stadtvater. Das war undankbar,
denn ihm hatte er wenigstens wahre Freude für sein Haus gebracht.! — O Prinz
Karneval, warum liebst Du uns Norddeutsche nicht mehr? Belehre uns! Wir
lassen uns gern zu Dir bekehren!

t

reuzwege.

X*

Roman aus der Bühnenwelt von Serafine De'tschy.

NV. [Fortsetzung.] -

s fiel ein Reif in der Frühlingsnacht“ und hatte die jungen Knospen
versengt, die der Sonne harrten. Im verhangenen Gemache lag
Sarolta krank darnieder. Die letzten Tage hatten ihre Nervenkraft
gebrochen. In der Stille der Krankenstube, in dem süss dämmernde Düfte
dunkelrotcr Rosen, die in Fülle und Pracht an ihrem Lager standen, zog
alles wieder leibhaft vor ihrer Seele vorüber, was sie in diesem qual-
vollen Zeitabschnitte erlebt.

„Zuletzt sind Leiden der Lohn der Liebe!“ Wie oft hatte sie jetzt

- [Nachdruck verboten.]

an diese Worte denken müssen! Der unsägliche Schmerz eines Ab-
schiedes „für immer“ hatte sic niedergeworfen.

Am Ostersonntage war Alfred zeitig bei ihr erschienen — zum letzten
Male — und hatte ihr alles mitgeteilt, was sich zwischen ihm und seiner
Mutter zugetragen.

„Aber wozu die Lüge?“ rief Sarolta entsetzt.

„Weil ich sonst nicht die Kraft besässe von Dir fern zu bleiben,
Sarolta“ — erwiederte er — „und weil wir uns trennen müssen, eh ich
 
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