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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Plaudereien aus der Berliner Hofgesellschaft, [1]
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Détschy, Serafine: Kreuzwege, [13]: Roman aus der Bühnenwelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0376

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i7o

MODERNE KUNST.

mit mehreren
Tausenden von
Namen der
Diplomaten, der
hohen Beamten
und Offiziere,
der Aristokratie
aus der Reichs-
hauptstadt und
vom Lande, die
in der letzten
Zeit ihre Karten
bei der Oberhof-
meisterin Gräfin
Brockdorff,
beim Oberhof-
marschall Gra-
fen zu Eulen-
burg abgegeben
haben und nun
die, soweit es
sich um inoffi-
zielle Personen
handelt, nicht
einmal immer
erfüllte Hoff-
nung hegen, zu
einem oder
mehreren der
Feste bei Hofe
„befohlen“ zu

werden. — Eine gewaltige Arbeit steckt dann freilich darin, dass alles auf dem
Papier Geplante auch in Wirklichkeit tadellos in die Erscheinung tritt, und sie
wäre vielleicht kaum zu leisten, wenn dieser Riesenmechanismus sich nicht eben
in einem Winter wie in dem anderen unter den gleichen Voraussetzungen und
in den gleichen Formen und Geleisen abspielte.

Sogar die Tage, an denen die Hoffeste stattfinden, sind in jedem Jahre fast
die gleichen. Die stolze Reihe beginnt mit dem Neujahrsempfang und der damit
verbundenen Gratulationscour. Es folgt am 18. Januar das Krönungs- und
Ordensfest; welches je etwa 800 neudekorierte Männer aus allen Berufsklassen
und die Frauen und Jungfrauen des Verdienstkreuzes, des Luisen- und des
Wilhelmsordens im Rittersaal vor den Thronsesseln der Majestäten und nachher
an den krystall- und silbergedeckten Tafeln vereinigt. Das vom feierlichsten
Prunk erfüllte „Kapitel und die Investitur der neuernannten Ritter des hohen
Ordens vom Schwarzen Adler“ schliesst sich in den nächsten Tagen an. Am
21. Januar findet gewöhnlich die Defiliercour statt, bei der in stundenlanger
Reihenfolge die gesamte Hofgesellschaft unter ehrfurchtsvoll tiefen Verbeugungen
beim Klange der Musik an den Majestäten vorbeizieht, die Damen einzeln, die
gewaltigen, von Pagen gewandt mit Elfenbeinstäben auseinander gebreiteten
Courschleppen hinter ihnen herrauschend, die Herren, voran die Prinzen aus
souveränen Häusern, zu zwei und zwei, bis die Offiziercorps der Garderegi-
menter in corpore den Beschluss machen. Dabei werden die im laufenden
Winter Neuauftretenden dem Kaiserpaare laut präsentiert, die ausländischen
durch den Doyen und die Doyenne des diplomatischen Corps, die inländischen
durch den Oberstkämmerer Fürsten zu Solms-Baruth und die Oberhofmeisterin.

Des Kaisers Geburtstag am 27. Januar bringt am Vormittag eine Gratulations-
cour, am Abend den Glanz einer Gala-Oper, deren Publikum durchweg aus ge-
ladenen Gästen besteht. Zwischen die übrigen Festlichkeiten schieben sich drei
bis vier Hofbälle, deren letzter und grösster, etwa 2COO Personen versammelnd,
unweigerlich am Fastnachtsdienstage mit dem traditionellen „Punsch und Pfann-
kuchen im Königlichen Schlosse“ endet.

Das ist der Hofwinter zu Berlin, sofern ihn nicht unvorhergesehene Hinder-
nisse unterbrechen. Unter Wilhelm II. sind durch die Wiedereinführung der
graziösen Tänze der Vergangenheit, der Menuett, der Gavotte, der Alten Fran-
chise in sein gewohntes Bild neue reizvolle Farbentöne gelangt und weitere
solche noch durch die veränderte Hoftracht des Civils mit Kniehosen, Escarpins,
dem losen Jabot, dem Frack aus Tuch oder Sammet von einem Schnitt, wie er
vor etwa 150 Jahren in demselben Königlichen Schlosse getragen wurde — —
durch die scharlachleuchtenden Uniformen und die Puderfrisur der dienstthuenden
Schlossgardekompagnie und einige andere Neuerungen, die dem künstlerisch
feinen Stilgefühl des Kaisers ihren Ursprung verdanken.

Neu, ganz neu aber ist in jedem Jahr die Schar der erstmals vorgestellten
jungen Mädchen. Mit lachenden und bangenden Augen zugleich dem ersten
Auftreten bei Hofe entgegensehend, mit zaghaftem Stolz in der ersten tief -
decolletierten Courrobe sich bewegend, der bei jener bekannten Hofsolo-
tänzerin a. I)., der bewährten Tanzmeisterin der vornehmen Welt gelernten Künste
so sicher sich bewusst, und doch so bitter mit dem Gedanken kämpfend, ihr,
gerade ihr, der Debütantin, könne unter der Schar von 80 oder 90 Schicksals-
genossinnen beim tiefen Courknix vor dem Throne irgend ein entsetzliches

Missgeschick begegnen. Dass man stolpert! Dass man sich allzutief verneigt
und dabei zum Niedersitzen auf dem glatten Parkett gelangt — --.

Vertreterinnen der obersten Zehntausenden begegnen uns jetzt, da die
tiefste Trauer vorbei ist, auf Bazaren, auf Privatfesten bereits wieder. Graziöse
junge Erscheinungen, die sich noch nicht ganz existenzberechtigt fühlen, weil
sie noch nicht offiziell bei Hofe vorgestellt sind. Und stolzere, selbstbewusstere,
die wir schon in früheren Jahren sahen. Nicht alle sind sie dem stillgewordenen
Berlin treu geblieben. Mehrere der bekanntesten bringen die Saison auswärts,
zumeist an der Riviera, zu.

Unsere heutigen Porträts bringen einige der interessantesten Frauenköpfe
aus dieser grossen Welt. „Die schönste Frau Englands und Deutschlands“
nennt man die Erbprinzessin von Pless. Sie ist eine geborene Miss West
von englischem Landadel. Töchter des ehemaligen preussischen Gesandten und
seiner Gemahlin Mira geb. Gräfin v. Schlippenbach sind die Gräfinnen Dönhoff,
deren Porträts F. A. Kaulbachs Meisterhand geschaffen hat. Mrs. Carnegie ist
unter den gefeierten Erscheinungen der Aristokratie noch ziemlich neu. Ihr Gatte,
dessen dienstliche Pflichten ihn früher in Madrid und St. Petersburg festhielten,
wurde erst im vergangenen Jahre als Attache der englischen Botschaft nach
Berlin versetzt. — Noch eine Tochter Englands tritt uns in Mme. Morel Bey
entgegen, Gemahlin des bekannten Botschaftsrates, der früher in London Rustan
Paschas rechte Hand war. Als einzige Dame der türkischen Botschaft hält sie
einen Salon, in dessen Grundton Vornehmheit sich mit Geist vereinigt und in
dem auch die Kunst eifrige Förderung findet. — Zu den anmutigen Blondinen
der Hofgesellschaft gehört Gräfin Armgard zu Stolberg-Wernigerode, die
jüngste Hofdame Ihrer Majestät der Kaiserin. Unsere Bilder zeigen sie, sowie
ihre Schwester, Gräfin Antonie, und Gräfin Arnim-Muskau im klassischen
Kostüm der Gelegenheitsaufführung, die beim Polterabend der Gräfin Arnim-
Mellenau hohes Interesse erregte. v. L.- IV.

ireuzwege.

CzvO

Gj

Roman aus der Bühnenwelt von Serafine De'tschy.

-- [Nachdruck verboten.]

i nd zu all dem Schmerze über diese unerwartete plötzliche Ent-
täuschung, — wollte nun, wie wucherndes Unkraut, ein hässliches
Misstrauen sich breit machen.

Hatte er ihr vielleicht auch gelogen? —War all die reine Liebe, von
der er sprach

— Komödie ge-
wesen? — Oh
welch ein feiner
Gaukler war er
dann! —- Hatte

er vielleicht
doch auf Erhö-
rung gehofft, bei
beharrlichem
Werben, und
sie mit den
Dutzendkomö-
diantinnen auf
eine Stufe ge-
stellt? — Oh
wie lächerlich
kam sie sich da
vor mit ihrer
heiligen Liebe

— dem Viveur,
dem Bonvivant
gegenüber, der
er vielleicht in

Wirklichkeit
war! Ihr schwin-
delte; das Blut
kochte in ihren
Adern bei die-
sen Gedanken.

Dann aber
tauchten zwei

Erich Sellin 8c Co., Berlin IV., phol.

Gräfin Antonie zu Stolberg-Wernigerode.
 
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