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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Vollmar, H.: Gustav Schönleber
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0403

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MODERNE KUNST.

18:

G. Schönlebcr. Besigheim am Neckar.

Schmiede, daneben aber liess ihn der Prinzipal die Dreschmaschinen per-
spektivisch darstellen; ganze Gruppen in Thätigkeit mit Pferden und Dampf-
betrieb, Staub und Rauch hat er fein säuberlich auf Papierbogen gemalt, mit
denen der Fabrikherr ausging, Kundschaft zu sammeln. Die Bilder imponierten
und regten zu Bestellungen an.

In eben der Zeit, als Schönleber den ganzen Tag am Schraubstock im
geschlossenen Raum gearbeitet hatte, begann ihm das Draussen einen ganz
besonders erquickenden Eindruck zu machen; die Landschaft mit ihren wech-
selnden Luft- und Lichtstimmungen war ihm nie vorher so wunderbar gross-
artig erschienen, er konnte sich garnicht trennen von ihr und machte deshalb
häufig zu Fuss am Samstag den dreieinhalbstündigen Weg nach Plause, und
Montag in der Frühe brach er um 3 Uhr auf, um zu rechter Zeit wieder an der
Arbeit zu sein und dabei doch den abwechslungsreichen schönen Weg in Abend-
und Morgenbeleuchtung gemessen zu können. Von jeher auf einem Auge blind,
wurde während dieser angestrengten Fabrikarbeit das leidende Auge krank und
begann das andere in Mitleidenschaft zu ziehen; aus Furcht beide Augen zu
verlieren, wurde das blinde völlig entfernt und seitdem hat dieser Einäugige
mehr gesehen, als eine Welt gesund Blickender.

Der Krieg von 1870 brachte reichliche Ferien, die Schönleber durch eine
regelrechte Studienreise ins Neckarthal ausfüllte; Flusswehre, Wiesen und
Wälder reizten ihn zur Wiedergabe und als er’s schliesslich verglich, fand er
sein Sach’ gar nicht so übel. Aber auch andere Leute waren gleicher Meinung,
vor allem ein älterer Vetter, der es Vater Schönleber als ein bitteres Unrecht
hinstellte, wenn der Sohn nicht bald umsattele und Maler würde, wozu ihm
Gott so sichtbare Gaben verliehen hätte. Der Vetter riet, man solle den
Gustav schnell nach München schicken, denn nur dort
beim Lier könnte sein Talent recht entwickelt werden.

Und der Vater widerstand nicht.

Schönleber fand Liers Atelier stark besetzt; Baisch,

Wenglein, Malchus u. s. w. hatten ihre Staffeleien da, und
nur der Umstand, dass dieser junge Schwabe schon vor
der Natur gearbeitet und noch durch keine Akademie ver-
dorben sei, schaffte ihm Platz. Die lebendige Anregung
der Lierschule brachte ihn schnell vorwärts. Lier war
bekanntlich ein Schüler Dupres gewesen und machte kein
Hehl aus seiner ungemessenen. Schätzung der Meister von
Barbizon; die intime Naturanschauung jener kontrastierte
scharf mit der in München bis dahin gefeierten histo-
rischen idealen Landschaft, deren Verteidiger in Liers
Atelier schliesslich allein Wenglein war. Mehr aber als
diese Einflüsse der modernen westlichen Nachbarn, welche
in der Lierschule eine, förmliche Revolte anrichteten, be-
deuteten Schönleber die holländischen Landschaften in
der alten Pinakothek; ihr Studium, zugleich mit der Ver-
tiefungin Meister Liers Art, brachten den Suchenden, auf
die rechte Spur: Einfachheit der Stimmung, Schlichtheit
des Farbenvortrags bei tiefernster, poetischer Auffassung
— das ist Kunst; diese Formel schien ihm der Zauberstab,
der Wertvolles und Bedeutendes zu Tage fördern könne.


Bei einem Besuch daheim wurden Schönlebers erste in dieser Weise ent-
standenen Landschaften eifrig bewundert, aber er selbst meint bescheiden: das
galt wohl mehr der leuchtenden waschbaren Oelfarbe; es waren wirklich mehr
nachgefühlte als selbsterlebte Sachen. Jedoch die Menschen waren anderer
Meinung, die Bilder wurden schnell verkauft und andere nachbestellt. Eins jener
Bilder, „Strassburg im Frühling 71“, kaufte der Stuttgarter Kunstverein.

Reisen nach Tirol und Oberitalien fallen in die Jahre 71 und 72; die dort
entstandenen Bilder werden verkauft, aber ihr Urheber ist nur mit wenigen zu-
frieden. Die „Fischerboote an der Riviera“, welche die Hamburger Kunsthalle
besitzt, stammen aus jener Zeit. Das Gemälde ist energisch in der Auffassung
und originell im Ton. Mit der üblichen Schönheit Italiens, dem sonnigen Gelände
und blauem Himmel konnte sich Schönleber wenig befreunden. Als er aber im
Mai 73 den Rhein hinunter nach Holland fuhr, fühlte er nach wenigen Tagen, dass
ihm diese Art Schönheit viel sympathischer sei als die glänzende des Südens. Er
brachte köstlich frische Studien heim von diesem ersten Ausflug in die Niederlande,
denen bis zum heutigenTage noch viele, viele gefolgt sind. Die Vignette unseres Auf-
satzes zeigt Schönleber im Herbst 19C0 in eifrigster Arbeit am belgischen Strande.

Wie viel eiserner Fleiss zum rechten Können, zum Schaffen wie aus einem
Guss gehörte, das tritt in Schönlebers Lebenswerk gerade so eindringlich zu
Tage, wie einst in Albrecht Dürers und vieler anderer Meister Schaffen; das
Ringen um den rechten Ton, die Wiedergabe der Morgenfrühe, der bewegten
Lüfte, des bedeckten Himmels, und all die zahllosen Gefahren, welche die klare,
verständliche Wirkung eines Bildes bedrohen, sie haben sich auch Schönleber
in Scharen entgegengestemmt und sind von ihm bis zum heutigen Tage nur
in unablässiger heisser Arbeit bezwungen worden.

Aber auch zeichnerische Aufgaben: so die Illustrationen
für Engelhorns „Italien“ und „Rheinfahrt“ nahmen den
malenden Landschafter in Anspruch, die Werke „Ost- und
Nordsee“ schlossen sich an und Schönleber meint noch
heute, entgegen der Ansicht vieler Kollegen, dass solch
ernsthaftes Zeichnen auch den Blick des Malers schärfe,
sein Ausdrucksvermögen bereichere.

Dass Böcklins Schöpfungen den poetisch angelegten,
mit feinem Farbensinn begabten Schwaben aufs lebhafteste
interessierten, war natürlich; schon Anfang der 70er Jahre
begann die Verehrung des grossen Schweizers und im Lauf
der Jahre hat sich diese Wertschätzung bis zur Schwärmerei
gesteigert; denn erst nachdem Schönleber selbständig ge-
arbeitet hatte, begriff er völlig die intensive Wahrheit und
| geistige Beseelung Böcklinscher Bilder. Ein treuer Freund
wurde ihm Hermann Baisch, der früh gestorbene, sie gingen
mitsammen nach Holland und wurden schliesslich fast , zu
gleicher Stunde 1881 nach Karlsruhe an die dortige Kunst-
schule berufen. Hier haben sie bis zu Baischs Tod 1894
fröhlich und erfolgreich vereint gearbeitet.

Zu den , zahlreichen Schülern, welche von dem heute
noch mit unvermindertem Erfolg lehrenden Schönleber
gut geleitet und trefflich beeinflusst Würden, gehören Kall-
morgen, Kampmann und Ravenstein, auch Zügel und Berg-

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